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Theo Geißler und Ulrich Wüster vor dem Regal mit 70 Jahrgängen der neuen musikzeitung. In der Hand eine Collage „Musikalische Jugend“ (1954) von Jo Lindinger, langjähriger Bühnenbildner am Regensburger Stadttheater.  Foto: Andreas Kolb
Theo Geißler und Ulrich Wüster vor dem Regal mit 70 Jahrgängen der neuen musikzeitung. In der Hand eine Collage „Musikalische Jugend“ (1954) von Jo Lindinger, langjähriger Bühnenbildner am Regensburger Stadttheater. Foto: Andreas Kolb
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Das Erbe des gemeinsamen Ursprungs lebendig erhalten

Untertitel
Theo Geißler und Ulrich Wüster spüren 70 partnerschaftlichen Jahren von nmz und Jeunesses Musicales nach
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2021 erscheint die nmz in ihrem 70. Jahrgang. Vor 70 Jahren, 1951, wurde die Jeunesses Musicales Deutschland gegründet. Die nmz ist seitdem und bis heute ihr offizielles Verbandsorgan. Ein schöner Anlass, einmal darüber zu sprechen und auch emotional zu recherchieren, was beide miteinander verbindet und diese besondere Partnerschaft im Innersten ausmacht. Zu einem Gespräch trafen sich Theo Geißler, Verleger und Herausgeber der neuen musikzeitung, und der Generalsekretär der Jeunesses Musicales Deutschland, Dr. Ulrich Wüster.

Theo Geißler: Beim Aufbruch 1951 war ich offen gestanden noch nicht dabei. Bernhard Bosse, mein Verleger war eines der Gründungsmitglieder bei dem sich dann erweiternden Vorstand der Jeunesses. Er hat mir damals klar gemacht: „Die Jeunesses ist ein ganz eigenständiger Verband, der innovativ ist und der ein bisschen widerborstig ist – und deswegen ist es gut, wenn du da mitarbeitest.“

Ulrich Wüster: Da hat er nicht ganz Unrecht gehabt. Es war sein Bestreben, der Jeunesses Musicales ein Publikationsorgan zu geben, das aber auch Bosses Ideen und Zukunftsvisionen transportieren konnte.

Geißler: Damals war das Musikleben noch sehr verkrustet und sehr rückwärtsgewandt, gerade auch das Verbandsleben, und ein wirklicher Antipode zu diesen verkrusteten Strukturen war die Jeunesses. Das hatte Bernd Bosse zusammen mit Eckart Rohlfs, mit Klaus Bernbacher und Klaus Hashagen erkannt und das führte zur Gründung der Zeitschrift „Musikalische Jugend“, wie die nmz damals hieß, also auch ein Statement und ein deutliches Signal in Richtung Jeunesses Musicales.

Wüster: Aus dieser Gründungszeit stammt das erste Leitbild der Jeunesses Musicales, das sogenannte Kitzinger Manifest (siehe Faksimile auf Seite 5 dieser Ausgabe), das mit dem Satz beginnt: „Die musikalische Jugend Deutschlands bekennt sich zur Persönlichkeit, zum Menschen als dem Mittel- und Ausgangspunkt aller Musik.“ Ich kann unsere Beziehung zur neuen musikzeitung nur aus der Zeit beurteilen, aus der ich sie kannte, also ungefähr aus den 1980er-Jahren, und dann, seit ich die Jeunesses leite, ab den 2000er-Jahren. Dabei ist mir immer bewusst gewesen, dass es in eurem Ethos als Musikorgan liegt, zu klären, was das, was sich im Musikleben und insbesondere im Bereich der Neuen Musik ereignet, für eine Relevanz für die Menschen von heute hat. Auch dazu macht das Kitzinger Manifest die dezidierte Aussage, die Neue Musik zu fördern, aber auch die musikalische Bildung. Das war schon in den 50er-Jahren die Intention der Jeunesses Musicales und es ist ein Thema, das bis heute nichts an Relevanz verloren hat.
Neue Verbände, neuer Titel

Geißler: „Musikalische Bildung ist ein zentraler Bestandteil der Menschenbildung“, heißt es im Manifest. Dieser Satz, der heute gelegentlich gerne als Werbespruch verwendet wird, hat eine hohe Wertigkeit, die wir gemeinsam weitergetragen haben. Wichtig ist der innovative Aspekt, also zeitgenössische Musik, wichtig ist aber auch der pädagogische Aspekt, das Bemühen um einen gebildeten und gut ausgebildeten musikalischen Nachwuchs. Da stellt die Jeunesses bis heute ein Zentrum der Menschenbildung dar, ein Zentrum mit dem ich weiterhin gerne zusammenarbeite, auch in dem Wissen, dass meine Mitarbeiter meine Haltung teilen.

Aus Musikalische Jugend wird neue musikzeitung

Wüster: 1969 gab es eine Änderung des Zeitungstitels in neue musikzeitung.

Geißler: Das war keine Abwendung von der Jeunesses, aber wir hatten weitere Verbände mit „eingesammelt“ und so machte die Namensänderung Sinn. Zur Stärke des Blattes zähle ich, dass auch heterogen orientierte Verbände sich in diesem Blatt zusammengefunden und ausgetauscht haben.

Wüster: Bernhard Bosses Absicht war es doch von Anfang an, von der Plattform dieser Zeitung aus breit in das Musikleben hineinzuwirken.

Geißler: Diese Neuerung war übrigens mit ausgelöst vom damaligen Jeunesses-Vorsitzenden Klaus Bernbacher, der sich zu Recht zu einem der Erfinder der musikalischen Kulturpolitik gezählt hat und dann auch so agiert hat, zum Beispiel im Deutschen Musikrat als Vertreter der musikalischen Jugend. Er war immer ein Fighter für das Neue, für eine pädagogisch wertvolle, qualitätsvolle Ausbildung von der Musikschule bis zur Hochschule.

Wüster: Klaus Bernbacher hat nie ein Blatt vor den Mund genommen. Gerade dort, wo verkrustete Strukturen im Weg zu stehen schienen, hat er stets deutliche Worte gefunden, was ihn nicht immer bei allen beliebt gemacht hat.

Geißler: 1993 haben wir die nmzaus dem Bosse Verlag herausgekauft – ohne Geld zu haben, nebenbei. Der Bosse Verlag gehörte zum Bärenreiter-Verlag, und da gab es ganz einfach unterschiedliche Ansichten darüber, wie so ein Verlag aufzustellen ist. Das haben wir genutzt, um die nmz zum Zentrum von ConBrio zu machen, sozusagen zur Wurzel, um die herum sich dann unser Medien- und Verlagsgefüge entwickelt hat.

Wüster: Aus dieser Zeit der Gründung des ConBrio-Verlags stammt ja auch unsere persönliche Verbindung – vielleicht kann man an dieser Stelle mal erwähnen, dass ich fast zu diesem ConBrio-Universum dazugehört hätte. 1990 hatte ich als noch in der Promotion begriffener Musikwissenschaftler die Kühnheit, eine Bewerbung zu schreiben, als Lektor bei diesem neuen Verlag. Wir trafen uns in Regensburg und wären fast übereingekommen.

Geißler: Aber ehrlich, damals standen wir noch auf so dünnen Beinen, dass ich es als unfair empfunden hätte, jemand, der in Bonn im Westen des Landes eigentlich ganz gut verwurzelt ist, nach Regensburg zu holen, befürchtend, dass es nicht sicher ist, dass dieses Pflänzchen wirklich auch aufblüht.
Botschafterin und Katalysator

Wüster: Da habt ihr lieber jemand aus Regensburg zur Jeunesses Musicales Deutschland geschickt, in Person von Barbara Haack als Vorstandsmitglied.

Geißler: Das kam ein bisschen später und das war sicherlich eine wichtige Anbindung an die Jeunesses. Auf ihrem Weg zur Verlagsleiterin und Mitherausgeberin der nmz war sie 20 Jahre im Vorstand der Jeunesses Musicales.Wüster: Ja, von 1993 bis 2013. Seit 2004 als Vizepräsidentin hat sie die Geschicke der Jeunesses Musicales deutlich mitbestimmt, hat zum einen für unsere Professionalisierung in der Öffentlichkeitsarbeit gesorgt und zum anderen für die unmittelbare persönliche Verbandelung. Sie war der Katalysator über diese lange Zeit und ist es auch heute noch.

Geißler: Stimmt! Mich freut es, dass es so eine Freundschaft – persönlich und als Institution – geben kann. Ich kann für mich über diese lange Zeit sagen: „Da stehe ich dahinter, die Werte der Jeunesses teile ich, das befördere ich gerne, und die Menschen, die das vertreten und die das verantworten, die mag ich.“ Das ist eine, wie ich finde, einmalige Glückssituation, in meinem relativ langen Journalistenleben.

Wüster: Es ist etwas ganz Wichtiges, dass man auch auf persönlicher Ebene Werte teilt und schätzt. Aber auch auf sachlicher Ebene ist die Jeunesses der nmz immer treu geblieben. Wir haben zwar vorübergehend mal versucht, eine eigene Mitgliederzeitschrift herauszubringen, aber sie konnte sich nicht halten. Wichtig war uns immer, unsere Verbandsseite in der neuen musikzeitung zu haben, denn: Nur so erreichen wir für unsere Themen und Projekte eine Sichtbarkeit. Die Tatsache, dass die nmz auch für andere Verbände das Organ ist, stellt uns in eine Reihe mit diesen befreundeten Verbänden und verschafft diesen wie uns eine Wahrnehmung, die vor allem ein relativ kleiner Verein wie die Jeunesses Musicales braucht. Denn jeder weiß, irgendeine Hofberichterstattung kriegt man von der nmz in keinem Fall. Das schätzen wir an dir und dafür haben wir dich auch ausgezeichnet mit dem Würth-Preis der JMD 2003, wo die Ministerin Monika Griefahn die Laudatio auf dich gehalten hat.

Geißler: Dann wurde ich Ehrenmitglied.

Wüster: Das war noch ein bisschen später, zu deinem 60. Geburtstag 2007. Aus der Begründung des Würth-Preises will ich jetzt mal etwas vorlesen: „Das Erbe des gemeinsamen Ursprungs hat der gradlinige, bisweilen humorvolle, aber auch bissige und provokante, doch jederzeit unabhängig und kompetent der Sache verpflichtete und stets mit Herzblut agierende Chronist, Feuilletonist, Kritiker, Kolumnist, Chefredakteur und Herausgeber Theo Geißler dem Geist und innersten Wesen nach lebendig und wirksam erhalten.“

Geißler: Dazu kann ich nur sagen: „Stimmt.“ Das ist eine Haltung, die ich ja letzten Endes auch der Kooperation mit der Jeunesses verdanke.

Wüster: Du hattest die Idee, dass die Musikmesse nicht nur dem Kommerz huldigen sollte, sondern dass sie auch eine geeignete Plattform sein kann, um kulturpolitische, musikpolitische Themen zu transportieren und auch die entsprechenden Akteure zu exponieren. Dafür hast du, anfangs zusammen mit der GEMA, einen Gemeinschaftsstand der nmz mit den Musikverbänden ins Leben gerufen. Da waren wir natürlich von Anfang an auch mit dabei und soweit ich mich erinnere auch bis zuletzt.

Geißler: Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hatte sich das eigentlich ganz gut entwickelt. Es ist nicht leicht, sprachliche Inhalte, die wir transportieren, in dem Getöse einer Messehalle zum Klingen zu bringen.

Wüster: Auch die musikalischen hatten es schwer. Obwohl du sogar eine extra Bühne dafür hattest.

Geißler: Dann kam Corona und hat das auf diese Art und Weise beendet. Mal sehen wie das weitergeht. Überhaupt sollten wir vielleicht auch zwei, drei Sätze über die Folgen der Pandemie für die Kultur verlieren, denn ich befürchte, dass wir von einer neuen Regierung bittere Wahrheiten erfahren werden über Verschuldung und fehlende Gelder. Da muss uns was einfallen, damit man nicht – wie immer eigentlich – die Kultur als erstes beschneidet.

mu:v und die Youngster

Wüster: Da sollte man auch den leiseren Stimmen ein Podium geben. Du hast das immer getan. Bei unserer Jugendinitiative mu:v – Musik verbindet zum Beispiel – da warst du mit der erste, der sofort aufgesprungen ist, als es noch ganz am Anfang war.

Geißler: Das hat einen Riesen-Spaß gemacht und war ein wahrer Jungbrunnen. Es ist ja nicht so, dass wir dort die großen Weisheiten verbreiten konnten, sondern wir sind mit den Youngstern wirklich in die Diskussion gekommen, wir sind auch heftig kritisiert worden. Das hat uns auch geholfen, unser Blatt ein bisschen aufzufrischen. Wir haben schöne Kontakte zu jungen Menschen bekommen, die uns auch weiter begleitet haben und begleiten, einige sind auch Autorinnen und Autoren, insofern ist dieser Kontakt über die Jeunesses auch ein Stück Zukunft unseres Blattes.

Wüster: Seit dem ersten mu:v-Camp 2010 wart ihr jeweils die ganze Woche vor Ort und habt eine Handvoll junger begeisterter Menschen in das journalistische Handwerk eingeführt. Eine Camp-Zeitung entstand sowie eine mehrseitige Spiegelung des Projekts in der neuen musikzeitung mit unzähligen Fotos usw. Aus dieser Idee heraus ist auch unser neustes gemeinsames Projekts erwachsen: die nmzAkademie. Man sollte immer dazu sagen: „die nmzAkademie für engagierten Musikjournalismus“. Vielleicht ist sogar das Wort Musikjournalismus etwas, was Bosse und Geißler und der ConBrio-Verlag auch in unserer Wahrnehmungswelt installiert haben. Das gab es, glaube ich, vorher nicht.

Geißler: Das war vorher eigentlich ein Schimpfwort. So ähnlich wie „Kulturpolitik“ – war auch ein Schimpfwort.

Wüster: (lacht) Naja, dann schimpfen wir halt mit einem engagierten Musikjournalismus und unserem neuen Projekt zurück, das zu unser beider 70-jährigem Jubiläum im Oktober startet mit einer Handvoll Stipendiaten, die jetzt aber nicht mehr im mu:v-Camp-Alter sind, sondern schon auf dem beruflichen Weg Richtung Journalismus. Da wünschen wir uns und euch, neue Autor*innen für die neue musikzeitung zu bekommen, die kritisch und selbstbewusst Position beziehen für die Themen, die wichtig sind, gerade aktuell vor der Entwick-lung der Kultur und des Musiklebens nach Corona. Da brauchen wir starke Stimmen. Vor allem von den jungen Leuten.

Musikjournalismus

Geißler: Ja, selbstlos wie wir sind, denken wir dabei nicht nur an die nmz. Wir sind ein Medienhäuschen mit Internet, mit einer Film-Firma und dennoch ist uns natürlich wichtig, dass qualitätsvoller Musikjournalismus auch in anderen Medien stattfindet – leider ist es ja so, dass sehr viele Zeitungen mittlerweile ihr Feuilleton bis zur Unkenntlichkeit reduziert haben, dass die Qualität des sich journalistisch Befassens mit Musik auch in anderen Medien leider nicht unbe-dingt zugenommen hat und dass gerade jüngere Menschen oft nur noch im Internet kommunizieren, und das ist nicht immer journalistisch gut recherchierter Stoff, der darin steht. Uns ist ganz wichtig, dass es wirkungsvoll weitergeht, und eben auch Substanz und Know-how geschaffen wird für Musikberichterstattung und Musikanalyse, für Medien aller Art.

Wüster: In der neuen nmz-Akademie habt ihr das Obergeschoss mit den Jung-Profis im Journalismus, wir beziehen das Erdgeschoss mit unseren Jugendlichen und Musikstudierenden – da haben wir die Hoffnung, dass von euren Stipendiaten der eine oder die andere begeistert werden kann, auch unsere jüngeren Leute für den Umgang mit Sprache zu sensibilisieren, wenn man über Musik und über musikalische Projekte spricht, die man bei Lehrern, Eltern oder örtlichen Sponsoren durchsetzen will, vielleicht auch sogar mal verteidigen muss. Das erwarten wir von unserer Zusammenarbeit, dass wir den jungen Leuten im Grunde journalistisches Handwerk in kleinen, aber für ihre Mitwirkung elementar wichtigen Portionen anliefern können. Das wäre schon fast ein politischer Impuls, nur weil du wie immer darauf bestehst, dass die Jeunesses Musicales auch politisch sei, was wir aber so ausdrücklich gar nicht sind.

Geißler: Das stimmt natürlich nicht. (lacht). Ich erinnere mich an einen Weltkongress 1969 in Budapest, wo es im Wesentlichen darum ging, Ost-West-Kontakte zu pflegen, und das war duchaus politisch. Oder nimm das Jeunesses Musicales Weltorches­ter …

Wüster: Das gibt es leider nicht mehr. Unter Michael Jenne hatte das Weltor-chester in der Tat auch eine starke politische Aussage. Wenn man so an das Konzert mit Brittens „War Requiem“ in Ost- und Westberlin denkt. Ostberlin legte Wert darauf, dass da das erste Konzert stattfand und dann in Westberlin. Oder ein paar Jahre später die Reise durch die Splitterstaaten des ehemaligen Jugoslawien. Angesichts dieses Bürgerkriegs tourte das Weltorchester der Jeunesses Musicales durch diese Länder. Das war schon politisch.

Geißler: Politisch war auch „Brundibár“, die Kinderoper von Hans Krása, die im Grunde genommen von euch entdeckt und promotet worden ist. Und politisch war euer Einsatz auch immer für den Musikrat und auch für die Förderung oder den Erhalt der Musik in den Kommunen in Kooperation mit dem Verband deutscher Musikschulen. Wir sind an einer Stelle, an der wir mit anderen Verbänden einen Schulterschluss brauchen, um vielleicht mit Hilfe einer Kultur-staatsministerin oder eines Kulturstaatsministers oder sogar eines Extra-Ministeriums dafür zu sorgen, dass Musik und musikalische Bildung nicht weggespart werden.
Wertesystem mit Zukunft.

Wüster: Wenn man an die Gründungsjahre der Jeunesses während des Zweiten Weltkriegs in Paris und in Brüssel denkt und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg dann als internationaler Verband, dem viele Länder sofort beigetreten sind – Deutschland 1951 –, um Menschen in friedlicher Absicht wieder zueinander zu bringen, dann muss man sagen: Das ist bis heute ein basispolitischer Kern der Jeunesses Musicales, die Gemeinschaft finden von Mensch zu Mensch, in einer echten Begegnung, für die die Musik natürlich ein ideales Medium ist. Also auf dieser Ebene sind wir natürlich durch und durch politisch.

Geißler: Und auf dieser Ebene haben wir eine gemeinsame Haltung, haben wir ein gemeinsames Wertesystem, das in die Zukunft führt.

Wüster: Was uns verbindet ist auch eine gewisse Antihaltung gegen manche Strömungen, zum Beispiel gegen einen Kommerz in der Kunst.

Geißler: Unbedingt! Das ist ganz zentral und wird als Kern unserer künftigen Zusammenarbeit auch ein Argumentationsschwerpunkt sein, wenn wir darum kämpfen müssen, dass wir etwa gegen den Sport oder gegen andere spektakuläre Events nicht untergehen. Wir müssen uns bemerkbar machen mit unseren Qualitäten und Stärken.

Wüster: Wir müssen den Sport nicht als Konkurrenz betrachten, dessen Events oder dessen Tools man nachahmen muss. Nehmen wir als Beispiel das vielfach unreflektierte Wettbewerbsgeschehen im Bereich der Musik. Wenn man soweit ist, das zu reflektieren und zu sagen: „Es geht in der Musik nicht um höher, schneller, weiter als höchste artistische Fertigkeiten, sondern um das Hervorbringen dessen, was Musik eigentlich transportiert, nämlich den emotionalen Gehalt…

Geißler: Manchmal auch den intellektuellen.

Wüster: Natürlich. Musik ist eine ganzheitliche Kunst. Auch den sensualistischen Gehalt, der manchmal auch auf der Strecke bleibt, bei allem vordergründig Technischen. Da kommt man auch zu anderen Konzepten in Wettbewerben, wo man nicht gegeneinander konkurriert, sondern tatsächlich, wie das Wort „konkurrieren“ ja auch sagt, miteinander läuft, um zu herausragenden Ergebnissen zu kommen.
Es gibt solche Beispiele bei der Jeunesses, beispielsweise der Deutsche Jugendorchesterpreis, da geht es auch nicht um ein Gegeneinander, sondern um ein Miteinander, ein Fördern des Teams und des Ansporns.

Geißler: Ich durfte ab und zu mal in der Jury mit zuhören und war begeistert von der Kreativität, die ein so definierter Preis auslösen kann, wunderbar!
Position beziehen

Wüster: Ja, das ist ja unser Ansinnen, und auch euer Ansinnen als Publikationswelt sozusagen, als Medienhaus, Menschen zum eigenständigen Denken anzustoßen. Unser Thema ist, Jugendliche selbstständig zu machen in ihrem musikalischen Hobby, und ganz allgemein, fähig zu werden, eigene Positionen zu beziehen. Das gelingt, wenn man ihnen dafür Impulse gibt. Das tut auch die neue musikzeitung. Deshalb brauchen wir ein solches Medium, das Raum gibt zur Reflexion und zur tiefergehenden Beschäftigung mit unseren Themen. Das kann man nicht in einem Instagram-Post abhandeln – und dennoch: Wie man einen guten Instagram-Post macht,  könnte bei unserer nmz-Akademie auch ein wichtiges Thema sein.

Geißler: Ich wünsche mir ganz einfach, dass wir in der Sache mit einem gemeinsamen Wertesystem weiter arbeiten.

 

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