Er zählt zu den erfolgreichsten Solisten unter den Schlagwerkern. Nun hängt er seine Konzert-Karriere an den Nagel. Das hat nicht nur mit den Strapazen des Musikerlebens zu tun.
Wien - Der österreichische Perkussionist Martin Grubinger hat wieder einmal einen langen Tag hinter sich. Der erfolgreiche Musiker ist um vier Uhr früh aufgebrochen, in die französische Hauptstadt geflogen und hat dort einen Tag lang mit dem Orchestre de Paris geprobt. Um 22 Uhr findet er Zeit für ein Video-Interview. Grubinger wurde im Mai 40 Jahre alt und gilt als einer der wichtigsten Solo-Schlagwerker, der dazu beigetragen hat, seine Instrumente von der letzten Reihe der Orchester ins Rampenlicht der Klassik-Welt zu holen. Nun spielt der Multi-Instrumentalist seine letzten Konzerte und verabschiedet sich im September von der Bühne.
Grubinger wirkt nicht erschöpft, aber er hat genug. «Da ist diese Müdigkeit, mental wie physisch», sagt er und verweist auf seine 25-jährige Karriere. Bereits mit drei oder vier Jahren habe sein Vater - ebenfalls ein Perkussionist - damit begonnen, ihn an die Schlaginstrumente heranzuführen, erinnert er sich. Im Grundschulalter nahm er an Orchesterkursen teil und kam dort mit Mitgliedern der Wiener Philharmoniker und Dirigenten wie Lorin Maazel in Kontakt. Zunächst wollte Grubinger Orchestermusiker werden und dachte noch nicht an die Solokarriere, die er seitdem hingelegt hat. «Den Job, den ich mache, den gab es irgendwie nicht», sagt er. «Und dann mit 15 habe ich plötzlich gemerkt: Wow, da ist was.»
In diesem Alter begann Grubinger, Solokonzerte zu spielen und nahm als jüngster Teilnehmer an einem internationalen Marimba-Wettbewerb in Japan teil. Er brach damals die Schule ab, um sich ganz auf die Musik zu konzentrieren. Doch der Weg zum gefeierten Virtuosen war anfangs steinig. So lichteten sich im Jahr 1998 bei seinem Auftritt während des Schleswig-Holstein Musik Festival die Reihen. «Ich habe sozusagen den Saal leergespielt», lacht Grubinger.
Seitdem ist Grubinger mit seinen athletischen, schweißtreibenden Auftritten und seiner Beherrschung vieler Trommel- und Stabinstrumente zu einem gefragten Künstler aufgestiegen. Er trat unter anderem mit den Wiener, Berliner und New Yorker Philharmonikern auf. Etwa 30 Schlagzeug-Werke hat er uraufgeführt, darunter ein Konzert, das ihm Friedrich Cerha auf den Leib schrieb. Neben seiner Solo-Tätigkeit gründete er das Ensemble Percussive Planet, mit dem er verschiedene Stilrichtungen von afrokubanischer Musik über Jazz bis Pop abdeckt.
Ans Aufhören denkt Grubinger trotz seines Erfolgs schon seit fast zehn Jahren. Grund dafür waren nicht nur die Strapazen, sondern auch seine Unzufriedenheit mit dem Qualitätsbewusstsein und der mangelnden Offenheit des klassischen Musikbetriebs. «Wir alle könnten auf Basis dessen, was wir können, ein so viel besseres Ergebnis auf die Bühne zaubern, wenn wir uns in den Proben mehr fokussieren würden», sagt er. «In allen Bereichen der Kunst ist es ganz selbstverständlich, sich immer wieder mit dem Neuen auch auseinanderzusetzen. Wir haben das so nie ganz geschafft», fügt er hinzu.
Außerdem, sagt Grubinger, wolle er lieber neue Ideen entwickeln und unterrichten, statt noch bis 70 auf der Bühne weiterzumachen. Zu seinen aktuellen Projekten gehört eine App namens MyGroove, mit der spielerisch das Musizieren in einer Band simuliert und gelernt werden kann. Als Professor wird Grubinger weiter an der Universität Mozarteum Salzburg lehren. Dort will er aber Studentinnen und Studenten nicht nur Musik vermitteln, sondern sie auch dazu anregen, sich eine Meinung zu bilden - vom russischen Angriff auf die Ukraine bis zu den politischen Situationen, in denen Mozart, Mahler oder Strawinsky ihre Werke schufen. «Das ist mir wichtig», sagt er.