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Angekommen - Peter Konwitschny will Leipziger Opernhaus neues Profil geben

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Vor einem Jahr kehrte der vielfach ausgezeichnete Opernregisseur Peter Konwitschny nach langer Abwesenheit in seine Heimatstadt Leipzig zurück, um am Opernhaus den Posten des Chefregisseurs zu übernehmen. In Erinnerung an den Wende-Herbst 1989 wird er Anfang Oktober dort Luigi Nonos Revolutions-Oper «Al gran sole» auf die Bühne bringen. Über seine neue künstlerische Heimat Leipzig, den langen Schatten seines Vaters Franz Konwitschny und zur Aufführung passende Klingelzeichen sprach ddp-Korrespondentin Angelika Rausch mit dem 64-jährigen Regisseur in Leipzig.

ddp: Herr Konwitschny, ist Leipzig, die Stadt, in der Sie aufgewachsen sind, für Sie schon zu neuen künstlerischen Heimat geworden?

Konwitschny: Ja, das ist es. Ich hatte ja Glück, denn nach meinen Jahren in Halle kamen Graz, Dresden und Hamburg, die für mich zum künstlerischen Mittelpunkt wurden. Und jetzt eben noch mal Leipzig.

ddp: Was hat letztendlich den Ausschlag gegeben, nach Leipzig zu gehen?

Konwitschny: Eigentlich wollte ich nie eine Leitungstätigkeit übernehmen, weil das immer mit vielen unschönen Dingen verbunden ist. Ich hätte es nicht überall gemacht. Was aber für Leipzig sprach, ist, dass ich hier groß geworden bin und mit dem Ensemble schon vier sehr schöne Produktionen gemacht habe. Auch das Administrative macht mir inzwischen großen Spaß. So kümmere ich mich auch darum, wenn zum Beispiel der Durchruf in der Kantine zu leise ist, oder als Klingelzeichen für das Publikum immer nur «Die Meistersinger» ertönt, obwohl am Abend Puccini gespielt wird, dann ändere ich das. Das macht mir große Freude, und die Mitarbeiter schätzen das sehr.

ddp: Was hat sich nach einem Jahr als Chefregisseur am Opernhaus geändert?

Konwitschny: Es gibt jetzt eine Klarheit, was wir wollen. Das war viele Jahre lang nicht so. Nur schöne Töne und dass die Bühne schön aussieht, das kann nicht alles sein. Wenn man keine Haltung hat, ist man zum Design verdammt. Und mit Design ist eben kein Sinn, kein Inhalt, zu machen. Da sind wir uns in der Leitung des Hauses jetzt einig, was die Oper soll, sowohl politisch als auch menschlich. Und danach richten sich die künstlerischen Parameter. Und es ändern sich natürlich die Regisseure, die hier künftig arbeiten. «Zombies» haben keine Chance. Es ist schon unglaublich, wer hier alles Regieaufträge bekommen hat. Wir brauchen junge Regisseure, deren Grundhaltung zur Aufgabe des Theaters, zu der unseren passen muss.

ddp: Wo sehen Sie die Oper Leipzig heute - in Sachsen, aber auch in Deutschland und wo wollen Sie sie hinführen?

Konwitschny: Wir wollen das Repertoire von Unsinn sauber machen, vieles genügt unseren Ansprüchen nicht. Wir können aber nicht alle Produktionen auswechseln. Da muss Stück für Stück Qualität und Verbindlichkeit einziehen. Ich strebe das an: Leipzig soll wieder ein wichtiger Ort werden in der europäischen Opernlandschaft. Dabei setze ich auch sehr stark auf den großartigen Chor.

ddp: Wie schafft man den Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und Publikumsauslastung?

Konwitschny: Das ist sehr schwierig. Die Oper ist zu groß für Leipzig. Sie wurde gebaut zu Zeiten, als die Kollektive mit Bussen hergefahren wurden. Das war nicht schlecht, dass Bildung organisiert wurde. In den letzten Jahren sind aber zu viele Einwohner fortgegangen, die sich für Kultur interessierten. Es braucht mindestens drei Jahre, bis sich in der Bevölkerung herumspricht, dass sich die Qualität gewandelt hat. Dazu ist es aber auch nötig, dass wir keine schlimmen Reinfälle produzieren. Unser «Fliegender Holländer» war keine gute Inszenierung. Die Beziehung unter den Figuren fehlte völlig. Aber man muss die Nerven bewahren, wenn man was ändern will.

ddp: Werden Sie auch weiterhin an anderen Opernhäusern inszenieren?

Konwitschny: Meine «Seitensprünge» lasse ich mir nicht nehmen. So bin ich zum Beispiel drauf und dran, in Tokio die erste Opernregie-Schule zu gründen. Zudem werde ich in Graz jedes Jahr eine Oper machen. Und auch Theaterregie werde ich dort führen: im Jahr 2012 Faust I und II als Fortsetzung von König Lear. Und in Moskau, Amsterdam, Lissabon, Wien und und und geht's auch weiter. Ob ich das mit meinen Kräften alles schaffe, muss ich abwarten.

ddp: Ist mit Ihrem vierteiligen Gluck-Projekt in Leipzig eine Inszenierung in Bayreuth für Sie ein für alle mal gestorben?

Konwitschny: Eigentlich hätte ich doch längst in Bayreuth inszenieren müssen. Dass ich bisher nicht dorthin eingeladen wurde, ist doch eher ein Verlust für die Wagner-Rezeption in Deutschland als für mich. In München, Dresden, Stuttgart und Hamburg habe ich alle meine Wagner-Inszenierungen mit großer Wirkung machen können. Unter besseren Bedingungen als derzeit in Bayreuth. Jetzt bin ich 64 – mit 80 brauche ich dort auch nicht mehr hin. Immerhin ist es schon mal gut, dass im nächsten Jahr Hans Neuenfels dort inszenieren darf.

ddp: Spüren Sie in Leipzig einen langen Schatten Ihres längst verstorbenen Vaters, der hier gefeierter Gewandhaus-Kapellmeister war?

Konwitschny: Es gibt ältere Musiker, die noch unter meinem Vater gespielt haben und die mir sagen: «So einen hatten wir nicht wieder.» Früher hieß es oft: «Ah, Sie sind der Sohn von Franz Konwitschny?» Heute ist das eher umgekehrt. In den ersten Jahren musste ich mich schon aus seinem langen Schatten befreien. Es wäre wahrscheinlich problematisch geworden, wenn ich auch Dirigent geworden wäre, was ich eigentlich mal vorhatte. So ist es aber viel besser.

 

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