Seit 2006 wählt die Internationale Gesellschaft für Neue Musik (IGNM) aus den Vorschlägen der Ländersektionen ein „Ensemble in Residence“ aus. Im vergangenen Jahr erhielt das 1997 gegründete niederländische Ensemble „Insomnio“ diesen Ehrentitel und vertrat die Gesellschaft damit auf verschiedenen internationalen Festivals und natürlich bei den Weltmusiktagen in Hongkong. Mit Ulrich Pöhl, dem aus Bielefeld stammenden künstlerischen Leiter von „Insomnio“, sprach Juan Martin Koch.
neue musikzeitung: Vom finnischen Viitasaari nach Hongkong. War das ein Kulturschock oder gleichen sich die Festivals mittlerweile überall?
Ulrich Pöhl: Hongkong war schon speziell, sehr chinesisch orientiert. An den 24 Konzerten waren nur drei westliche Gruppen beteiligt, und gerade die Konzerte mit chinesischen Instrumenten waren wunderbar. Wir selbst haben zwei Auftragswerke des Festivals gespielt, von Richard Tsang und Clarence Mak, zwei eher westlich orientierten Komponisten.
neue musikzeitung: Was bedeutet der Titel der IGNM und was war 2007 Ihre Aufgabe in dieser Funktion?
Ulrich Pöhl: Einerseits sollten wir die IGNM repräsentieren, die ja oft nur als Organisationsbüro wahrgenommen wird. Das heißt, dass wir auf acht oder neun internationalen Festivals und bei unseren Konzerten in Holland die von der IGNM ausgewählten Werke vorgestellt haben. Diese Zusammenarbeit hat gut geklappt und die Festivals haben den IGNM-Werken einen großen Platz eingeräumt. Eine zweite Aufgabe war es, holländische Kompositionen aufzuführen. Es ging darum, möglichst viel Programm von einem Ort zum anderen zu nehmen, was natürlich finanzielle Vorteile hat, aber auch der Qualität zugute kommt. Es war gut für uns und für die Komponisten, von denen wir manche neunmal gespielt haben; in Holland sind sonst zwei oder drei Aufführungen die Regel. In Hongkong haben wir dann zwei Konzerte mit drei Schwerpunkten gegeben: den IGNM- Stücken, den holländischen Werken, die wir selbst in Auftrag gegeben haben, und jenen, die das Festival selbst bestimmt hat, darunter die beiden chinesischen.
neue musikzeitung: Was hat Ihnen der Titel im Rückblick gebracht, denn Geld gab es von der IGNM ja wahrscheinlich nicht?
Ulrich Pöhl: Nein, auch die Weltmusiktage werden ja von dem organisierenden Land getragen. Aber es hat sich eine Menge für uns ergeben. Wenn man im Namen der IGNM anruft, hat man schon mehr Möglichkeiten. Wir haben Einladungen bis 2010, beinahe alle Festivals, bei denen wir in diesem Jahr gespielt haben, werden wir erneut besuchen. Wir haben Pläne für Kanada, werden mit dem Deutschlandfunk zusammenarbeiten … Auch in Holland hat sich viel für uns getan, wo die Konkurrenz sehr groß ist – wir haben an die 20 Ensembles für Neue Musik. Als relativ junge Formation hat man es da nicht leicht. Und den Titel, den in diesem Jahr das Ensemble Cantus aus Kroatien erhält, behalten wir und werden auch weiter mit der IGNM zusammenarbeiten.
neue musikzeitung: Wie schätzen Sie die Situation der Ensembleszene in den Niederlanden ein, auch im Vergleich zu Deutschland?
Ulrich Pöhl: Es gibt in Deutschland viel mehr Geld für Kultur als in Holland, dem höheren Stellenwert entsprechend, der ihr beigemessen wird. Aber während in Deutschland die meisten Mittel institutionalisiert sind, wird in Holland von dem Vorhandenen deutlich mehr über Projektmittel und für kleinere Initiativen zur Verfügung gestellt. Dann gibt es aber auch auf vier bis fünf Jahre festgelegte Subventionen. Die Höhe richtet sich dann danach, wie das Ensemble eingestuft wird. Darüber hinaus unterstützt der „Fonds für die Schöpferische Tonkunst“ einzelne Komponisten und Auftragswerke. Sehr wenig Geld steht dafür zur Verfügung, ausländische Komponisten zu beauftragen. Zukünftig wird sich das System aber ändern, weil die Fonds der verschiedenen Kunstsparten zusammengefasst werden.
neue musikzeitung: Und wie steht es mit der Verankerung der zeitgenössischen Musik im holländischen Konzertleben?
Ulrich Pöhl: Immer wieder wird der Ruf laut, dass die Orchester mehr holländische Musik propagieren sollen. Die Neue Musik wird nicht so ernst genommen wie in Deutschland. Aber durch die vielen konkurrierenden Gruppen passiert doch eine Menge, auch wenn man bedenkt, dass Holland kleiner ist als Nordrhein-Westfalen. Es ist wie ein Schnellkochtopf. Alle mussten in den vergangenen Jahren enorm an Qualität zulegen, viele spezialisieren sich auf eine Stilrichtung hin, aber das ist nicht unser Weg. Wir wollen uns die Vielfalt bewahren. Und das war wohl auch der Grund, warum die IGNM uns ausgewählt hat.