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Dieter Rexroth. Foto: Thorsten Futh

Dieter Rexroth. Foto: Thorsten Futh
 

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Intellektuelle Brillanz, künstlerische Exzellenz

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Dieter Rexroth prägte die musikalischen Zeitläufte – ein Nachruf
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Die Würdigung Dieter Rexroths läuft zwangsläufig auf eine Würdigung der musikalischen Zeitläufte aus, die ihn getragen haben, vor allem auch weil er diese Zeitläufte entscheidend mit geprägt hat; Zeitläufte, die dieser echte Musikvermittler im Laufe seines Lebens an den verschiedenen Orten seines Wirkens mit einer Fülle von Programm und Inspiration ins Werk gesetzt hat. 

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Im Zentrum standen, wie anfangs bei der Gründung des Hindemith-Instituts, immer das Werk oder der Komponist, welche dann zum selbständigen Strahlen gebracht wurden, in welchen Kontexten auch immer: Die Musik schien stets ein Versprechen zu tragen. Beispielhaft dann auch, zu Rexroths Anfängen an der Frankfurter Alten Oper, die Programmierung von Frank Zappa mit dem Ensemble Modern zu deren bürgerschaftlich bedeutsamer Eröffnung 1981, oder die Erfindung und Ermöglichung des seinerzeit einmaligen Opus Anton Webern 1984, mit dem die Junge Deutsche Philharmonie und das Ensemble Modern von Frankfurt aus mal eben einen bundesweiten Zyklus auflegten – mit einem erlesenen Katalog und künstlerisch erlesen betreut unter anderem von Gary Bertini.

Intellektuelle Brillanz und künstlerische Exzellenz waren, ohne sie als solche stets benennen, ja schier beschwören zu müssen, eine Selbstverständlichkeit, und dass sie Hand in Hand gehen konnten, das war das Verdienst solcher Persönlichkeiten wie Rexroth – wie auch Klaus Zehelein oder Frank Schneider. Solcher Geist floss dann in die Institutionen, denen sie vorstanden, und diese ließen sich von ihm, mal mehr mal weniger, befruchten. Von seinen zehn Jahren als Intendant aller Berliner Rundfunkensembles ROC profitierte davon vielleicht mehr das Deutsche Symphonieorchester als das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, aber der Spirit ist geblieben, wenn auch nicht in der ROC selber, so doch heute durch die jeweiligen Chefdirigenten repräsentiert.

Indes, diese Tugenden sind heute wenig gefragt. Vielmehr gefragt sind, von Kassel bis zur Lausitz, kuratorische Smartness und kulturpolitische Geschmeidigkeit, auch weil der Glaube in die Werke und Komponisten nicht mehr vorhanden ist. 

Und weil sie von sich aus schon lange nichts mehr versprechen, wahrscheinlich weil kaum jemand die Versprechen zu hören gewillt oder in der Lage ist, benötigen sie Anschluss und Relevanzerfindung. Beethovens „Pas­torale“ hochzuschwurbeln zur Hymne des UN Umweltprogramms, auch wenn dieses in Bonn sitzt, wäre so eine anspruchslose und billige Blendernummer. Während 1990/91 Hymnenbewusstsein ganz anderer Art Dieter Rexroth bewies, als er mitten in die heftigen Diskussionen um eine neue gesamtdeutsche Hymne kurzerhand Karlheinz Stockhausens „Hymnen“ aufs Programm der Frankfurter Feste setzte. Und auch hier hinterlässt er uns ein Beispiel, wie man die musikalischen Zeitläufte prägen kann, sowie die Wahl, wie wir es machen könnten oder besser lassen sollten.

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