neue musikzeitung: Frau Kloke, Sie sind Konzert-Pianistin – ist Ihnen die traditionell-klassische Musikszene zu unpolitisch?
Sina Kloke: In jeder Szene gibt es mehr und weniger politische Menschen – ich denke nicht, dass das pauschal mit einem bestimmten Musikgenre in Verbindung steht.
Wenn ich „politisch“ mit „engagiert“ gleichsetze, zählt für mich in erster Linie, was ich sichtbar „auf der Straße“ bewege. Sprich: Engagement und Solidarität sollten nie eine PR-Maßnahme, Imagepflege oder Mitläufertum sein, sondern immer eine Sache des Bewusstseins.
nmz: Die Vorbereitungen für Ihre Konzeptveranstaltung „Glow Up Cologne“ laufen auf Hochtouren, welches „Bewusstsein“ steht hinter der Benefiz-Veranstaltung und Auswahl der Spendenempfänger*innen?
Kloke: Alle drei Organisationen*, die dieses Jahr bei „Glow Up Cologne“ vorgestellt werden, leisten bedarfsorientierte Hilfe auf Augenhöhe. Vor Allem stehen nicht die Probleme, sondern konkrete Lösungen im Vordergrund. Sie alle beschäftigen sich mit dringenden Fragen unserer Zeit, was auch die hauptsächliche Motivation für das Konzept der Veranstaltung ist.
Das ist erst einmal unabhängig von Musik und Kunst: Weder der Blick „Ich will nur mal ein nettes Konzert hören“ noch „Musik als Weltretter“ funktioniert für jemanden, der beispielsweise durch eine politische Entscheidung quasi zum Scheitern gezwungen ist.
Musik hat jedoch eine enorme Kraft zu vermitteln, zu reflektieren, zu kritisieren, Emotionen zu wecken und Menschen zusammenzubringen.
Um hier doch noch einmal kurz auf unsere klassische Musikszene zurückzukommen: Es ist oft davon die Rede, den „Elfenbeinturm“ (ein Wort, das ich ohnehin nicht mag) zu verlassen, vom „Rand der Gesellschaft“ oder von „Barrierefreiheit“. Sicher im besten Sinne, aber rund wird das meines Erachtens erst, wenn ich ein Verständnis für die Anliegen der Personenkreise, auf die ich mich bei solchen Schlagworten gedanklich beziehe, entwickle. Solange ich zu diesen überhaupt keinen direkten Kontakt habe, kann das in meinen Augen nicht funktionieren.
nmz: Tatsächlich verlässt der Abend die Komfortzone des angestammten Philharmonie-Programms: Zumindest habe ich noch von keiner Veranstaltung gehört, die unter anderem (!) Jazzmusiker*innen, Tänzer*innen, ein klassisches Streichquintett und einen Gebärdenpoeten zusammenbringt. Warum gehören diese verschiedensten Künstler*innen und ihre Künste in Ihren Augen zusammen?
Kloke: Die Frage wäre eher – warum nicht?
Ich sehe das als einen individuellen Vorschlag, wie Diversität auf der Bühne aussehen kann, von der im Konzertbetrieb zunehmend mehr die Rede ist. Natürlich ist auch das kein einfach installiertes Plug-In, sondern Teil eines ganzen Prozesses.
„Diversität“ ist oft ein so unnötig umkämpfter (kulturpolitischer) Begriff: Wenn ein klassisches Konzerthaus neben seinem traditionellen Programm auch ein solches Format unterbringt, bedeutet das in meinen Augen, dass es gleichermaßen Traditionen pflegt und weltzugewandt ist. Das Eine schließt das Andere nicht aus!
Hinzukommt: Wir Künstler*innen wissen oftmals untereinander gar nicht, was die Kolleginnen und Kollegen so machen. Dabei lohnt es sich, das im Blick zu behalten: Auf dieser ganzen Reise treffe ich unfassbar viele spannende, offene Leute, für die Commitment und Kooperation groß geschrieben werden und die wissen, dass wir viel mehr erreichen können, wenn wir uns untereinander besser vernetzen.
nmz: Welche Ideen vereint „Glow Up Cologne“ noch und welche Menschen?
Kloke: „Glow Up Cologne“ wendet den Blick weg von sich ausbreitendem Egoismus und gesellschaftlicher Spaltung hin zu Integrativem, Diversem und gesellschaftlich Verbindendem.
Wir unternehmen den Versuch, verstaubte Strukturen von klischeebehafteten Benefizveranstaltungen aufzubrechen und dazu zu inspirieren, sich aktiv einzubringen. Das Format vereint sozial engagierte, kreative und künstlerisch tätige Kölnerinnen und Kölner, die diese Veranstaltung gemeinsam auf die Beine stellen, Menschen ganz unterschiedlicher Lebensrealitäten und -konzepte, Geschichten, Herkunft, Glaubensrichtungen, und möglicherweise mit sehr unterschiedlichem Musikgeschmack – sowohl auf und hinter der Bühne, als hoffentlich auch im Publikum.