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Der Stuttgarter Dirigent Helmuth Rilling wird 70 Jahre alt +++ Dieter Hildebrandt wechselt ins Klassische Fach
Der Stuttgarter Dirigent Helmuth Rilling wird 70 Jahre alt
Stuttgart (ddp-bwb). Manchmal greift Helmuth Rilling den Taktstock ganz anders als seine Kollegen. Der Stuttgarter Dirigent, der am kommenden Donnerstag 70 Jahre alt wird, macht den kleinen Stab, der nicht selten für Macht und Distanz gleichzeitig steht, durch eine besondere Haltung der Hand gleichsam kürzer und verringert damit den Abstand zu Chor und Musikern. Das mag nur ein Detail sein und ist dennoch sehr bezeichnend für Helmuth Rillings persönliche und am gemeinschaftlichen Wollen ausgerichtete Art, das Werk von Johann Sebastian Bach - und nicht nur dieses - zu musizieren.
Zwar steht die Bach-Pflege im Mittelpunkt von Rillings Wirken als Dirigent und Pädagoge. Die Gründung der Stuttgarter Bachakademie vor über 20 Jahren, die Einspielung aller Bach-Kantaten auf Schallplatte und CD sowie die jährliche Bachwoche dokumentieren diesen Schwerpunkt nach außen. Langweilig wird es Rilling dabei nicht. «Gerade Bach entdecke ich immer wieder neu», erklärt er und freut sich, wenn auf Tourneen die eigentlich unspektakulären Kantaten besonders nachgefragt werden, wie kürzlich in Mailand geschehen.
Dennoch hat sich der Dirigent, der als junger Student 1953 die Gächinger Kantorei gründete und sie schnell zum Spitzenensemble erzog, nie als Bach-Spezialist verstanden, obwohl er die großen Passionen wohl mehrere hundert Male dirigiert hat. Im Gegenteil: Von Anfang an beschäftigte sich Rilling intensiv und gegen den damaligen Zeitgeist mit den großen Oratorien des 19. Jahrhunderts, und mit dem Europäischen Musikfest schuf er sich ein Forum, das die Werke von Bach in größere Zusammenhänge stellt.
Dabei macht Rilling auch vor ganz neuer Musik nicht Halt. Das Musikfest 2000 setzte mit der Uraufführung von vier neu komponierten Passionen ein besonderes Zeichen. Spätestens in diesem Jahr trat auch die internationale Resonanz ein, die sich Rilling für das 1990 gegründete Stuttgarter Festival wünschte. In Sachen Bach gehört die weltweite Nachfrage längst zur Arbeit des Dirigenten - nicht nur auf Tourneen, sondern immer wieder durch Kurse für junge Musikerinnen und Musiker von Krakau bis Caracas. Den dortigen Ablegern der Bachakademie hat der Dirigent die Spenden zugedacht, die er sich an Stelle von Geburtstagsgeschenken wünscht - und die Einnahmen des Benefizkonzerts am Abend des Ehrentags, bei dem sich Rilling das Dirigentenpult mit seinem polnischen Kollegen und Freund Krzysztof Penderecki teilt.
Im Gespräch strahlt Helmuth Rilling eine charismatische Mischung aus Altersweisheit und fast jugendlichem Schwung aus. Für einen Dirigenten sind 70 Jahre schließlich kein Alter, in dem man ans Aufhören denkt. Gelassen geht er auch mit der Diskussion um die historische Aufführungspraxis um, die sich in den 80er Jahren beinahe zum Glaubenskampf erweiterte. Rilling ließ sich zwar anregen und experimentierte mit alten Instrumenten, geht aber seinen persönlichen Weg unbeirrt weiter - die Macht des Dirigenten nie in den Vordergrund stellend, aber auch nie auf das für ihn Wichtigste an der Musik verzichtend: das Gefühl.
Jürgen Hartmann
http://www.bachakademie.de
Dieter Hildebrandt wechselt ins Klassische Fach
Potsdam (ddp-lbg). Unter dem Titel «Vorsicht!! Klassik!» beleuchtet der Kabarettist Dieter Hildebrandt in Potsdam und Berlin die heiteren Seiten der klassischen Musik. Heute Abend tritt Hildebrandt gemeinsam mit den Philharmonischen Cellisten im Nikolaisaal in Potsdam auf. Einen Tag später folgt ein Konzert im Fontane-Haus in Berlin. Das Programm «soll den Respekt vor der klassischen Musik nehmen», sagte Hildebrandt.
«Wir haben die Komik entdeckt, die innerhalb eines klassischen Konzerts vorhanden ist», betonte der Kabarettist. So beschäftige er sich in seinen Moderationen zwischen den Musikstücken mit den Kritikern, dem Publikum oder der Kulturpolitik.
Er wolle auch nach seinem Abschied vom «Scheibenwischer» weiter auf der Bühne aktiv sein, betonte Hildebrandt. «Vorsicht!! Klassik!» sei dabei «ein Bein», auf dem er «noch laufen werde». Außerdem schreibe er ein weiteres Buch, aus dem er auch vor Publikum lesen wird.