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Leitfaden für ganze Persönlichkeiten

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Kulturelle Jugendbildung in den neuen Förderprogrammen der Europäischen Union
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Denn schließlich handelt es sich bei den gerade genannten Namen um die Titel von europäischen Förderprogrammen und Aktionslinien, also den wesentlichen Elementen, mit denen das Europäische Parlament und die EU-Kommission in den Bereichen Jugend, Kultur und Bildung überhaupt aktiv Politik machen können.

Kaleidoskop, Raphael, Ariane, Sokrates, Comenius, Erasmus, Jugend für Europa... Alles überaus wohlklingende Namen, positiv besetzt mit den großen Errungenschaften europäischer Kulturgeschichte, mit der Symbolkraft motivierender, bunt schillernder Vielfalt. Für Veranstalter von europäischen Jugend- und Kulturprojekten aber auch behaftet mit düsteren Erinnerungen an komplizierte Antragsformulare, demotivierende Ablehnungsbescheide für mühsam vorbereitete Projekte. Belastet mit der Erfahrung von undurchschaubaren Entscheidungskriterien, von überaus zäher Antragsbearbeitung und noch viel langsamerer Zuschussauszahlung. Denn schließlich handelt es sich bei den gerade genannten Namen um die Titel von europäischen Förderprogrammen und Aktionslinien, also den wesentlichen Elementen, mit denen das Europäische Parlament und die EU-Kommission in den Bereichen Jugend, Kultur und Bildung überhaupt aktiv Politik machen können. Und diese sind seit langem in der Diskussion, denn die Laufzeit fast aller Programme endete zeitgleich zum 31. Dezember 1999. Es hat sich jedoch die Befürchtung bewahrheitet, dass die Diskussionen um die Neugestaltung des Förderprogramms „Jugend“ und des Rahmenprogramms „Kultur 2000“ länger dauern werden als die Laufzeit der zu ersetzenden Programme. Was bedeutet, dass zum Jahresbeginn 2000 der eigentlich gewollte „Neuanfang“ in diesen Bereichen nicht gemacht werden konnte.

Wie so oft, wenn eine politische Entscheidung nicht so recht vorankommt, ging und geht es dabei vor allem um das Geld. Über die Laufzeit des Rahmenprogramms „Kultur 2000“ und besonders über seine finanzielle Ausstattung konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten nach zweijähriger Diskussion erst vor kurzem einigen. Beim Förderprogramm „Jugend“ sind sie davon noch weit entfernt. Zwischen den Vorschlägen der EU-Kommission, den Ideen des Ministerrates und den Vorstellungen des mittlerweile selbstbewusster auftretenden Europäischen Parlaments besteht noch eine deutliche Diskrepanz, die im Lauf eines Vermittlungsverfahren überbrückt werden muss.

Während es bei den Finanzfragen immer wieder die alten Standpunkte und Argumente sind, die ohne echten Willen auf Annäherung ausgetauscht werden, so konnte man in den letzten Monaten bei den inhaltlichen Fragen der Jugend-, Kultur- und Bildungsprogramme erfreulicherweise viele neue Töne hören, die den Weg in die richtige Richtung weisen und auch nicht mehr sonderlich strittig sind.

Da war im Sommer 1999 plötzlich die Rede von „Connect“, einem sehr kurzfristig ausgeschriebenen Pilotprogramm. Ein pragmatischer Name für ein Förderprogramm, ohne den Pathos altehrwürdiger Kulturgeschichte. Und ganz pragmatisch sollte dieses Versuchsprogramm auch das einlösen, was gerade aus den Reihen der Träger internationaler Jugendkulturprojekte so heftig gefordert wird: Die sinnvolle Abstimmung und Verbindung der beiden Bereiche Kultur und Bildung miteinander.

Sozusagen die Verbindung von „arts-andeducation“ zum ersten Mal auf der Ebene eines EU-Förderprogramms. Die beiden für „Connect“ verantwortlichen Generaldirektionen haben das aber noch lange nicht geschafft, was das ebenfalls 1999 neu entstandene „artsandeducation“-Netzwerk müheloser schafft: Das partnerschaftliche Zusammenwirken in einer einzigen Struktur. Nein, es blieb bei zwei Ausschreibungen des Programms „Connect“, eine aus dem Bildungs- und eine aus dem Kulturbereich. Sogar Mitglieder der Projektauswahlgremien wussten zum Teil nichts von der Existenz der jeweils anderen „Connect“-Ausschreibung und den dort eingereichten Projektvorschlägen.

Aber sie hatten immerhin einen gemeinsamen inhaltlichen Ansatz, und vor allem firmierten die beiden Ausschreibungen unter einem gemeinsamen Namen. Da war schon ein erster Schritt zur mittlerweile existierenden neuen Generaldirektion für Bildung und Kultur zu sehen.

Aber wir sollten auch einen aufmerksamen Blick in die Entwürfe der neuen Jugend- und Kulturprogramme ab 2000 werfen – es lohnt sich.

Im neuen Programm „Jugend“, das die bisherigen Förderprogramme „Jugend für Europa“ und den „Europäischen Freiwilligendienst“ zusammenfassen wird, bekommt die Förderung von künstlerisch-kreativen Projekten von und mit Jugendlichen einen deutlich höheren Stellenwert. Projekte mit künstlerischen und kulturellen Arbeitsformen und Inhalten werden mehrmals explizit als Förderziel definiert, was die Träger von internationalen Jugendkulturprojekten in Zukunft auch offensiv nutzen sollten.

Denn zumindest aus deutscher Sicht kann man sagen, dass die freien und öffentlichen Träger der Jugendkulturarbeit „Jugend für Europa“ noch viel zu wenig als Förderquelle für sich entdeckt haben. Sie sind immer noch zu sehr auf bundesdeutsche oder binationale Fördertöpfe mit deutscher Beteiligung fixiert.

Auch das Studium der Entwürfe des neuen Rahmenprogramms „Kultur 2000“, das in wenigen Wochen veröffentlicht werden dürfte, lässt das Herz der Kollegen und Kolleginnen höher schlagen, die internationale Kulturprojekte vor allem mit oder für Kinder und Jugendliche machen. Hier werden Jugendliche gleich mehrfach ausdrücklich als Zielgruppe und Nutznießer des Rahmenprogramms genannt. Und das vor allem, weil ihre Interessen und Ideen mit neuen, unkonventionellen künstlerischen Ausdrucksformen in Verbindung gebracht werden, die in die Zukunft weisen. Und weil Jugendliche auf die Erfahrung der internationalen Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten unmittelbar kreativ und produktiv reagieren.

Selbst die ursprünglich in den Entwürfen vorgesehenen großen Hürden für kleinere Projektformen von mindes-tens vier oder sieben beteiligten Nationen sind mittlerweile wieder vom Tisch. Das gibt auch den kleineren Trägern und Initiativen, die oftmals mit Jugendlichen künstlerische Projekte durchführen, die Möglichkeit, gute bi- und trinationale Vorhaben zur Bezuschussung einzureichen. Denn für sie wäre es unleistbar, ständig den Arbeitskontakt zu Partnern in sieben Ländern zu halten, um überhaupt die Basis für einen erfolgreichen Förderantrag zu haben.

In diesem Sinne können wir nur hoffen und eindringlich auf unsere nationalen Regierungen einwirken, dass nach „Kultur 2000“ auch „Jugend“ rasch verabschiedet, und mit einem Budget ausgestattet wird, das nicht von Anfang an Ablehnungsquoten von 50 und mehr Prozent hervorrufen wird.

Gleichzeitig müssen ganz rasch mit allen beteiligten Staaten, die nicht Mitglieder der EU sind, die immer wieder neu erforderlichen Assoziierungsabkommen zu den Programmen geschlossen werden. Denn nur dann erweitert sich der Radius der beteiligten und nutznießenden Staaten mit ihren Möglichkeiten der Jugendkulturarbeit rasch über die EU hinaus. Und die Außengrenzen der EU sind ja längst nicht mehr die kulturellen Grenzen, vor denen Jugendliche und Träger mit ihren Kulturprojekten Halt machen können und wollen!

Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist natürlich auch die engere Abstimmung zwischen dem neuen „Jugend“-Programm und den schon beschlossenen neuen Bildungsprogrammen „Sokrates“ und „Leonardo“. Unter den gemeinsamen Oberbegriffen „Europa des Wissens“, „europäischer Bildungsraum“ sollen durch aufeinander abgestimmte Laufzeiten und inhaltliche Schwerpunktsetzungen in ersten Ansätzen sogenannte Synergie-Effekte erzielt werden. Hier besteht die Chance (und unbestritten auch die Notwendigkeit), dass schulische und außerschulische kulturelle Bildungsarbeit enger zusammenarbeiten und neue internationale Projektformen gemeinsam entwickeln.

Die förderpolitischen Rahmenbedingungen, dass dies passieren kann, haben sich also verbessert. Jetzt müssen es nur noch die Institution Schule, die Kunstlehrer und Kunstlehrerinnen und die freien Träger der kulturellen Jugendbildung schaffen, sich auch verstärkt auf europäische Projekte einzulassen und althergebrachte Berührungsängste zwischen den Institutionen zu überwinden.

Insgesamt also eher eine positive Perspektive für den gesamten Querschnittsbereich der kulturellen Jugendbildung, sich in den neuen Jugend-, Kultur- und Bildungsprogrammen der EU mit seinen Anliegen der bereichsübergreifenden Arbeit mit Jugendlichen wiederzufinden und zugängliche Quellen für finanzielle Unterstützung der eigenen idealistischen Arbeit nutzen zu können.

Wollen wir sehen, was die Realpolitik in diesem Jahr 2000 bringen wird. Aber eines haben sich die ehren- und hauptamtlich in diesem Bereich Tätigen schon jetzt fest vorgenommen, die im Rahmen des artsandeducation-Netzwerks europaweit zusammenarbeiten: die neue EU-Kommissarin für Bildung und Kultur, Viviane Reding und ihre Worte bei der Befragung durch die Mitglieder des Europäischen Parlaments vor Antritt ihres Amtes sehr ernst zu nehmen:

„Civil society must play its part too. What better support could we have than the wealth of cultural, social, humanitarian and youth organisations and associations which flourish in our Member States?“

Liebe Frau Reding: Sie werden beim Wort genommen! Darauf können Sie sich verlassen!

Weitere Informationen zur europäischen Jugendkulturpolitik auf der Homepage der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung   und auf den Internetseiten des artsandeducation-Netzwerks: www.artsandeducation.net

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