Schon als Jugendlicher begeisterte sich Robert HP Platz für Zen-Buddhismus, japanische Kunst, sowie traditionelle und neue japanische Musik. Besonders eng verbunden fühlt er sich der Musik des vier Jahre jüngeren Toshio Hosokawa, der sich erst in der Fremde – während seines Kompositionsstudiums bei Isang Yun in Berlin und Klaus Huber in Freiburg – für die alte Gagaku-Hofmusik des eigenen Landes zu interessieren begann.
Seine Einspielung als Dirigent von Hosokawas Konzerten für Violine „Landscape III“ , für Klavier „Ans Meer“ und für Flöte „Per Sonare“ mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin sowie den Rundfunkorchestern des NDR Hamburg und des SWR Freiburg und Baden-Baden CD (NEOS 10716) wurde mit dem angesehenen Schallplattenpreis „Clef d`or“ für die beste CD des Jahres 2009 ausgezeichnet.
Hosokawas Werke folgen dem Ideal einer naturhaften Musik, deren Spannungsverläufe sich wie Klanglandschaften vor den Augen eines Reisenden entfalten. Zugleich führt er seine instrumentalen Linien wie bei der Kalligraphie mit mal festerem, leichterem, dünnerem oder dickerem Pinselstrich. Die Stärke der neuen Einspielungen zeigt sich darin, dass Platz die Partituren nicht als naturalistische Tableaus, shintoistische Schreine oder meditative Klangklöster inszeniert. Bei aller Liebe bewahrt er stets professionelle Distanz im Dienste der Artifizialität und präzisen Wiedergabe der Werke, so dass die Musik nie Gefahr läuft, überdehnt oder verzärtelt zu wirken. Die zupackende Prägnanz der Aufnahmen verdankt sich zweifellos auch den hervorragenden Solisten, dem Geiger Irvine Arditti, dem Pianisten Bernhard Wambach und der Flötistin Gunhild Ott.
Das Flötenkonzert entstand 1988 als erstes Solokonzert des Japaners und zeigt eine große Nähe zur Spielweise und teils geräuschhaften Klanglichkeit der Bambusflöte Shakuhachi. So entlockt die Solistin mit gleichzeitigem Singen und Blasen ihrem Instrument einen geradezu orchestralen Reichtum an verschiedensten Klangfarben, Schwebungs- und Mehrklängen. Das Violinkonzert von 1993 entfaltet sich in Wellen, die zuweilen orkanartig aufbrausen, um sich plötzlich wieder zu spiegelnden Flächen zu beruhigen, vor welche die Solovioline tritt, deren Klangspektrum zwischen leeren Liegetönen und hoch energetischen Tremoli den Gesamtprozess des Stücks im Keim enthält.
Platz als Klavier-Komponist
Neben dem Kompositionsstudium bei Wolfgang Fortner in Freiburg und Karlheinz Stockhausen in Köln ließ sich Platz bei Francis Travis auch zum Dirigenten ausbilden. Als solcher gründete er 1980 das „Ensemble Köln“, das er bis zur Auflösung 2001 leitete. Dass er erst im dreißigsten Lebensjahr sein erstes Klavierstück komponierte, dem bis heute nur vier weitere folgten, zeugt von großem Respekt vor dieser Gattung. Zugleich nutzte Robert HP Platz sein „Klavierstück 1“ von 1981 als Auffangbecken für unterschiedlichste Einfälle. Streng genommen enthält „Trail“ – so der Obertitel – gleich sieben Stücke in einem, deren Pfade sich kreuzen und die der 1952 in Baden-Baden geborene Komponist später zur sein gesamtes Schaffen bestimmen Idee von „Formpolyphonie“ weiterentwickelte. Es ist ein typisches Erstlingswerk, voll Ehrgeiz und blendender Virtuosität, gepaart mit noch unausgereiftem Gespür für Proportionen und Relationen von Form und Faktur.
Am Anfang steht ein empfindsamer Sextsprung, der trotz sofortiger Wendung ins Atonale im weiteren Verlauf immer wieder als charakteristisches Element herausklingt. Der kontrastive Beginn ist charakteristisch für die Kleinteiligkeit des 35minütigen Riesenstücks. In harten Schnitten und schnellem Wechsel folgen extrem unterschiedliche Gesten aufeinander: weiches Legatospiel einzelner Anschläge mit langen Pausen des Nachhörens auf ihr Verklingen, dann plötzlich hyperagile Klangkaskaden, bei denen sich die Einzeltöne zu kaum durchhörbaren Gesamtereignissen verdichten. Vermutlich sind es diese Gegensätze von heterogener Detailfülle und extensiver Großform, flüchtigem Augenblick und ambitionierter Monumentalität, die das Stück inkonsistent und unfasslich wirken lassen.
Klarer sind das kompositorische Thema und Material in den folgenden Klavierstücken. Nummer 2 ertastet die Register des Instruments und erweitert sie zusätzlich durch Tonbandzuspielungen transformierter Klavier- und elektronischer Klänge, die teils nahtlos aus dem Originalklang fließen oder in virtuelle Hall- und Echoräume führen. „Klavierstück 3“ zeigt zuweilen regelrecht musikantisch beschwingte Gesten, die sich verschiedenen Repetitionen verdanken, Tremoli, Trillern und unterschiedlich dichten und schnellen Ton- und Akkordwiederholungen, über denen kurze Einwürfe, weite Kantilenen oder choralhafte Akkorde zu liegen kommen.
Die 1998 beziehungsweise 2007 entstandenen Klavierstücke 4 und 5 sind geprägt durch funkelnde Arpeggien und wild über alle Lagen springende, impulsive Akkordfolgen à la Boulez. Interessant ist der Formverlauf von Nummer 4. Der virtuose Grundduktus wird hier vorübergehend zurückgenommen, bis er sich gegen Schluss durch Überlagern mehrerer Klangschichen wieder aufbaut und damit das Konstruktionsprinzip des Stücks zu Tage tritt. Die Aufnahmen der CD (NEOS 10715) entstanden 2007 im Kammermusiksaal des Deutschlandfunks Köln. Es sind allesamt Ersteinspielungen durch den in London geborenen Pianisten Rolf Hind, der bisher vor allem im englischen Sprachraum als Interpret neuer Musik reüssierte. Technische Brillanz und große Musikalität machen Hind zum kongenialen Interpreten von Platz´ Klaviermusik.