Noch vor einigen Jahren verpönt – heute Zauberwort und Allheilmittel? Der Begriff des Marketing hat in den letzten Jahren Eingang in die Non-Profit-Kultur gefunden. Doch Kultur-Marketing unterscheidet sich notwendigerweise von einem Marketing, wie wir es aus Wirtschafts-Unternehmen kennen. Nicht zufällig galt es lange Jahre hindurch als anrüchig, hehre Kunst in Verbindung mit der schnöden Idee der Vermarktung zu bringen.
Dabei wurde und wird die Vorstellung von dem, was Marketing ist, häufig mit Werbung, allerhöchstens noch Öffentlichkeitsarbeit gleichgesetzt. Marketing aber ist vielschichtig, bedeutet – im kommerziellen Betrieb – ein alle Unternehmensbereiche einschließendes Denken und Handeln, das sich allein am Kunden-Bedürfnis und Kunden-Nutzen orientiert und den Unternehmensinhalt danach ausrichtet. Dass diese Art des Denkens in vielen Kulturbetrieben (noch) nicht angekommen ist, ist sicher gut so. Das „Dilemma“ des Kultur-Marketing liegt gerade im Bedürfnis der „Produzenten“, sich nicht allein an den Wünschen eines Mehrheits-Publikums auszurichten. Vielmehr zählt das „Produkt an sich“. Im Extremfall schafft ein Künstler ein Werk, ohne auch nur an einen einzigen Abnehmer zu denken. Lyriker können in diese Spezies gehören, bildende Künstler, natürlich auch Komponisten. Wer will es ihnen verdenken? Und doch: Kultur, die nicht rezipiert wird, verliert einen Teil ihrer Daseinsberechtigung: Ausdruck einer Gemeinschaft für eine Gemeinschaft zu sein – ohne freilich sich dem Geschmack der Massen zu unterwerfen. In diesem Spannungsfeld befinden sich Non-Profit-Kultur-Vermarkter. Sie sollen das Produkt möglichst unverändert auf den Markt bringen; die Frage, ob es einen Markt für das Produkt überhaupt gibt, hat – im schlimmsten Fall – vorher niemand gestellt. Dass ein kreativer und erfolgreicher Umgang mit diesem Spannungsfeld möglich ist, zeigen Beispiele in unserem Dossier: Das Festival „Young Euro Classic“ denkt den „Kunden“ von Anfang an mit, ohne künstlerische Abstriche zu machen; Kreativität ist auch und gerade bei der Vermarktung einer Stadttheater-„Zauberflöte“ nötig und möglich.
Anders stellt sich das Marketing im kommerziellen Kultur-Betrieb dar. Wer in Deutschland oder anderswo ein Musical produziert, betrachtet zu allererst den Markt: Was kommt an? Wo toppen Zuschauerzahlen? Erst danach wird das Produkt entwickelt (oder eingekauft). Wer Platten, Noten oder Künstler verkauft, denkt vor Produktionsbeginn über Ab- und Umsatz nach. Auch in diesen vielschichtigen Themenbereich kann unser Dossier nur erste Einblicke vermitteln. Und im Herzen bewahren wir uns die geheime Hoffnung, dass auch der Kultur-Produzent und -Vermarkter, der damit Gewinn machen will, noch ein bisschen „anders“ ist: Dass er die Kunst nicht nur vermarktet, weil sie Geld bringt, sondern weil er sie liebt…