Die traurigste Nachricht des Musikjahres: Kurz vor dem Heiligen Abend am 22. Dezember 2023 hat die Gitarristin Heike Matthiesen den Kampf gegen den Krebs verloren. Der Welt ist damit nicht nur eine hervorragende Musikerin entschwunden, sondern auch in unersetzlicher Weise eine Meisterin der Kommunikation und des Netzwerkens. Die nmz trauert mit der Familie und engen Weggefährt*innen und sieht selbst den Schmerz über den großen Verlust dieser besonderen Frau, Freundin und Musikerin.
Gelebte Liebe: Kammermusik, Kommunikation, Kollegialität – Ein Nachruf auf Heike Matthiesen
Die Kunst und die Künste
Dass Heike Matthiesen mal Gitarristin werden würde, war als Kind einer Opernfamilie bei Weitem nicht klar – mit 18 Jahren erst entdeckte sie das Instrument, die Gitarre, für sich und studierte bei den Namhaftesten: Pepe Romero schließlich öffnete ihr den Weg zur Wandlung in eine Weltklassesolistin. Die über zwei Dekaden währende Zusammenarbeit mit der Villa Musica Mainz ließen die Gitarristin ein riesiges Repertoire an Kammermusik erarbeiten und ihre Liebe zur Kammermusik erblühen. Diese führte sie in verschiedensten Ensembles über die Konzertbühnen dieser Welt. Außergewöhnliche Alben-Produktionen folgten und führten sie bei der Recherche für die Aufnahme zu „Guitar Ladies“ zum Archiv Frau und Musik in Frankfurt, der weltweit größten Sammlung mit Werken von Komponistinnen. Infolgedessen setzte sie sich ehrenamtlich im geschäftsführenden Vorstand für das Archiv sowie die Förderung der Gleichstellung von Frauen im Musikleben ein. Die Ausnahmemusikerin repräsentierte einen modernen Typus von Künstler*innenschaft: Kommunikativ, stets netzwerkend, polyglott und internetaffin stellte sie auf ihren Social-Media-Kanälen den direkten Kontakt zum Publikum, zu den Menschen her und sah so einen weiteren Weg, als Botschafterin von klassischer Musik, Gitarre und Frauen in der Musikwelt aufzutreten.
Die sozialen Netzwerke
Heike war mehr social als Media: Unglaublich viele Menschen aus den verschiedensten Bereichen trauern auch im digitalen Raum zutiefst um die kommunikationsgenialistische Musikerin. „Sie war ermutigend, unterstützend, generös und glaubte fest daran, dass für alle von uns ein Raum da ist und dass wir uns gegenseitig supporten müssen“ so schreibt die Gitarristin Mariette Stephenson auf Instagram. Menschen aus Musik und Medien schreiben auf Facebook, Instagram, X, Blue Sky, dass ihr Herz gebrochen ist, so sie vom Tod dieses wunderbaren Menschen erfahren haben.
Steven Den Toom, dem preisgekrönten Gitarrenbauer aus Altastenberg wurde die schwere Aufgabe zuteil, die digitale Welt über den Heimgang seiner lieben Freundin seitens der Familie zu informieren: „Wie kann ich also auf Social Media weitermachen, nachdem ich der Welt das Ableben einer lieben Freundin angekündigt habe, ich habe keine Ahnung, ich glaube es immer noch nicht so ganz… . Ich erinnere mich an Heike, ihr helles Licht, ihre inspirierende Persönlichkeit, wie sie mich unterstützt, mir geholfen hat und mehr. Jetzt fühle ich den irgendwie unglaublich tiefen Wunsch, das Licht der Hoffnung festzuhalten nach Heikes Vorbild. Ich glaube, dass in den dunkelsten Zeiten das Licht der Hoffnung am hellsten scheint.“
Mit diesen Worten beschreibt der Gitarrenbauer genau das, was Heike ausgemacht hat: die hervorragende Netzwerkerin konnte trotz ihrer Situation, ihrer schweren Erkrankung Menschen und Organisationen unermüdlich unterstützen, sah sie einen absoluten Wert darin. Da reihen auch wir uns als nmz ein, der auch sie uns mit Rat und Tat zur Seite stand – Heike Matthiesen war eine besondere Person: zugewandt, höflich, präzise und bestimmt und voller Sachkenntnis.
Jahrelang ging sie im digitalen Raum offen mit ihrer Krebserkrankung um und machte Menschen Mut, spendete Hoffnung. Mehr als zutreffend bringt es Sänger und Schauspieler Wolfram B Meyer im Netz auf den Punkt: „Sie ist ein Vorbild für mich. Sie hat großartig gekämpft, dabei immer anderen geholfen und war zudem eine wunderbare Künstlerin.“
Sie war kein simples PR-Megaphon nach draußen, wie sie es mal in einem Interview mit dem Deutschlandfunk Kultur formulierte – sie nutzte die Social Media Plattformen (mit über 25 tausend Follower*innen, und mehr als zwei Millionen Klicks auf ihre Youtube-Videos), um mit den Menschen zu kommunizieren und dem Publikum Neuigkeiten nach Hause zu tragen. „Sharing is Caring“ war die Devise der Künstlerin, so teilte sie generös auch interessante Inhalte anderer Menschen und ihr eigenes Wissen im digitalen Raum sowie im echten Leben.
„Sharing is Caring“
Die Künstlerin transportierte die Welt der Gitarrenmusik und des Frauenmusiklebens in die Köpfe der Menschen und verlieh damit diesen Themen eine wesentliche größere Popularität. Ihr zweiter Vorname war Networking: Die Gitarristin pflegte Kontakte auf den verschiedensten Ebenen, auch zu Behörden und offiziellen Kulturvertreter*innen. Laut Archiv Frau und Musik spielte sie eine zentrale Rolle dabei, selbiges nach bedrohlichen Kürzungen im Jahr 2013 wieder auf solidere finanzielle Beine zu stellen. Auch dessen Sichtbarmachung und auch die internationale Vernetzung von Musikfrauen betrieb Heike Matthiesen besonders erfolgreich durch die Bespielung der sozialen Medien.
Wir möchten Heike Matthiesen Danke sagen: für die Gespräche, für die Kraft, die sie trotz ihrer Situation gegeben hat – für die wundervolle Musik, für die Lebendigkeit im realen Leben wie im digitalen Raum. Es gibt keine Worte, die beschreiben könnten, welche Lücke sie nun hinterlässt. Die Hoffnung, die die Ausnahmekünstlerin gegeben hat, möge in dieser Welt bleiben.
Weiterführende Links:
- Heike Matthiesen, Gitarre solo: Recuerdos de la Alhambra https://www.youtube.com/watch?v=oScByhA15g0
- Website: https://heikematthiesen.com/
- Heike Matthiesen mit GUITAR DIVAS bei Ars Produktion: https://www.ars-produktion.de/lounge/kuenstler/heike_matthiesen/heike_matthiesen.php
- Guitar Divas on SWR 3: https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/heike-matthiesen-guitar-divas-100.html
- Heike Matthiesen als Solo-Gitarristin auf YouTube: https://www.youtube.com/channel/UCPsH_Ug8Fxx5_EHfy4wuoTA
- Link zu Heike Matthiesens Gitarren-Repertoire-Liste beim Archiv Frau und Musik in FFM: https://www.archiv-frau-musik.de/repertoire-listen
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