„I will survive“. Gloria Gaynor hat es damals geträllert. Das war schön. 1997 wurde eine Band namens Cake mit einer Coverversion voller Pauken und Trompeten, dicker Bässe und falscher Gitarren auch hier in Deutschland bekannt. Das fünfte Album eben dieser Amerikaner, die Rockmusik herrlich schräg mit Country-, Folk-, Hip-Hop- , und anderen Elementen vereinen, ist raus. Und obwohl sie in Deutschland bisher noch nicht den großen kommerziellen Erfolg hatten (gut, „I will survive“ war mal irgendwo irgendwann in den Single Charts, das Album „Fashion Nugget“ schaffte es 1997 auf Platz 49 und die Platte „Prolonging the Magic“ 1998 auf Platz 84, aber richtig groß ist das ja nicht), musste man schon die gute alte Blutgrätsche auspacken, um ein Interview zu ergattern. Der Ansturm der Journalisten war enorm. Was macht diese Band nur so interessant? Sänger John Mc Crea im Visier der neuen musikzeitung.
neue musikzeitung: Erzähl’ etwas von der neuen CD „Pressure Chief“
John Mc Crea: Sie hält die Tradition der früheren Cake-Platten aufrecht: wir haben sie selbst, ohne viel Einfluss von außen, produziert. Anders als früher, richteten wir uns jedoch das Studio und das ganze Equipment diesmal selbst ein, was ein Album hervorbrachte, das anders ist als die bisherigen. Eines, das von Leuten aufgenommen wurde, die zwar eigentlich nicht wissen, wie man eine Platte aufnimmt, aber sehr wohl wie man Musik arrangiert. Die Aspekte der Musik sind darum ein wenig „low-fi“, was zwar nicht intendiert war, was ich aber sehr schätze, da ich kein Fan von Überproduziertem bin.
neue musikzeitung: Auf „Pressure Chief “ gibt es einiges Ungewöhnliches. Zum Beispiel hört sich das Schlagzeug auf diversen Tracks nicht echt an, ja wie in „Waiting“ erinnert es gar an einen waschechten Hip-Hop-Beat. Es sind auch einige komische Keyboards und andere Sounds zu hören, die auf den letzten vier Cake-Alben kaum oder gar nicht vertreten waren.
John Mc Crea:Wir wollten ein wenig herumexperimentieren. Das kommt davon, dass wir keinen Tontechniker im Studio hatten, der uns sagte, wie wir etwas zu machen hatten. Das führte auch dazu, dass wir einige Regeln der Authentizität übertraten.
Außerdem haben wir ein ganzes Haus in ein Studio verwandelt. Wir mussten also nicht jeden Tag von neuem die Keyboards oder große Verstärker ins Studio schleppen wie früher. Das Equipment war permanent da und deshalb konnten wir mehr experimentieren.
neue musikzeitung: Cake Platten klingen so, als würden die Instrumente manchmal durchaus gewollt falsch gespielt.
John Mc Crea:Das ist sehr diplomatisch formuliert. Was ich die ganze Zeit zu erklären versuche, ist, dass es kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Es ist eine Geschmackssache. Auf meinen liebsten alten Blues-Aufnahmen hört man ungestimmte Gitarren und ich denke, dass sie sich wohl nicht so gut anhören würden, wenn sie perfekt gestimmt wären.
neue musikzeitung: Heißt das also, dass die Gitarren bewusst nicht richtig gestimmt sind, wenn Cake ins Studio gehen?
John Mc Crea:Nein, das sind sie natürlich größten Teils schon. Aber manchmal, wenn wir merken, da klingt etwas nicht ganz genau, müssen wir uns entscheiden, ob wir es „ausbessern“ müssen, oder ob es sich besser anhört, wie es ist. Im Moment nehmen wir zum Beispiel einen Song auf, in dem ein richtig altes Keyboard vorkommt, dessen Stimmung nicht zum Rest des Liedes passt. Nun steht die Entscheidung an, ob wir es lassen wie es ist oder nicht.
Ich glaube aber, ich werde es lassen; es gibt schon so viel Perfektion auf dieser Welt. Wir sind pragmatisch in unserer Ansicht, Dinge unperfekt zu lassen und das Hauptaugenmerk auf das zu legen, was sich für uns gut anhört, im Gegensatz zu dem, was allgemein als „richtig“ oder „falsch“ bezeichnet wird.
neue musikzeitung: Was bedeutet der Albumtitel „Pressure Chief“?
John Mc Crea:Ich bin nicht sicher. Ich glaube, es geht darum, wie sich die Dinge, kulturell momentan auf der ganzen Welt, vor allem aber in den Vereinigten Staaten anfühlen. Es gibt viel Druck, viel Autorität, und Zweifel darüber, wie die Dinge wirklich sind.
neue musikzeitung: Es geht aber in keinem der Titel der neuen Platte direkt um Politik.
John Mc Crea:Es gibt eine Art Leitfaden auf dem Album: „Du bist dein eigener schlimmster Feind“. Ich denke, dass dies in gewisser Beziehung zu dem steht, was momentan in Amerika geschieht.
neue musikzeitung: Aber was hat ein Lied wie die erste Single „No Phone“ mit dem Refrain „No Phone, no Phone I just want to be alone today“ mit dem „eigenen größten Feind“ zu tun?
John Mc Crea:Es geht um die Probleme, die das Annehmen und das gleichzeitige Abstoßen einer Sache hervorbringen. Es handelt vom Krieg mit den eigenen Imperativen. Und das ist das Leitmotiv dieses Albums, aber auch der ganzen Kultur.