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Leben, wachsen und gedeihen

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Kirchenmusikschule Regensburg feiert 125jähriges Bestehen
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„Instrumente, die nach einer Steckdose verlangen, haben in der Kirche nichts verloren,“ – ein solches Urteil entlockt Hubert Velten, seit 1988 Direktor der Fachakademie für katholische Kirchenmusik und Musikerziehung Regensburg, nicht einmal mehr ein müdes Lächeln. Velten, Pädagoge mit Leib und Seele, praktiziert nämlich mit seinen Dozenten und Studenten seit Jahren das genaue Gegenteil des Vorurteils, katholische Kirchenmusik sei verstaubt und knöchern, bestenfalls Schmuck, Beiwerk im Gottesdienst. Die Ausbildung beinhaltet nämlich keineswegs nur die Einstudierung und Wiedergabe der alten Meister und das Orgelspiel im Gottesdienst, sondern auch das Neue Geistliche Lied, das Elemente und Instrumente der Popularmusik von Blues bis Latin als Gestaltungsmöglichkeiten miteinbezieht. Wer etwa einen Blick in den Perkussionsraum der Kirchenmusikschule wirft, staunt zunächst über die Bandbreite des Instrumentariums: Hier stehen nicht nur Orff-Instrumente, sondern auch Tamtam, Conga und Tabla, ja sogar Gamelan-Instrumente und ein Schlagspiel aus – Autofelgen. Die Weltoffenheit, die sich hierin musikalisch äußert, kennzeichnet auch die Studentenschaft. Von den derzeit gut 120 Auszubildenden, davon die eine Hälfte reguläre Studenten im ersten bis vierten Lehrjahr, die andere Gaststudenten und Musiklehrer im einjährigem Aufbaustudium, kommt ein hoher Prozentsatz aus dem Ausland, aus Japan, Litauen, Südkorea und Brasilien, viele sind aus Kroatien. Was zieht die Jugendlichen aus der Ferne an die Donau, in das Augustiner-Chorherrenstift St. Mang, in dem die Kirchenmusikschule seit den Siebzigern beheimatet ist? Da ist zunächst einmal der Stellenwert der Kirchenmusik in Deutschland, der verglichen mit anderen europäischen Ländern „noch sehr hoch ist“, wenn auch leise Sorge anklingt, wenn Direktor Velten das sagt. Zum anderen natürlich vor Ort die Qualität der Ausbildung, zunächst in Räumlichkeiten und Ausstattung – die Akademie gruppiert sich mit Verwaltungs-, Wohn- und Unterrichtstrakt und Kammermusiksaal um den Kirchenbau (quasi eine Übekirche), verschiedene Orgeln, darunter auch eine in mitteltöniger Stimmung, stehen zur Verfügung –, aber auch bezogen auf die Fähigkeiten der Dozenten, die das gesamte Spektrum der abendländischen Musikgeschichte praktisch bewältigen müssen, vom gregorianischen Choral bis zu Werken zeitgenössischer Komponisten wie Petr Eben und Bertolt Hummel. Aber auch die starke Einbindung der Musikschule in das öffentliche Leben der Stadt, ihre Beziehungen zum Stadttheater und zu den Domspatzen machen sie zu einem aktiven Kulturträger und attraktiven Ausbildungsort. Die Ausrichtung der Lehre auf die lebendige Praxis der Kirchenmusik steht für Hubert Velten im Mittelpunkt aller Überlegungen und Vorhaben. Gegen das Bild einer bloß schmückenden Kirchenmusik stellt er das Ideal des Kirchenmusikers, der aus einem reichen Schatz künstlerischer Erfahrung heraus das Leben der Gemeinde gestaltet, in Orchestern, Posaunen-, Gemeinde-, Jugend- und Kinderchören alltägliche Stätten der Begegnung und Identifikation unterhält, mittels Musik die Gemeinschaft der Gemeinde erschafft. Zu einer Zeit, in der die Anzahl der Priesterweihen abnimmt, steigt daher zwangsläufig auch die kirchenpolitische Bedeutung der Kirchenmusiker. Jedoch ist das Bewußtsein um diesen Sachverhalt an den entscheidenden Stellen nicht genug ausgeprägt – die Beschäftigungsverhältnisse zeigen es deutlich. Organistenstellen werden unterqualifiziert und damit „kostengünstiger“ besetzt, oft sind Kirchenmusiker und ihre Familien zusätzlich auf Einnahmen aus privatem Musikunterricht angewiesen. So gehen Zeit und Engagement verloren, die der Arbeit in der Gemeinde direkt zugute kommen könnten. Mit diesen Überlegungen stehen die Regensburger ganz in der Tradition ihres Gründers Franz Xaver Haberl. Am 22. November 1874 hatte Haberl die Kirchenmusikschule auf Anraten Franz Liszts ins Leben gerufen, um in der Zeit des Kulturkampfes, als die Kirche von staatlicher Seite daran gehindert werden sollte, das religiöse und kirchliche Leben in freier Selbstbestimmung zu gestalten, durch musikalische Ausbildung der Geistlichen, ihren Wirkungskreis in der Gemeinde wieder zu erweitern, also aus starken kirchenpolitischen (und weniger musikalischen) Beweggründen. Kirchenpolitische Erwägungen, wenn auch anders gelagert, spielen auch heute mit hinein, wenn es um die Qualifikation der Studenten geht. Um diese zu heben und langfristig zu sichern, besteht bereits seit 1989 ein Kooperationsvertrag mit der Hochschule für Musik und Theater München. Zudem erwägt man nach dem Vorbild anderer Kirchenmusikschulen einen sehr wichtigen Schritt, nämlich die Umwandlung der Fachakademie in eine Hochschule. Warum sollte die Kirchenmusikschule Regensburg entsprechend ihrer großen Bedeutung nicht auch einen angemessenen institutionellen Rahmen besitzen?

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