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Clown, Philosoph und Magier

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Der Pianist Herbert Schuch
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Anlässlich der taktlos-Sendung auf Bayern2Radio „Musikwettbewerbe: Belebt Konkurrenz?“ vom 4. Oktober 2006 (siehe auch www.nmz.de/taktlos) traf sich der Regisseur Christoph C. Stechbart mit dem Musiker Herbert Schuch zu einem intensiven Gespräch. Schuch gilt als einer der erfolgreichsten Wettbewerbsteilnehmer der letzten Jahre. Er gewann 2004 den Casagrande-Wettbewerb in Italien, ein Jahr später den „London International Piano Competition“ und 2005 den Internationalen Beethovenwettbewerb in Wien.

neue musikzeitung: Herr Schuch, Skizzieren Sie uns bitte die ersten Stationen Ihres Lebens als Musiker.

Herbert Schuch: Meine ersten 8 Jahre habe ich in Temeschburg, Rumänien gelebt – dort sind an einer Spezialschule meine musikalischen Grundlagen mit Harmonielehre, Klavier- und Geigenunterricht gelegt und gefördert worden. Dreistimmige Diktate waren für mich kein Problem – ich habe ein relativ absolutes Gehör. In der Schule war ich immer „der Deutsche“, der Exot, was mir kein Gefühl von Normalität vermittelte. 1987 bin ich mit meinen deutsch-ungarischen Eltern nach Rosenheim übergesiedelt, wo ich – ich hatte Glück – neben meinem Musikunterricht eine unbeschwerte normale Jugend verbringen durfte. Ich gewann mit 12, 14 und 16 Jahren den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, allerdings nur am Klavier, in der Wertung „Geige“ bekam ich stattdessen im Regionalwettbewerb magere 11,4 Punkte.
Da ich dann bald meine Geige nur noch kurz vorm Unterricht angeschaut habe und mich mit meiner Lehrerin mehr bei einer Tasse Tee unterhalten als musiziert habe, fiel mir die Entscheidung zwischen den beiden Ins­trumenten doch recht leicht. In der 10. Klasse haben mich jüngere Schülerinnen um meine ersten Autogramme als Pianist gebeten, die ich dann im Schulsekretariat abgeben musste, da die Damen geheim bleiben wollten. (lacht)

neue musikzeitung: Ging Ihre Entwicklung als Pianist am Ende der Schulzeit weiter steil nach oben?

Herbert Schuch: Nein, zuerst gar nicht. Als 20-Jähriger hatte ich ein paar abgekapselt-ruhige Jahre mit vielen grüblerischen Fragen und habe mich oft mal in meinen eigenen musikalischen Ideen verlaufen. Ich war mir einfach nicht mehr sicher, wie ich spielen wollte. In dieser Zeit gab es Wettbewerbe, bei denen sich italienische Juroren über zu viel „Gedanken“ in meinem Spiel beschwerten.

Erst fünf Jahre später gewann ich wieder Wettbewerbe – diesmal auch internationale. Im Finale des Clara Haskil Wettbewerbs 2003 nämlich hatte ich ein Schlüsselerlebnis: Wenn du beim Spielen nur auf der sicheren Seite sein willst, gewinnt keiner – weder du noch die Musik. Man muss da immer etwas riskieren.

neue musikzeitung: Wie bereiteten Sie sich auf die Klavierwettbewerbe vor? Gibt es ein Erfolgsrezept?
Herbert Schuch : Auf die Frage, was er beim Musizieren empfindet, hat Arrau mal gesagt: „Bringe die Finger mit den Tiefen deiner Seele in Verbindung.“ Ich bin einer, der für sich spielt, das „Ich“ steht im Mittelpunkt. Eine Jury versuchte ich immer auszuklammern, so gut es ging.
Aber machen wir uns noch einmal klar, wie ein Wettbewerb psychologisch funktioniert: Jüngere treten vor eine Jury und müssen sich vor den „Alten“, die bestimmen, was gut oder schlecht ist, beweisen. Obwohl die „Alten“ die Spielregeln bestimmen, wissen sie, dass die jüngere Generation irgendwann ihre Plätze einnehmen wird. Das ist ein unglaublich sensibles Verhältnis zwischen Auflehnung, Anpassung, Belohnung und Bestrafung. Wenn man beschließt, sich nicht anzupassen – wobei auch das fast unmöglich ist, bei der Vielzahl an Persönlichkeiten in der Jury – können zwei Sachen passieren: Entweder man hat Erfolg oder auch nicht; also kein so großer Unterschied zur Angepasstheit.
Es hilft aber ungemein, Stücke zu vermeiden, von denen jeder eine andere Meinung hat. Leider sind das ja oft die interessantesten Stücke, da die Vielfalt an Wahrnehmungsformen für mich immer ein Indiz für den Reichtum eines Stückes darstellt. So habe ich in Wettbewerben nach 2003 keine Schubert-Sonaten gespielt, und prompt war ich erfolgreich. Denn gegen einen gut gespielten Ravel kann niemand etwas sagen, es sei denn, man ist Franzose…

neue musikzeitung: Wer sind Ihre Vorbilder als Pianisten?

Herbert Schuch: Zum einen Grigorij Sokolov mit seinem riskanten Spiel. Er hat im umfassendsten Sinn die beste Technik auf diesem Planeten, setzt in jedem Konzert sein Leben aufs Spiel. Er entwickelt die Stücke vom Detail ins Ganze.

Auch Alfred Brendel ist, was stetige Entwicklung und Konzentration auf das mitteleuropäische Repertoire angeht, ein Vorbild. Ich begreife bei ihm nicht im Moment, sondern in der Retrospektive, die er wie kein anderer einsetzt. Ein Kritiker hat einmal geschrieben: Sokolov und Brendel befinden sich auf gleicher Augenhöhe, schauen aber in verschiedene Richtungen. Eine elegante Formulierung. Ich möchte gern in beide Richtungen schauen, wenn auch leider nicht ganz auf Augenhöhe.

neue musikzeitung: Was sind Ihre Schwächen und Stärken?

Herbert Schuch: Was für Schwächen? (lacht) Im Ernst: Zu dieser Frage möchte ich nichts sagen, weil dann die Leute mit beeinflussten Meinungen ins Konzert gehen und eine Unvoreingenommenheit nicht mehr möglich ist. Dies ist für mich aber sehr wichtig.

neue musikzeitung: Zum Schluss: Wie beschreiben Sie Ihre Persönlichkeit, gab es Veränderungen?

Herbert Schuch: Ich war als Jugendlicher sehr von meiner Art überzeugt und habe mich nie abhängig machen wollen und mich somit geweigert, die Erfahrungen anderer direkt zu übernehmen. Die Folge war eine hohe musikalische Irrtumsquote, die mir aber im Nachhinein durchaus genützt hat. Dass mein Lehrer Karl-Heinz Kämmerling dies geduldig immerhin 14 Jahre lang ausgestanden hat, erfüllt mich immer wieder mit Bewunderung – mittlerweile umso mehr, seit ich als sein Assistent nun vor denselben Problemen stehe und mich frage, wieso es so lange braucht, um Veränderungen herbeizuführen.

Mittlerweile bin ich sehr viel selbstkritischer und gehe offener mit anderen Meinungen um, probiere sie aus und übernehme sie. Es ist ja auch faszinierend: So kann ich gleichsam in andere „hineinschlüpfen“ und einen alten Traum der Menschheit, sich aus sich selbst, aus dem Käfig der eigenen Gedankenwelt, zu befreien, verwirklichen. Ich beschreibe mich als euphorischen Skeptiker, der bei allem Schwung oft ein „Darf das so sein?“ dagegensetzt. Außerdem ist die Vielseitigkeit für mich sehr wichtig: Als Pianist bin ich gern Chamäleon und versuche, dem Clown, Philosophen und Magier in mir Nahrung zu geben.

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