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rosalie. Foto: Charlotte Oswald
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Am Lichte hängt doch alles

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Zum Tod der Bühnen- und Leucht-Installations-Künstlerin rosalie
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Dass wir im „optischen Zeitalter“ leben, ist zunächst eine Banalität. Natürlich waren auch die gotischen Kathedralen Licht-Kunstwerke, und die Barock-Kunst stand im Zeichen der Illusion. Aber erst die Elektrizität hat die allumfassende Beleuchtung ermöglicht – in Alltag, Reklame und Film. Entsprechend schrumpfen schon die Räume, in denen es nachts völlig dunkel wird. Ja mehr noch: Wirklichkeitserfahrung verlagert sich für nicht wenige auf‘s Virtuelle des Displays. Wohin also mit ästhetischen Visionen?

Die Bild-Licht-Künstlerin rosalie hat quasi den medialen Stier bei den Hörnern gepackt und der überbordenden visuellen Reiz-Überflutung mit einer eigenen Gegenwelt opponiert. Wobei am Anfang die Arbeit für die Bühne stand, der sie bis zum Schluss verbunden blieb, die sich aber immer mehr in die mediale Autonomie entwickelte. Fast ließe sich sagen: Der Titel von Stockhausens Sieben-Tage-Werk – „Licht“ – könnte parallel auch für rosalies Œeuvre gelten. Denn 1981, zum Mailänder „Donnerstag“, landete auch sie ihren ers-ten Theater-Coup: Henzes „Pollicino“. Schon damals zeichnete sich ihr Credo, von Schönberg übernommen, ab: „Ich will: höchste Unwirklichkeit“. Narrative Realistik war nie ihre Sache, und gerade im Musik-Theater, letztlich Zentrum ihrer Arbeit, lehnte sie entschieden das Wort „Ausstattung“ ab. So setzte sie mit ihrem Bayreuther „Ring“ 1994 auf eine ganz eigenständige bunt-spielerische Märchen-Avantgarde voller Zeichen und abstrakt-konkreter Figuren, imaginativ etwa im „Siegfried“-Wald als Hüllen-Halle grüner Regenschirme.

Ob Oper, Schauspiel oder Ballett: Stets vermied sie Verdopplung des Geschehens, beharrte auf autonomer Optik.„Gesamtkunstwerk“ hieß für sie nicht Addition der Sphären.

Obwohl oder gerade, weil Wagner für sie stets wichtig war. Im Gegenteil strebte sie nach Licht-Artefakten, die die Guckkasten-Bühne transzendierten. So hat sie 2005 in Basel selbst „Tristan“ inszeniert: als bunte Nacht der lebenden Zeichen. Im Karlsruher ZKM, bei den Donaueschinger Musiktagen entwickelte sie Licht-Installationen, die mitunter alle Statik hinter sich ließen – wobei sich in ihren „lightscapes“ kreative Unmittelbarkeit und technizistische Tüftelei berückend ergänzten – zum Amalgam letztlich immer noch romantischen Zaubers mit gänzlich unaggressivem Futurismus: Beleuchtung als Vehikel sanft oszillierender Erleuchtung. In Leipzig realisierte sie 2013 ein Installations-Triptychon als Hommage an Wagner, Max Klinger und Karl May. Am 12. Juni ist rosalie, geboren 1953 in Stuttgart gestorben.

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