Letztes Jahr feierte die GVL ihr 50-jähriges Bestehen. Gegründet von der Deutschen Orchestervereinigung und dem Verband der Tonträgerhersteller, nimmt die GVL bestimmte Rechte ausübender Künstler, Tonträgerhersteller und Veranstalter wahr. Welche genau und in welchem Umfang, beantworten die beiden Geschäftsführer Tilo Gerlach und Guido Evers im Gespräch mit der neuen musikzeitung.
neue musikzeitung: „Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten“: Was sind Leistungsschutzrechte und wen betreuen Sie?
Tilo Gerlach: Der Begriff „Leistungsschutzrecht“ ist kein fest gefügter Terminus. Es handelt sich um Rechte, die ähnlich wie Urheberrechte ausgestaltet und auch im Urheberrechtsgesetz geregelt sind. Die GVL nimmt in diesem Bereich die Rechte der ausübenden Künstler, der Tonträgerhersteller und auch der Veranstalter wahr – wobei der Umfang dieser Rechte deutlich geringer ist als die Rechte, die die GEMA lizenziert. Das ist sicherlich auch einer der Gründe, warum die GVL nicht so bekannt ist. In der kommerziellen Musikverwertung beziehungsweise beim Verkauf einzelner Titel spielen wir keine Rolle. Wir nehmen keine mechanischen Rechte und keine Onlinerechte wahr. Die wichtigste Vergütungsart ist für unsere Wahrnehmungsberechtigten die Tonträgersendevergütung. Wenn ein Musiktitel eines bereits erschienenen Tonträgers gesendet wird, dann muss der Sender eine so genannte „angemessene Vergütung“ an die Künstler zahlen. An diesem Anspruch ist auch der Tonträgerhersteller zu beteiligen. Ähnlich wichtig wie der Bereich „Sendung“ ist der Bereich „öffentliche Wiedergabe“, das so genannte „Kneipenrecht“. Immer, wenn erschienene Tonträger oder auch Radio- und Fernsehsendungen öffentlich laufen – das Radio im Friseursalon zum Beispiel –, dann kassiert die GVL. Das merkt nur keiner, weil die GEMA das Inkassomandat hat und für die GVL mitkassiert. Die dritte wichtige Vergütungsquelle ist die Privatkopie, also die „Leermedien- und Geräteabgabe“ im Rahmen derer die nach deutschem Recht zulässige, private Vervielfältigung durch eine Abgabe auf die verkauften Leermedien kompensiert wird. Vielfach wird die GVL als Vertretung der Musiker gesehen. Wir nehmen aber die Rechte aller ausübenden Künstler wahr, zum Beispiel auch sämtlicher Schauspieler. Da geht es allerdings nicht um Senderechte – Filme werden individuell und nicht von Verwertungsgesellschaften lizenziert –, sondern um die private Vervielfältigung und auch um die öffentliche Wiedergabe und Vermietung.
Guido Evers: Wir sind in Deutschland die Einzigen, die diese Rechte wahrnehmen. Deshalb vereinigen wir alle Künstler bei uns. Wir haben etwa 130.000 Künstler unter Vertrag und auf der anderen Seite etwa 8.000 Tonträgerhersteller. Das ist eine ganz stolze Zahl. In der Wahrnehmung ihrer Vergütungsansprüche vertreten wir zu 50 Prozent Künstler und zu 50 Prozent Tonträgerhersteller.
nmz: Was bedeutet denn eigentlich „ausübender Künstler“? Da gibt es ja neben Musikern und Schauspielern auch noch andere. Wie definieren Sie die Grenze zu dem, der nicht als „ausübender Künstler“ bezeichnet wird?
Gerlach: Dazu gibt es diverse Rechtsfragen und es gab durchaus Fälle, in denen wir das gerichtlich prüfen lassen mussten. Bei Hans Rosenthal zum Beispiel: Er war der Auffassung, als Quizmaster von „Dalli Dalli“ sei er ausübender Künstler. Letztlich lehnt sich der Begriff des ausübenden Künstlers zunächst einmal an das Werk an. Er gilt als Werkmittler, also brauchen Sie erst einmal ein urheberrechtliches Werk, das künstlerisch interpretiert wird. Dann brauchen Sie denjenigen, der ein Werk künstlerisch darbietet. Dann beginnen die Abgrenzungsprobleme. Die Aufnahme selbst zählt nach höchst richterlicher Rechtsprechung nicht als Darbietung. Tonmeister gelten daher in der Regel nicht als ausübende Künstler. Etwas anderes ist es, wenn sie mit elektronischen Instrumenten dazu spielen. Da sind sie wiederum für den Zuhörer als ausübender Künstler hörbar. Die Frage lautet außerdem: Was ist das Künstlerische? Da gibt es sehr weiche Kriterien, die die Rechtssprechung entwickelt hat. Bei „Dalli Dalli“ übrigens wurde das Künstlerische darin gesehen, dass Hans Rosenthal damals auch launige Gedichte sprach.
Evers: Wir haben auch noch ein anderes Abgrenzungsphänomen. Es gibt Künstler, bei denen die Leistung als Künstler und als Hersteller zusammenfallen, zum Beispiel bei Künstlern mit eigenem Label. Es gibt in diesem Bereich vielfältige Beispiele, die die heutigen neuen Technologien, die immer handhabbarer und günstiger werden, ermöglichen.
Gerlach: Es gibt ja auch den Fall, dass der ausübende Künstler gleichzeitig Urheber ist, der das eigene Werk interpretiert. Für den Tonträgerhersteller wiederum ist das Leistungsschutzrecht ein unternehmerisches Schutzrecht. Das ist etwas anderes als das künstlerische Leistungsschutzrecht. Es gibt den Leistungsschutz also in sehr unterschiedlichen Ausprägungen.
nmz: Die GVL ist eine GmbH, die zwei gleichwertige Gesellschafter hat: die DOV und den Bundesverband Musikindustrie. Gibt es da immer Einigkeit über Ausschüttungen und Tarife, oder gibt es auch Konfliktfelder?
Evers: Unsere Struktur ist relativ schlicht. Wir haben zwei Geschäftsführer, zwei Gesellschafter und dieses Verhältnis zieht sich in unterschiedlichen Ausprägungen durch das ganze Haus. Gleichwohl ist es so, dass wir überwiegend gemeinsame Interessen verfolgen. Wir sammeln das Geld für die Nutzung von geschützten Leistungen, an denen Vergütungsansprüche bestehen, ein und schütten es zuverlässig und effizient an unsere Berechtigten aus. In Teilbereichen gibt es natürlich auch mal divergierende Interessenlagen. Wenn wir allein nicht in der Lage sind, die unterschiedlichen Interessen aufzulösen, kommt unsere Aufsichtsbehörde ins Spiel, die dann eingeschaltet wird, um eine sachgerechte Lösung herzustellen.
Gerlach: Wir beschränken unsere Arbeit natürlich auch auf die gemeinsamen Interessen. Ausübende Künstler und Tonträgerhersteller haben, wenn es um Fragen der Beteiligung an CD-Erlösen geht, jenseits der GVL durchaus unterschiedliche Interessen. Zu Fragen, die das vertragliche Verhältnis zwischen ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern betreffen, werden Sie von der GVL keine Position hören. Zu den GVL-Themen gehören zum Beispiel die Verteilungspläne. Das ist ein Bereich, der fünfzig Jahre lang konsensual gelaufen ist und erst seit einem Jahr gewisse Friktionen aufweist. Insofern kann man sagen, dass das Modell grundsätzlich funktioniert. (Siehe dazu den Artikel im Magazin-Teil der nmz.)
nmz: Sie haben im Gegensatz zur GEMA, die ein Verein ist, keine Mitglieder, sondern nur Wahrnehmungsberechtigte. In welcher Form werden diese in der GmbH-Struktur angemessen vertreten?
Evers: Wir haben einen Beirat, der letztendlich unsere Verteilungsstrukturen beschließt. Zur Hälfte wird dieser Beirat durch die Berechtigtenversammlung gewählt. Die andere Hälfte wird von den Gesellschaftern berufen. Seine Besetzung ist allerdings nicht paritätisch und weicht damit von der Gesellschafterstruktur ab.
Gerlach: Wir versuchen dabei darauf zu achten, dass der Beirat einen Querschnitt der unterschiedlichen Berechtigten abbildet, insofern gibt es auch Vertreter der unterschiedlichen Gruppen. Das reicht von den Gesangs- und Tanzsolisten über Ballettgruppenvertreter bis zu den Dirigenten. Schauspielervertreter gibt es natürlich auch. Auf der Herstellerseite ist das angesichts der wirtschaftlichen Struktur der Majors naturgemäß etwas einfacher. Neben den Majors gibt es den VUT, dessen Mitglieder natürlich auch vertreten sind. Im Ergebnis funktioniert die GVL genau wie die Verwertungsgesellschaften, die als Verein organisiert sind. Die GmbH-Struktur ist letztlich historisch bedingt, weil bei der Gründung vor fünfzig Jahren diese beiden Verbände die Initiative ergreifen und sich auch deshalb zusammentun wollten, um sich gegenüber der GEMA behaupten zu können. Die damals neu geschaffenen Leistungsschutzrechte sind bei den Urhebern nicht unbedingt auf offene Ohren gestoßen.
nmz: Wie hoch ist der Jahresumsatz der GVL?
Gerlach: Der Jahresumsatz lag im Jahr 2008 bei 155 Millionen Euro. Die Zahlen aus 2009 stehen noch nicht zur Verfügung.
nmz: Da bleibt ja nicht viel übrig für den Einzelnen. Bei der GEMA sind es 800 Millionen Euro, die auf 60.000 Berechtigte verteilt werden und bei Ihnen sind es 155 Millionen, verteilt auf 130.000.
Gerlach: Es ist sogar noch weniger. Die Zahl 130.000 bezieht sich auf die direkten Wahrnehmungsberechtigten, die mit der GVL einen Vertrag abgeschlossen haben. Dazu haben wir noch die Wahrnehmungsberechtigten, die über Gegenseitigkeitsverträge mit Schwesterngesellschaften vergütet werden. Aber man muss auch sehen, dass wir nur ganz bestimmte Rechte wahrnehmen. Wenn man sich anschaut, was der einzelne Künstler zusätzlich zu den von den Herstellern lizenzierten Rechten erhält, dann ist das durchaus eine attraktive Größenordnung.
nmz: Inwieweit können Sie selbstständig arbeiten und inwieweit sind Sie von anderen Verwertungsgesellschaften wie der GEMA abhängig?
Evers: Wir können natürlich nicht einfach einen bestimmten Preis fordern oder festlegen. Die Verhandlungsvorgänge funktionieren sehr komplex. Die Geräteindustrien oder die Sendeanstalten auf der anderen Seite bündeln ja auch ihre Interessen. Wir haben unsere Themen oft im Gleichlauf mit der GEMA zu bewältigen, das wird von unseren Verhandlungspartnern zumindest so wahrgenommen – wobei die GVL natürlich eigene Interessen verfolgt.
Gerlach: Wir würden gegen das Wahrnehmungsgesetz verstoßen, wenn wir uns Strukturen anvertrauten, über die wir keine Kontrolle mehr haben, oder wenn wir uns auf das verließen, was andere für uns verhandeln. Es gibt gemeinsame Verhandlungen, zum Beispiel bei der Zentralstelle Privater Überspielung (ZPÜ), deren Geschäftsführung die GEMA innehat. Bei der ZPÜ werden die gesamten Vervielfältigungsabgaben verhandelt. Die GEMA ist dort für das operative Geschäft verantwortlich, allerdings gestützt auf die Beschlüsse sämtlicher Gesellschafter. Für den Bereich der öffentlichen Wiedergabe übernimmt die GEMA wie gesagt das Inkasso. Dies hat aber mit der eigentlichen Tarifgestaltung nichts zu tun. Wir haben einen Inkassovertrag, der die Tarifautonomie voll und ganz garantiert.
nmz: Haben Sie ein Alleinvertretungsanrecht für Deutschland oder könnte man eine eigene Konkurrenz-GVL aufbauen?
Gerlach: Wir unterliegen dem Urheberrechtswahrnehmungsgesetz und dieses sieht kein gesetzliches Monopol vor. Grundsätzlich wären konkurrierende Verwertungsgesellschaften denkbar. Wie weit diese wirtschaftlich tragfähig wären, ist eine andere Frage.
Interview: Barbara Haack, Martin Hufner
Zur aktuellen Problematik der GVL, die zu einer Rückstellungssumme von 24 Millionen Euro geführt hat, lesen Sie weiter auf Seite 7 im Magazin der neuen musikzeitung.