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Der Blick der Radiomacherin

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Neue Musik beim Mitteldeutschen Rundfunk: Meret Forster im Gespräch
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Seit 2004 engagiert sich Meret Forster als Musikredakteurin beim MDR mit dem Ressort Neue Musik für die Komponisten und ihre Werke in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Kürzlich initiierte sie eine Sendereihe mit Komponistengesprächen und Musikbeispielen; jeweils ein Landesverband des DKV konnte sich dabei in einer zweistündigen Sendung präsentieren. Meret Forster hat Klavier, Musikwissenschaft, Neuere Deutsche Literatur und Komparatistik in München, Tübingen, Amsterdam und Berlin studiert. Sie promovierte über Ernst Krenek und Karl Kraus. Bevor sie zum MDR kam, war sie feste freie Mitarbeiterin beim Bayerischen Rundfunk in München.

neue musikzeitung: Sie sind Musik-Redakteurin mit dem Ressort Neue Musik beim Mitteldeutschen Rundfunk. Welches sind Ihre Aufgaben? Wie wird im Sender „Neue Musik“ definiert?

Meret Forster: Meine Redaktion Neue Musik stützt sich auf drei Säulen. Da gibt es die wöchentliche Sendung, Donnerstag Abend, 20 bis 22 Uhr. In dieser Sendung haben Konzertmitschnitte aus dem Sendegebiet – also Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen – Platz, ebenso Studioproduktionen. In der Sendung sind auch regelmäßig Gäste im Studio: Persönlichkeiten aus der Neuen Musik-Szene, also Komponisten, Interpreten oder auch Veranstalter. Und im Gespräch mit dem Gast werden ausgewählte Musikzuspielungen thematisiert. Dann gibt es das klassische Komponistenporträt oder auch Features zu Themen der Neuen Musik.

Die zweite Säule meiner Arbeit sind die Konzertmitschnitte – von Festivals und Veranstaltungen, die dann in der Sendung (…) präsentiert werden.

Die dritte Säule ist der Bereich Produktion von Neuer Musik. Im MDR-Studio finden auch Koproduktionen statt mit CD-Labels oder mit anderen Rundfunkanstalten, Kammermusik allerdings, weil mein Budget Grenzen setzt. Ich kann leider keine großen Orchesterwerke produzieren.

Zur Frage nach der Definition: Mir geht es darum, das, was im Sendegebiet passiert, widerzuspiegeln. Das ist ja schon eine große ästhetische Palette von komponierter Neuer Musik über Klanginstallationen bis zu Neuer Musik, die sich zwischen Filmkunst, Videokunst und komponierter Musik abspielt. Im Prinzip hat alles Platz, was aktuell produziert wird. Ich gucke nicht weiter zurück als bis etwa 1950. Aber das ist dann wirklich schon „historische“ Neue Musik und selten der Fall. Mir geht es vor allem um den Blick auf die Gegenwart.

neue musikzeitung: Findet das, was Sie im Rahmen dieser drei Säulen auswählen, alles in der Sendung am Donnerstag Abend statt oder gibt es weitere Sendeplätze?

Meret Forster: Nein, es gibt keine weiteren Sendeplätze. Es sei denn, wir haben eine Themensendung, in der wir Neue Musik platzieren können oder ein neues Werk findet sich innerhalb einer Konzertübertragung. Die Neue Musik findet sonst nur an Beitragsplätzen in den Journalen statt, wenn ich über Geschehnisse des zeitgenössischen Musiklebens berichte. Das sind dann aber keine ganzen Werke, die da abgebildet werden können.

neue musikzeitung: Kommen in Ihrer Sendung ab und zu auch kulturpolitische Themen vor? Wenn es zum Beispiel über die Gesetzesreform zum Urheberrecht geht?

Meret Forster: Das sind Themen, die immer mal wieder gestreift werden, aber nicht im Zentrum stehen. Die kommen eher in den Journalen vor. Ich lege (…) großen Wert darauf, dass die Neue Musik, ihre gesellschaftliche Bedeutung und die Diskussion darüber in den anderen Tagesstrecken thematisiert und nicht nur separat auf meinen Donnerstag geparkt wird. Gerade zum Urheberrecht habe ich einen Autor beauftragt, das in einem längeren Beitrag (…) zu reflektieren und zu diskutieren.

neue musikzeitung:  Welche Bedeutung kommt denn der Neuen Musik innerhalb des MDR zu? Welchen Stellenwert genießt sie im Sender? Müssen Sie sich da eher verteidigen oder gibt es „offene Ohren“?

Meret Forster: Innerhalb der Musikabteilung gibt es ein großes Selbstverständnis. In der ARD können wir ja ziemlich glücklich sein mit einem Sendeplatz um 20 Uhr. Das steht wirklich gleichberechtigt neben einer Opernübertragung aus der Semperoper in Dresden oder neben einem Konzertmitschnitt aus dem Gewandhaus oder einem Hörspiel. Um die Thematisierung am Tag kämpfe ich immer wieder, aber auch da finde ich offene Türen. Ich würde mir die Neue Musik noch mehr im Konzertleben wünschen – auch im Konzertleben der MDR-Klangkörper, also MDR Rundfunkchor und MDR Sinfonieorchester. Aber das ist nicht mein Einflussbereich. Es ist das A und O, die Neue Musik als ganz selbstverständlichen Teil unseres Musik- und Kulturlebens zu kommunizieren, Neugierde zu erwecken. Erst wenn man über das, was aktuell komponiert wird, spricht und die Musik zum Erklingen bringt, kann die Neue Musik aus der immer wieder angeklagten und inzwischen auch klischeebehafteten Nische herauskommen. Ich denke, dass gerade der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Kulturprogramm wie etwa MDR Figaro dazu aufgerufen ist, Neue Musik zu integrieren, zu spielen, zu kommunizieren, Kontakte und Netzwerke im Sendegebiet aufzubauen, zu nutzen, zu pflegen. Das empfinde ich auch als einen ganz wichtigen gesellschaftlichen Auftrag.

neue musikzeitung: Der Rundfunk galt ja lange Zeit als das wichtigste Medium zum Transport Neuer Musik. Andererseits fehlt dem Rundfunk ein vielleicht wichtiges Moment, nämlich das visuelle. Welche besonderen Möglichkeiten, welche Methoden hat der Rundfunk, neue – auch schwierige – Musik zu vermitteln, zu erklären?

Meret Forster: Ich denke, dass ein rein innerästhetischer Diskurs über Neue Musik nicht ausreicht. Wichtig ist das Reden über Produktionsbedingungen, über Motivation zu einzelnen Stücken, zur Klang-erzeugung, aber auch die Machart von Kompositionen oder Installationen. Die große Chance des Radios ist: Man kann das Dilemma auf sich nehmen, über Musik zu reden. Man kann sie aber auch zum Klingen bringen. Vor kurzem habe ich eine wunderbare Bemerkung von einem Hörer per E-Mail bekommen: Das Tolle am Radio sei (…), dass man sich wirklich darauf einlassen und konzentrieren könne. Das funktioniert, wenn man davon ausgeht, dass das Radio nicht nur als Begleitmedium genutzt wird, sondern auch als Medium, das einen zuhörend packen kann. Die Konzentration auf das Akustische, auf das, was eine Klangerzeugung motiviert, kann man in Radioform ohne die visuelle Komponente tatsächlich sehr gut thematisieren und widerspiegeln. Gerade mit Hilfe der technischen Neuerungen, also 5.1-, Mehrkanalausstrahlung kann man aus der Klangkunst oder aus der live-elektronischen Musik wunderbar so etwas wie Raum abbilden, vorausgesetzt natürlich, die Hörer haben zu Hause so eine wunderbare Anlage. Das ist natürlich eine Chance für die Neue Musik, die ja sehr viel mit solchen technischen Errungenschaften arbeitet.

neue musikzeitung:  Es ist kein Geheimnis, dass die Neue Musik in den öffentlich-rechtlichen Sendern zurückgeht. Das wird vielfach kritisiert und liegt wohl daran, dass Intendanten sich verändern, dass das Quotendenken eine andere Rolle spielt als früher. Das Bewusstsein für die Notwendigkeit, eine Avantgarde-Kultur zu vermitteln, nimmt ab. Würden Sie das bestätigen, ist das in allen Sendern gleich und vor allem: Wie kann man gemeinsam dagegen vorgehen?

Meret Forster: Es ist sicher von Sender zu Sender etwas unterschiedlich. Als ich 2004 herkam, konnte ich glücklicherweise auf die engagierte und gute Arbeit von Renate Richter aufbauen. Beim MDR steht die Neue Musik bisher nicht in Frage oder unter Beschuss. Meine Sendestrecke zumindest nicht, die Redaktion Neue Musik auch nicht. Auch bei solchen Sendern wie dem SWR kann man beobachten, dass die Neue Musik zu einem Vorzeigeprodukt werden kann oder geworden ist. Aber es ist zu beobachten – und das ist nicht nur zu bedauern, sondern auch anzuklagen – dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk aus einer Verantwortung zieht, indem Sendestrecken reduziert (…) oder gar Neue Musik-Redaktionen abgeschafft werden. Ich denke, ganz wichtig ist es, dass die Hörer mit Bürger- oder Hörerinitiativen dies zu ihrem Thema machen und an die Öffentlichkeit gehen. Da gibt es ja zum Beispiel beim NDR die Initiative „Das Ganze Werk“. In Berlin machen sich Komponisten, aber auch allgemein kulturinteressierte Hörer bemerkbar und wenden sich an die Rundfunkanstalten und auch an die Öffentlichkeit. Das ist ganz wichtig, denn die Rundfunkanstalten gucken durchaus darauf, was da passiert. Ganz schlimm finde ich es, wenn Neue Musik zum öffentlich-rechtlichen Alibi wird. Dass man sie eine oder eine halbe Stunde parkt und denkt, damit ist die Neue Musik bedient und das Soll erfüllt. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk wird nie auf der Zielgerade „Quote“ funktionieren und ein Kulturprogramm wird immer ein Nischenprogramm sein. Wir müssen uns da in realistischen Quotendimensionen bewegen. Quote ist nicht zuletzt auch immer etwas politisch Generiertes. Das ist besonders bedauerlich in Bezug auf die Neue Musik.

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