Die deutsche Gruppe Kraftwerk gilt als Pionier der elektronischen Musik. Und zumindest für den populären Zweig der Musik gilt das, wenn auch mit gewissen Einschränkungen. Der Einfluss auf Techno und Co. ist aber unbestritten. Was aber passiert, wenn man denen den Strom abstellt? Vor Jahren machte das das Balanescu-Quartett ganz erfolgreich. Die Musik lief als Trennermusik in ARTEs längst abgesetzter Kurzfilm-Schiene. In diesem Jahr haben sich die Schweizer Jazzer unter dem Projektnamen MenschMaschine bekanntere und seltenere Stück vorgeknüpft. Mit gutem Erfolg, wie man so zu sagen pflegt.
Es ist klar, dass loopbasierte Musik auch ordentlich Raum bieten könnte, um darin Jazzidiome zu verbraten. Die Übertragung ist nicht so schwer. Schwer ist es nur, dem ganzen ein neues Leben einzuhauchen, dass nicht in der Langeweile der Imitation wegschrumpft. Hier haben die Schweizer Musiker feine Arbeit abgeliefert.
MenschMaschine - Das Model by Oli Kuster
Wenn man allein hört, wie sich bei „Trans Europa Express“ am Anfang eigentlich Schönbergs Kammersinfonie op. 9 materialisiert, ist es erfrischend. Oder in der von mir favorisierten Nummer „Das Model“ a) eine weibliche Gesangstimme hinzutritt, die b) das Model als Mann darstellt und c) dem ganzen Ernst der Sache dadurch Nachdruck verleiht, dass Glockenspiel und Blockflöte beigefügt werden. Da ist man weg vom Kraftwerk und landet im musikalischen Kraftwerk. Ein wenig gehemmt wird dabei allenfalls das Saxophon von Domenic Landolf.
Was auch überraschend sein mag, bei solcher Musik erwartet man vielleicht eher nicht, dass das Schlagzeug (hier: Kevin Chesham) große Freiräume genießt. Das aber ist der Fall. Bei „Autobahn“ haben wir ein außerordentlich rhythmisch befreit aufspielenden Chesham. Das Solo des Pianisten Oli Kuster ist nicht weniger beeindruckend. An sich spielen die Hände über lange Strecken unisono, aber eben doch verschoben in sich – eine Art Variantenheterophonie bildend.
Die Jazzer haben sich wirklich ordentlich ins Material von Kraftwerk versenkt. Christoph Utzinger am Bass hat es da noch am bequemsten. Sein sonorer, substanzreiche Ton fängt die Musik und Musiker immer wieder ein.
Bei aller handwerklicher Könnerschaft, ganz neu erfunden sind die Stücke nicht deswegen besser als das Original. Das wäre zu schön. Hin und wieder bemerkt man eine gewisse Planheit des Gesamtsounds, der aber nicht wie im Original zum halbekstatischen Groove führt, sondern ein bisschen die Autobahn zum Waldweg geraten lässt. Mancher Klang-Ast liegt dann schon noch im Wege.
MenschMaschine: Hand Werk, metarecords 061