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Vernetzung von Kunst und Unternehmen

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Interview mit dem Unternehmer, Mäzen und Kultursponsor Reinhold Würth
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Ehe Christo und Jean Claude den Berliner Reichstag verpackten, übten sie in Künzelsau an den Fabrikgebäuden der Würth Gruppe. Künstlern und Kunstliebhabern auf der ganzen Welt ist der Name dieser Eisenwarenfirma ein Begriff. Denn seit den sechziger Jahren ist hier Reinhold Würth, Vorsitzender des Beirats der Würth-Gruppe, als Sammler aktiv. 4.000 Exponate hat er mittlerweile zusammengetragen. Doch Würth liebt nicht nur die bildenden Künste. Seit 1991 vergibt er den „Würth-Preis der Jeunesses Musicales Deutschland“ sowie Preise für Bildhauerei und Literatur. Christoph Platen und Thomas Rietschel von der Jeunesses Musicales unterhielten sich für die nmz mit dem Unternehmer über seine Sponsoring-Philosophie. nmz: „Kultur rechnet sich nicht, aber sie zahlt sich aus!“ – das ist ein dieser Tage oft gehörtes Wort. Würden Sie als Unternehmer sich das auf die Fahnen schreiben? Reinhold Würth: Ja, das würde ich auch so sehen. Ich kann das sogar beweisen, wenn ich unsere Kunstsammlung im Unternehmen anschaue, in die wir einen zweistelligen Millionenbetrag investiert haben. Der kameralistisch engstirnige Buchhaltertyp würde hier sagen: Wenn ihr das Geld nehmt und in Anlagen investiert, dann hat man einen viel höheren return on investment. Ich kehre das einfach um: Wir haben heute – gemessen an der Bilanzsumme – 40 Prozent Eigenkapital stehen und sind in den letzten Jahren besser vorangekommen als der Durchschnitt der deutschen Wirtschaft. Also, geschadet hat die Kunst sicher nicht! nmz: „Gunst mit Kunst“ – so charakterisierte kürzlich ein Wirtschaftsmagazin Ihre Firmenphilosophie. Welche Akzente setzen Sie im Rahmen Ihrer Kulturförderung? Würth: Das ist sehr vielschichtig, ich kann Ihnen da nur einige Beispiele geben. Bei den Schwetzinger Festspielen kaufen wir immer eine Vorstellung und laden Kunden zu einem Empfang ins Schloß. Die Füssli-Ausstellung in der Staatsgalerie in Stuttgart oder die Schau mit holländischen Exponaten aus Den Haag in Baden-Baden wären ohne unser Sponsoring nicht möglich gewesen. Wir haben die Birgit Keil-Stiftung bei der Durchführung der Gala im Ludwigsburger Festspielhaus unterstützt, und so fördern wir viele Aktivitäten dort, wo wir gefordert sind. Dabei werden wir mit Anfragen derart eingedeckt, daß wir nur selektiv das eine oder andere tun können. Den Schwerpunkt legen wir auf Baden-Württemberg, um vor allem in unserer eigenen Region tätig zu sein. nmz: Wie fällen Sie denn die Entscheidungen für Ihre Förderung – geht das ganz nach persönlichem Gusto? Würth: Wissen Sie, ich fühle mich nicht als Mäzen im klassischen Sinn. Nur ein ganz kleiner Teil meiner Aktivitäten ist mäzenatisch. Wenn ich etwa einem jungen Künstler irgendwelche Werke abkaufe, die mir gefallen und die einen gewissen Tiefgang zeigen, dann finde ich das mäzenatisch, weil ich damit dem jungen Menschen helfe. nmz: Aber das Engagement für Kunst und Kultur hängt doch ganz stark mit Ihrer Person zusammen. Andere Unternehmen hätten ähnliche Mittel zur Verfügung, fördern aber keineswegs so intensiv. Würth: Ich habe die Kunst als Kontrapunkt zum beruflichen Tun immer sehr geschätzt. Auf der einen Seite sind Sie im Beruf gefordert, mit Präzision zu arbeiten, mit Perfektion und Pflichterfüllung und Geradlinigkeit. Und wenn ich andererseits Gelegenheit hatte, mit bildenden Künstlern oder mit Musikern zusammenzukommen, dann waren es immer die schönsten Stunden im Leben, das war dann eben luftig, leicht und fröhlich. Die Begegnungen mit Robert Jacobsen zum Beispiel, der ja auch den Würth-Vorplatz mit den fünf Plastiken gestaltet hat, waren immer wunderbare, bereichernde Erlebnisse. Und die Musik ist für mich ein noch tieferer und bereichernder Teil der schönen Künste: klassische Musik ist ein ganz integraler Bestandteil des Lebens. Wenn ich auch selber kein Instrument mehr spiele, habe ich doch früher einmal Geige gelernt. Zu Weihnachten spielen wir auch heute noch ein bißchen – aber das ist sehr dilettantisch. nmz: Die Hauptkunden Ihres Unternehmens sind Handwerker aus der Holz- oder Metallverarbeitung. Da müßte man doch eher Sponsoraktivitäten im Bereich Volksmusik oder Sport vermuten? Würth: Täuschen Sie sich da nicht. Ich stelle immer wieder fest, daß gerade Handwerker viel Sinn für Ästhetik haben – schon aus dem beruflichen Tun heraus. Natürlich gibt es welche, die sich fast darüber ärgern, daß wir soviel tun, die sagen, das muß ich ja alles im Preis mitbezahlen. Aber andere kommen mit ihren Innungs- oder Jahresausflügen von weither angefahren und freuen sich riesig, wenn sie hier die Ausstellung sehen oder wenn da ein Kammerkonzert stattfindet, zu dem sie eingeladen werden. Auf jeden Fall überwiegen die positiven, wohlwollenden Kommentare bei weitem. nmz: Steht hinter Ihrem Engagement womöglich auch eine Art paternalistisches Pflichtgefühl? Die Verantwortung etwa, als Inhaber eines riesigen Unternehmens auch den Angestellten die Augen für Kunst und Kultur öffnen zu wollen? Würth: Ich fühle mich dem Artikel 14 des Grundgesetzes, der Sozialverpflichtung des Eigentums, schon verbunden. Was die Mitarbeiter betrifft, so muß man natürlich wissen, daß der Betrieb ein Spiegelbild der Öffentlichkeit ist. Da gibt es – bis in die oberen Managementetagen hinein – Leute, die haben mit Kunst überhaupt nichts am Hut. Sie finden Kunstverständnis ganz oben und ganz unten. Es gibt Leute, die sagen: Das ist alles Mist und Quatsch, was die machen mit ihrer Kunst und dem Zeug, die sollen uns lieber 200 Mark mehr Gehalt geben. Andere wieder erwarten eine Vernissage mit Spannung. Mir liegt es völlig fern, da erzieherisch oder gar ersatzreligiös tätig zu werden. Es ist ein Angebot an die Mitarbeiter, die Museumsaktivitäten oder die Konzertveranstaltungen zu erleben. Sie bekommen die Karten verbilligt – mit 40 Prozent Rabatt auf den Eintrittspreis. nmz: Es geht Ihnen also in erster Linie um die Identifikation mit dem Unternehmen? Würth: Das ist ja der Hauptgrund für diese Aktivitäten hier. Ich habe seit 35 Jahren Kunst zusammengetragen, und inzwischen hat die Sammlung über 4.000 Exponate. Und wenn ein Unternehmen so dynamisch wächst wie das unsere, dann ist das irgendwie suspekt, dann wollen die Leute wissen, was hinter den Mauern eines solchen Betriebes passiert. Ich habe daraufhin die Idee entwickelt, meine Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und gleichzeitig allen Außenstehenden die Möglichkeit zu geben, zu jeder Zeit in dieses Unternehmen hineinzuspazieren und sich umzusehen. Das Ergebnis war das 1991 eröffnete, in unser Verwaltungsgebäude integrierte Museum Würth. Ein aktives, Museum in einem aktiven, arbeitenden Verwaltungsgebäude – das gibt es nirgendwo sonst auf der Welt. Und ich glaube, daß diese Kombination unglaublich reizvoll und spannend ist. Denn ich beobachte, wie die Mitarbeiter am Wochenende mit Freunden und Bekannten herkommen, und der Besuch dann die schöne Ausstellung und das schöne Gebäude sieht und sagt: „Was – da arbeitest du?“ nmz: Das Ambiente ist in der Tat außergewöhnlich für den Firmensitz eines Schraubengrossisten. Hat die auch in der Architektur spürbare Phantasie einen konkreten Bezug zur Unternehmenskultur? Würth: Ich glaube schon, daß das Klima eines Unternehmens und die Zusammenarbeit der Menschen dort sehr stark von solchen kulturellen Aktivitäten geprägt ist – das werden sie sicher bei der Jeunesses Musicales genauso bestätigen können. Weikersheim wäre nicht Weikersheim, wenn die JMD nicht dort wäre. Das ist einfach ein abstraktes soziokulturelles Phänomen, das Sie erst am Ende an den Auswirkungen wahrnehmen können. Und so sehe ich das hier auch: Es gibt schon eine gewisse Weltoffenheit, wenn Künstler aus aller Welt hierherkommen. Wir hatten Dennis Russell Davies hier und Philip Glass. Christo und Jeanne-Claude waren da, als wir das Gebäude verhüllt haben. Oder Alfred Hrdlicka kommt aus Wien und hält einen Vortrag. Dieser breite Horizont, der geographisch wie geistig weit über den hiesigen Raum hinausreicht, das ist für uns als weltweit tätiges Unternehmen ein ganz wichtiger Aspekt. Wir hatten umgekehrt vor kurzem einen Teil unserer Sammlung auf Fernostreise in Seoul, Hongkong, Taipeh und Südtaiwan. Über eine Million Menschen haben diese Ausstellung gesehen, und unsere Betriebe vor Ort profitieren natürlich davon. In Taiwan war ich selbst bei der Vernissage dabei, das war ein riesiges Spektakel. Würth-Taiwan hat seinen Bekannheitsgrad verzwanzigfacht. Und das ist eben das Sponsoring von dem ich spreche: Die Vernetzung mit der Kunst soll dem Unternehmen am Ende durchaus Profit bringen – und den Menschen noch zusätzlich Freude machen. nmz: A propos Freude und Profit: Welche gesellschaftliche Rolle spielen Kunst und Kultur in Ihren Augen heute – brauchen wir sie überhaupt? Würth: Ich werde oft gefragt, was machen Sie eigentlich, wenn es dem Unternehmen mal nicht so gut geht? Ich habe natürlich als Eigentümerunternehmer ganz andere Möglichkeiten als der Vorsitzende einer Aktiengesellschaft. Der hat seine Hauptversammlung, und da sind heutzutage die Hauptaktionäre ganz schnell dabei, Krach zu schlagen und zu sagen: Was gebt ihr so viel Geld für Kunstaktivitäten aus, gebt uns lieber mehr Dividende! Ich dagegen bin in diesem Sinne niemandem verantwortlich und habe meine Freiheiten. Wenn es dem Unternehmen nicht so gut geht, wird natürlich an der Kunst mit zuerst gespart werden. Wenn die Kassen nichts hergeben, dann muß man dort sparen, wo es am wenigsten „kostet“. Wenn Sie Hunger leiden, ziehen Sie ein gutes Wurstbrot einem Schumann-Klavierkonzert vor. Wobei es auf lange Sicht natürlich auch den umgekehrten Fall gibt: Ich erinnere mich noch sehr gut, als einmal während des Zweiten Weltkrieges, als das Theater ausgebombt war, in der Ruine ein Sinfoniekonzert gespielt wurde. Da läuft es mir noch heute eiskalt den Rücken hinunter. Den Hunger zu stillen, das vergißt man schneller als so ein Erlebnis. Aber bevor Sie sterben, schauen Sie eben eher nach dem Wurstbrot als nach einem Sinfoniekonzert. Visionär im Chefsessel Der Unternehmer Reinhold Würth Reinhold Würth, geboren 1935, trat im Alter von 14 Jahren als zweiter Mitarbeiter und erster Lehrling in die väterliche Schraubengroßhandlung in Künzelsau ein und schloß 1952 die Ausbildung zum Großhandelskaufmann ab. Nach dem Tod des Vaters 1954 übernahm Würth als Neunzehnjähriger die Geschäftsleitung und konnte sein erstes Geschäftsjahr mit einer Umsatzsteigerung von 20 Prozent abschließen. Die Gunst des Aufbaubooms nach dem Zweiten Weltkrieg nutzend expandierte das Unternehmen zunächst innerhalb der Bundesrepublik; 1962 wurde die erste Auslandsgesellschaft in den Niederlanden gegründet. Heute ist Würth in 71 Ländern mit 181 selbständigen Gesellschaften vertreten. Reinhold Würth hat sich während seiner beruflichen Laufbahn intensiv mit psychologischen Themen und Fragen der Berufsethik in einer sich wandelnden Gesellschaft auseinandergesetzt und sich auch im kulturellen Bereich vielfältig engagiert. Neben dem „Würth-Literaturpreis", dem „Preis für Europäische Literatur" und dem „Robert-Jacobsen-Preis" im Bereich der bildenden Kunst verleiht die Stiftung Würth jährlich den „Würth-Preis der Jeunesses Musicales" an herausragende junge Ensembles und bedeutende Persönlichkeiten des Musiklebens, wie Dennis Russell Davis (1991), das Münchner Arcis Quintett (1992), Philip Glass (1993) oder die Junge Deutsche Philharmonie Frankfurt (1997). Würth wurde unter anderem mit dem Verdienstkreuz der Bundesrepublik und der Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet und ist Ehrensenator der Universität Tübingen. Seit den 60er Jahren sammelt er Kunst und hat inzwischen eine Sammlung mit 4.000 Exponaten zusammengetragen, die er im Jahre 1991 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Das Museum Würth in Künzelsau-Gaisbach präsentiert pro Jahr drei wechselnde Ausstellungen, die an sieben Tagen der Woche kostenlos besucht werden können.

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