PopCamp ist eines der jüngeren Projekte der Deutschen Musikrat gGmbH und will als ein „Meisterkurs“ für Popmusik-Bands oder -Einzelmusiker vorbereiten auf einen Berufsweg im Bereich der populären Musik und des Jazz. nmz-Chefredakteur Andreas Kolb traf sich mit Udo Dahmen, Präsidiumsmitglied des Deutschen Musikrats und Ideengeber für PopCamp, zum Gespräch.
neue musikzeitung: Warum heißt der Meisterkurs für Pop „PopCamp“? Was für eine Idee steht dahinter?
Udo Dahmen: Die Idee ist ganz einfach: Pop ist in diesem Zusammenhang eine Verkürzung des Ausdrucks „populär“, was bedeutet, dass die ganze Spannbreite von moderner Musik abgedeckt wird. Das reicht von Jazz zu Hip-Hop, vom Songwriter bis zum Hardcore. Das Camp wird verstanden als „Lager“ im positivsten Sinne, wo sich Leute treffen, die ein gemeinsames Interesse haben und eine gute, produktive Zeit verleben möchten.
neue musikzeitung: Bedeutet Meisterkurs auch Elitenförderung so wie in der klassischen Musikausbildung?
Udo Dahmen : Ich sehe heutzutage keine Unterschiede mehr zwischen der populären Musik, dem Jazz und der klassischen Musik. Auch in der populären Musik spielen die Protagonisten ihr Instrument in der Regel schon viele Jahre und haben in den Bands und Ensembles, in denen sie zusammenarbeiten, versucht, eine eigene Sprache zu finden. Es werden die Stärken noch besser herausgearbeitet und die Schwächen ausgeglichen. Das Camp schafft eine Plattform, auf der sich diese Bands begegnen können, was im normalen Leben wahrscheinlich nicht stattfinden würde. Auch die Dozenten kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen. Das reicht von Frank Möbus, der aus dem Jazz kommt und ein sehr offenes künstlerisches Konzept vertritt, bis zu Michael Koschorrek, dem Gitarristen der Söhne Mannheims, und vielen anderen, die viele unterschiedliche Richtungen vertreten und neue Aspekte in die jeweiligen musikalischen Vorlieben der einzelnen Protagonisten bringen.
neue musikzeitung: PopCamp wäre ja kein Projekt des deutschen Musikrats, wenn es nur um ästhetische und stilistische Fragen ginge, sondern es ist eine Fördermaßnahme, um Leute vielleicht auch in einen entsprechenden Beruf zu führen. Wie sieht so eine Popkarriere auf dem freien Markt aus?
Udo Dahmen : Tatsächlich ist es so, dass die meisten Musiker, Komponisten, Texter und Producer Patchwork-Karrieren erleben. Das wird sich in Zukunft nicht ändern. Oft beginnen die einzelnen Spieler als Sideman oder Sidewoman in einer Band und fangen dann an, für die eigene Band zu schreiben, zu produzieren und zu arrangieren. Im nächsten Schritt spielen sie oft nicht mehr in der Band, sondern stellen das Produzieren und Komponieren in den Mittelpunkt, gründen auch kleine Studios, Verlage und Plattenfirmen. Bei manchen kommt noch ein wenig Unterrichtstätigkeit dazu. Diese Dinge bestehen alle nebeneinander mit bestimmten Schwerpunktlagen in bestimmten Lebensabschnitten. In der Förderung geht es darum, alle diese Faktoren bei den Musikern zu entwickeln. Auch in einer ersten Phase des Bekanntwerdens mit einem eigenen Projekt oder einer Band spielt das Unternehmertum, das Selbstgestalten und Vermarkten eines Projekts, eine ganz entscheidende Rolle, weil niemand da ist, der zum Beispiel die Vermarktung für die Protagonisten übernimmt. In Zukunft werden für viele Künstler die Regel-Schallplattenfirmen eher kleine Independent-Labels sein, die eine Produktion veröffentlichen, aber in aller Regel keine großen Gelder dafür ausschütten werden. Neue Plattformen wie eine eigene Website, MySpace oder YouTube müssen auch genutzt werden und leben von der Eigeninitiative der Musiker. In einer Ausbildung muss neben dem künstlerischen und dem medialen Aspekt auch die kaufmännische Seite der Vermarktung und die Kenntnis von wirtschaftlichen, steuerlichen und juristischen Zusammenhängen eine Rolle spielen.
neue musikzeitung: Welchen Stellenwert nimmt das PopCamp beim deutschen Musikrat in den letzten Jahren ein?
Udo Dahmen : Mit der Neustrukturierung des Musikrates vor drei Jahren wurde ich selbst in das Präsidium gewählt. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die populäre Musik innerhalb des Musikrats einen höheren Stellenwert bekommen sollte. Auf der einen Seite haben wir SchoolJam zusammen mit einem privaten Initiator, dem Musik-Media-Verlag, aufgebaut. Hier werden Schülerbands gefördert. Auf der anderen Seite wurden bei „Jugend musiziert“ als Pilotprojekt auf der Landesebene die poptypischen Instrumente wie E-Bass, E-Gitarre, Drumset und Keyboard eingeführt. Ob auf Bundesebene, darüber entscheidet der Projektbeirat. Drittens natürlich das PopCamp, jetzt schon im zweiten Jahr bestehend, gefördert durch den Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. Das ist eine Pyramide: „Jugend musiziert“ als breitenwirksame Initiative von der Basis bis zur Spitzenleistung, SchoolJam als Schülerband-Wettbewerb und das PopCamp als Meisterkurs. Diese drei Säulen haben wir als Entwicklung im populären Bereich auf den Weg gebracht.
neue musikzeitung: Aus einem Defizit heraus ist innerhalb von wenigen Jahren sehr viel entstanden. SchoolJam ist inzwischen durchaus eine Konkurrenz zu SchoolTours geworden.
Udo Dahmen: Durch die unterschiedlichen Konzepte stehen sie sich nicht gegenseitig im Weg. SchoolJam ist ein bundesweit organisierter Schülerband-Wettbewerb, den der Deutsche Musikrat gemeinsam mit dem Musik-Media-Verlag organisiert und der nach Semifinals in allen Bundesländern in einem großen Finale während der Frankfurter Musikmesse abschließt. SchoolTours ist eine Initiative der Deutschen Phonoakademie in den Schulen, die jeweils einwöchig auf der Basis populärer Musik verschiedene Schulklassen miteinander verbindet und die Schüler zur Eigeninitiative anregt. Insofern ergänzen sich die beiden Programme wunderbar. Bei einer der letzten SchoolTours in Berlin in der Rütlischule konnte durch den Initiator von SchoolJam, Gerald Dellmann, eine komplette Bandausstattung an die Schule gespendet werden. Beide Initiativen ergänzen sich insofern sehr gut.
neue musikzeitung: Pop-Instrumentalisten sind inzwischen in den anspruchsvollen Wettbewerb „Jugend musiziert“ aufgenommen worden.
Udo Dahmen : Ich war persönlich beim Landeswettbewerb Nordrhein-Westfalen in Köln anwesend und habe dort die Vision als weitestgehen eingelöst gefunden. Ich weiß, dass es viele Jugendliche gibt, die die Instrumente der Popmusik hervorragend spielen und sich in einem solchen Rahmen einem Wettbewerb gerne aussetzen. Ganz offensichtlich ist dieser Umstand des jungen Virtuosen auch im Popbereich bis dato von vielen Vertretern der klassischen Musik noch nicht wahrgenommen worden. Bei den Drummern, und wie mir berichtet wurde, auch bei den anderen poptypischen Instrumenten wie E-Gitarre oder auch beim DJing hat sich dies jedoch bereits im ersten Jahr des Pilotprojektes eingelöst. Ganz spannend war es bei der E-Gitarre, wo 12- bis 14-jährige Kids Solotranskriptionen von Virtuosen wie Steven Vai und Joe Satriani spielen. Auf der einen Seite zeigt dies, auf welch hohem Niveau die Jugendlichen im Popbereich heutzutage zu spielen in der Lage sind. Auf der anderen Seite kann damit den jungen Spielern jetzt endlich eine Plattform geboten werden, auf der sie auch ihre solistischen Fähigkeiten darstellen können, und kann ihnen, ihren Lehrern und den Musikschulen die Motivation gegeben werden, sich zu beteiligen.
neue musikzeitung: Fürchten Sie da Überschneidungen mit PopCamp und „Jugend musiziert“?
Udo Dahmen : Es besteht großes Einvernehmen darüber beim Musikrat, dass die Einführung der poptypischen Instrumente bei „Jugend musiziert“ eine hervorragende Ergänzung des gesam-
ten Wettbewerbsprofils darstellt. Es ist an der Zeit, Qualitäten in allen unterschiedlichen Stilbereichen zu verbinden und sich für die Zukunft in einem kreativ-künstlerischen Zusammenhang auf einem gewissen Niveau zu begegnen. Eine gegenseitige Ausgrenzung besteht in den Köpfen der Jugendlichen nicht mehr und dem müssen wir heutzutage entsprechen.
Siehe auch: www.nmzmedia.de unter „Dokumentationen“