Seit 1979, dem Jahr der Islamischen Revolution, hat westliche Musik im Iran einen schweren Stand. Ajatollah Chomeini hatte damals Popmusik mit einem Bann belegt, und auch klassische Musik war zeitweise streng geächtet. Doch die abendländischen Klassiker haben langsam wieder Fuß gefasst in Persien, das Teheraner Sinfonieorchester spielt nach langer Unterbrechung mittlerweile wieder in Sollstärke. Und zum ersten Mal durfte in diesem Sommer auch ein westliches Orchester in jenem Land auftreten, in dem zuletzt vor über 30 Jahren Herbert von Karajan den deutschen Klang präsentiert hatte. Das Osnabrücker Symphonieorchester unter Hermann Bäumer musste dabei vertraglich zusichern, bei Beethoven, Brahms und Elgar die islamischen Regeln einzuhalten. Doch der gedämpfte Ton unterm Kopftuch war nicht das einzige Problem, mit dem die Musiker zu kämpfen hatten, stets drohte die komplette Absage. Michael Dreyer, Leiter des Osnabrücker Morgenland-Festivals und Organisator des bislang größten deutschen Kulturimports in Richtung Teheran sprach darüber im nmz-Interview.
neue musikzeitung: Ein westliches Orchester konzertiert im Iran: Ist das Experiment gescheitert oder gelungen?
Michael Dreyer: Gelungen, alles in allem. Wir haben das Konzert gespielt, auch wenn wir mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen hatten. Das ist ein Anfang, auch dem sich aufbauen lässt.
: Waren die Osnabrücker willkommene oder lediglich geduldete Gäste?
: Man muss da unterscheiden zwischen der iranischen Bevölkerung und den Ministerien. Ich glaube, dass sich die iranischen Bevölkerung sehr gefreut hat – ich bekomme das mit, weil ich viele Leute kenne hier in Teheran, die sehr begeistert sind von diesem Projekt. Auf der offiziellen Seite aber gibt es jede Menge Ängste, ob das auch alles gut geht, und die Ängste sind bedeutend stärker als die Freude darüber.
: Die Reise des Orchesters war ja dezidiert als eine musikalische und nicht als eine politische geplant. Kann denn Kulturaustausch im Iran unpolitisch sein?
: Er kann nicht gänzlich unpolitisch sein. Das einzige, das wir machen können, ist: zu probieren, den politischen Faktor so niedrig wie möglich zu halten. So haben wir auch den Bundestagmitgliedern aus dem Bundesausschuss für auswärtige Kulturpolitik, die uns begleiten wollten, eine Absage erteilt. Denn wie kann ich erwarten, dass Teheran die Politik heraushält, wenn ich Bundestagmitglieder mitbringe?
: Wo fanden Sie im Iran die größten Unterstützer für Ihr Projekt und wo die größten Widerständler?
: Mitinitiator dieses ganzes Austauschs, der ja bereits im vergangenen Jahr begonnen hat mit dem Deutschland-Besuch des Teheran Symphony Orchestra, ist auf jeden Fall dessen Dirigent Nader Mashayekhi. Gegner? Nun, es gibt ultrakonservative Kreise im Iran, die solche Projekte nicht gerne sehen.
Am Tag unseres Konzerts zum Beispiel war einer der höchsten Feiertage im Iran, der Geburtstag des zwölften Imam. Da fragte ein Teil der konservativen Presse hier, ob man ein solches Konzert denn brauche und schrieb, es sei doch das Allerletzte, dass ausgerechnet an diesem Feiertag Musik gemacht werde. Das sind jedoch sehr, sehr kleine Kreise, soweit ich das einschätzen kann. Ich war zehn Mal im Iran in den letzten Jahren und treffe dort natürlich vorwiegend Intellektuelle, Künstler, sehr aufgeschlossene Leute. Das größte Hindernis besteht jedenfalls darin, dass nie ganz geklärt ist, ob Musik erlaubt ist oder nicht. Ist Beethoven jene „westliche Musik“, die als verpönt gilt? Sie finden nur schwer jemanden von der offiziellen Seite in Teheran, der die Verantwortung für solch ein Projekt übernimmt. Für das Gastspiel des Teheraner Orchesters im letzten Jahr in Osnabrück mit Konzerten auch in der Berliner Staatsoper, eine wirklich große Sache also, gibt es nicht ein Blatt Papier, nicht den kleinsten Zettel, geschweige denn eine Unterschrift als Zusicherung, dass das klappt. Buchen Sie mal in Deutschland für 30.000 Euro Flüge oder sammeln Sie Stiftungsgelder, wenn Sie nichts in der Hand haben!
: Von Anfang an stand ja auch fest: Es soll nicht nur ein Konzert deutscher Musiker in Teheran geben, sondern auch einen Austausch mit ihren iranischen Kollegen in Form etwa von Workshops. Wie war dieser Austausch geplant und wie sah er letztlich aus?
: Im letzten Jahr gab es viel spontanes Miteinander zwischen den Teheraner und den Osnabrücker Musikern, so dass auch klar war: Wir besuchen das Teheran Symphony Orchestra, ein Besuch von Orchester zu Orchester sozusagen. Leider haben wir nun die Erfahrung machen müssen, dass die Musiker sich sehr viel unfreier bewegen als in Deutschland, dass viele offensichtlich Angst haben, mit den deutschen Kollegen in Kontakt zu kommen. Es gab leider viel weniger Kontakt, als wir das alle gerne gehabt hätten, das ist eine große Enttäuschung bei mir und beim Orchester.