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Selbstbewusste Frau in einer Männerdomäne: die Dirigentin Marie Jacquot. Foto: Oliver Binder
Selbstbewusste Frau in einer Männerdomäne: die Dirigentin Marie Jacquot. Foto: Oliver Binder
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Die Frauen trauen sich oft noch nicht

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Ein Interview mit der Dirigentin Marie Jacquot
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Das Thema „Frauen in der Musik“ steht im Mittelpunkt dieser nmz-Ausgabe (sie­he auch S. 17ff. und 25). Die Redaktion hat Musikerinnen, Intendantinnen und Musikpädagoginnen zum Thema befragt. nmz-Herausgeberin Barbara Haack unterhielt sich in diesem Zusammenhang ausführlich mit der Dirigentin Marie Jaquot, die als erste Kapellmeisterin und Stellvertreterin des GMD im Mainfrankentheater in Würzburg tätig ist.

neue musikzeitung: Wie kamen Sie zum Dirigieren?

Marie Jacquot: Mit dem Dirigieren habe ich angefangen als ich 14 war. Eigentlich habe ich Posaune gespielt, aber mein großes Vorbild war der Dirigent Roberto Gatto. Als ich erfuhr, dass er Unterricht gibt, dachte ich mir: „Warum eigentlich nicht?“ und fing bei ihm an. Dirigieren war nie mein Ziel, aber Gatto war so ein toller Mensch und ein guter Dirigent, dass mich das überzeugt hat, Dirigentin zu werden. 

nmz: Wie ging es mit Ihrer Ausbildung weiter?

Jacquot: Ich habe parallel Posaune in Paris und Dirigieren bei Roberto Gatto in Chartres studiert. Nach vier Jahren Bachelor-Studium musste ich mich zwischen den Studiengängen entscheiden. Die Wahl fiel auf das Dirigieren und ich bekam einen Platz in Wien, wo ich bis heute lebe und meinen Master gemacht habe.

nmz: Wie war das Verhältnis zwischen Männern und Frauen im Studium?

Jacquot: In meiner Klasse waren wir 40 Studierende und davon 3 Frauen.

nmz: Hatten Sie das Gefühl, dass Sie es schwerer hatten als die männlichen Studenten?

Jacquot: Nein, bei mir lief alles sehr gut. Die Lehrer haben mich immer unterstützt und ich fühlte mich wohl. Frauen wurden gleichberechtigt behandelt, das fand ich sehr fair.

nmz: Trotzdem gibt es nach wie vor sehr wenige Frauen, die sich für diesen Studiengang entscheiden. Wie erklären Sie sich das?

Jacquot: Ich habe einmal eine Frau getroffen, die auch gerne dirigieren wollte. Sie hat sich nicht getraut, weil sie dachte, Dirigieren sei ein Beruf für Männer. Ich stelle fest, dass sich die Frauen oft noch nicht trauen. Das gleiche Problem erlebe ich bei der Komposition. Unsere Vorbilder sind alle männlich, weil es nur wenige weibliche Vorbilder gibt.

nmz: Gibt es eine männliche und eine weibliche Art zu dirigieren?

Jacquot: An vielen Frauen stört mich, dass sie so süße Bewegungen machen und sich sehr viel körperlich bewegen. Dieses Zärtliche, Träumerische ist für mich eine weibliche Seite; die männliche ist etwas aggressiver und formbestimmter; das ist natürlich sehr generell gesagt. Am besten wäre eine gute Balance zwischen beiden Geschlechtern. Ich mag es nicht, wenn ein Dirigent oder eine Dirigentin eine der beiden Seiten beim Dirigat unterdrückt. Ich bemühe mich, ohne Gen­der zu dirigieren. Musik ist ja auch nicht männlich oder weiblich.

nmz: Sie selbst stehen noch am Anfang ihrer Karriere, was müsste sich aus Ihrer Sicht hinsichtlich der Motivation und Förderung ändern?

Jacquot: Ich finde, es sollte viel mehr Öffentlichkeitsarbeit für Dirigentinnen geben. Man sollte sie im Fernsehen sehen und von ihnen lesen. Innerhalb der Branche gibt es auch Prob­leme. Die älteren Musiker sollten meiner Meinung nach zum Beispiel die jüngeren besser unterstützen.

Mich stört auch, dass es meistens die Frauen sind, die mir in Orchestern das Leben schwer machen. Es herrscht viel mehr Neid untereinander. Dabei sollten wir uns lieber unterstützen und Netzwerke bilden, die es bei den männlichen Kollegen schon gibt. Das haben wir alles noch nicht.

nmz: Wie erleben Sie Ihren Karrierestart im Berufsleben? Stoßen Sie auf Skepsis oder Ablehnung als junge Frau?

Jacquot: Das kommt darauf an, mit welchen Personen ich zu tun habe. Ein Orchestermanager hat einmal gesagt: Solange ich noch lebe, wird keine Frau mein Orchester dirigieren. So etwas verstehe und akzeptiere ich nicht. Viele positive Erfahrungen habe ich in Wien gemacht.

nmz: Sie sind für Ihr Alter sehr selbstbewusst, glauben Sie, dass Frauen mehr Selbstzweifel haben als Männer?

Jacquot: Ich glaube, dass es für uns alle, die wir vor einem Publikum stehen, wichtig ist, dass wir verschiedene Gesichter zeigen können und dass wir eine Rolle verkörpern. Man muss sich schon trauen, man selbst zu sein. Aber ich zweifle jeden Tag daran und frage mich, ob ich diesen Beruf ausüben soll. Vor dem Orchester darf man sich natürlich nichts anmerken lassen. Nach meinem Empfinden haben Frauen und Männer in dieser Hinsicht die gleichen Schwierigkeiten. Carlos Kleiber zum Beispiel wollte vor der Aufführung des Rosenkavaliers nicht auf die Bühne kommen. Er sagte: Ich kenne die Partitur noch nicht, ich bin nicht vorbereitet. Es liegt weniger am Geschlecht, sondern an der Erfahrung und der Persönlichkeit, die ein Mensch hat.

nmz: Sie waren Assistentin von Kirill Petrenko. Das ist ein echter Karriereschub. Wie haben Sie zueinander gefunden?

Jacquot: Kirill Petrenko war auf der Suche, weil er junge Frauen fördern möchte, um etwas in der Landschaft zu verändern. Zu ihm kam ich über meinen Lehrer Simeon Pironkoff, der in Wien beim gleichen Professor wie Petrenko studiert hat. Die beiden trafen sich letztes Jahr auf einen Kaffee und Pironkoff hat mich als neue Assis­tentin vorgeschlagen.

Im Juni rief mich Petrenkos Sekretärin an. Ich war am Telefon nicht sehr freundlich und dachte, jemand macht einen Witz. Ein paar Tage später saß ich mit Petrenko in München und wir besprachen, wofür er mich braucht. Von Dezember bis Februar habe ich bei der „South Pole“-Produktion, einer Uraufführung von Miroslav Srnka, assistiert. Es war eine große Ehre, eine Chance und eine sehr positive Erfahrung, die ich da mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bayerischen Staatsoper machen durfte.

nmz: Die Tatsache, dass es ein stark männlich dominierter Beruf ist, war für Ihre Familie kein Problem?

Jacquot: Nein, denn meine Familie hat Vertrauen in mich und unterstützt mich. Ohne Unterstützung, besonders mental und psychisch, manchmal auch logistisch, wäre alles viel komplizierter.

nmz: Wollen Sie trotz oder neben Ihrer Karriere einmal eine Familie gründen?

Jacquot: Darüber denke ich noch nicht nach. Vermutlich liegt es mehr an der Zukunft unseres Planeten mit Problemen wie dem Klimawandel, weswegen ich daran zweifle, Kinder zu haben. Sie werden es schwer haben in Zukunft. Mit der Karriere würde sich eine Familie bestimmt vereinen lassen. Ich habe eine Freundin, die Dirigentin ist, Karriere macht und zwei Kinder hat – das sollte kein Problem sein.
nmz: Glauben Sie, dass Frauen besser sein müssen, um sich gleichwertig zu behaupten?

Jacquot: Ja, das habe ich schon be­obachtet. Ich persönlich bin nicht sehr feministisch, denn ich glaube, man ist entweder gut, oder eben nicht. Wenn eine Frau besser ist, sollte man sie nehmen. Ist der Mann besser: Warum sollte man die Frau nehmen? Natürlich frage ich mich persönlich manchmal: Warum habe ich diese Stelle nicht bekommen? Eigentlich war ich doch besser als der Andere... Manchmal ist es so, dass sie Männer nehmen obwohl die Frauen viel besser waren. Wir sollten aber nicht vergessen, dass wir über Kunst sprechen. Wir haben alle einen unterschiedlichen Geschmack und bewegen uns auf einer subjektiven Ebene.

nmz: Wie ist es mit Honoraren, Preisen und Stipendien? Erleben Sie da Unterschiede zwischen Männern und Frauen?

Jacquot: Bisher habe ich keine Unterschiede erlebt. An der Universität in Wien hat die Gleichberechtigung einen sehr starken Einfluss. Es gibt gleich viele Männer und Frauen, die Stipendien, Förderungen oder Preise bekommen.

nmz: Ist es da vielleicht sogar ein Vorteil, Frau zu sein, weil es eben nur wenige Frauen gibt?
Jacquot: Ja, das kann ich durchaus bestätigen. Vielleicht war es in Wien ein Vorteil für mich, dass ich eine Frau bin. Das stört mich aber auch ein bisschen. Ich mag die Vorstellung nicht, dass ich ein Stipendium bekomme, weil ich eine Frau bin und nicht, weil ich es verdiene. 

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