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Ein Schwarzweiß-Bild eines kleineren Orchesters. An der Rückwand hinter dem Orchester hängt ein großes Bild einer geöffneten Hand.
Trickster Orchestra beim Jazzfest Berlin. Foto: Trickster Orchestra/Lena Ganssmann
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Berliner Trickster Orchestra Teil der „Exzellenten Orchesterlandschaft Deutschland“

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Das Berliner Trickster Orchestra startet im Dezember in Berlin sein „Trans-traditionelles Musiklabor“. Mit diesem Projekt wird das Trickster Orchestra Teil des Bundesprogramms „Exzellente Orchesterlandschaft Deutschland“ der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, wie Kulturstaatsministerin Claudia Roth im Januar bekanntgegeben hat. Dieses Bundesprogramm fördert innovative künstlerische Projekte und Vermittlungsprogramme zu Themen wie Nachhaltigkeit und Diversität.

Das auf zwei Jahre angelegte Trans-traditionelle Musiklabor geht der Frage nach, wie eine multiperspektivische, post-migrantische Orchesterpraxis gestaltet werden kann, die Deutschlands diverser Gesellschaft des 21. Jahrhunderts Ausdruck und Sichtbarkeit verleiht, wie die beiden künstlerischen Leiter Cymin Samawatie und Ketan Bhatti erklären: „Wie wird klassische (Kammer-)Musikpraxis anschlussfähig für eine post-migrantische Gesellschaft?“

Gemeinsam mit wechselnden Gästen aus Musik, Wissenschaft, Gesellschaft und Kunst entwickelt das Trickster Orchestra Ansätze für eine zeitgenössische Orchestermusik. Aus radikaler Diversität der musikalischen Perspektiven entstehend, versteht diese Musik die Repertoires, Besetzungen, Strukturen und Aufführungsformate des klassisch europäischen Orchesterapparats des 19. Jahrhunderts lediglich als einen Ausgangspunkt unter vielen. Im Zentrum eines abschließenden Festivals und einer Publikation steht die musikalische und diskursive Darstellung einer zeitgenössischen orchestralen Kunstmusikpraxis, die sensibel für ethnische, biographische, sexuelle oder geschlechtsbezogene Aspekte ist und, wie der Komponist George Lewis es beschreibt, eine „Mosaik-Identität“ repräsentiert.

Das als öffentlicher, experimenteller und zukunftsorientierter Arbeitsprozess angelegte Musiklabor nähert sich dem Thema mit unterschiedlichen Fragestellungen in fünf „Encounters“. Die daraus erwachsenden Themen, Ideen und künstlerischen Kollaborationen werden im Rahmen der Encounters in Werkstattkonzerten präsentiert und sind potentiell Bestandteile des abschließenden dreitägigen vielformatigen Festivals und einer multimedialen E-Buchpublikation.

Encounter I: 13. bis 15. Dezember 2024 im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Musik – Versuch einer Selbstverortung)

Encounter II: 3. bis 5. März 2025 im Haus der Kulturen der Welt
(Thema: Trans-traditionelle Kollektivität)

Encounter III: 14. bis 16. April 2025 im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Komprovisation)

Encounter IV: Oktober 2025 in der Akademie der Künste
(Thema: Trans-traditionelle Mikrotonalität)

Encounter V: tbd im Radialsystem
(Thema: Trans-traditionelle Multiperspektivität)

„SAVE THE DATE“: 24. bis 26. April 2026
Dreitägiges Abschlussfestival im Radialsystem

Die entstehende Musik versucht, historische, geografische und kulturelle Querverbindungen anzuerkennen – nicht, um Diversität als Selbstzweck zu behaupten, sondern um aus vorhandener Vielstimmigkeit eine neue musikalische Komplexität zu ermöglichen, die größere kreative Tiefe verspricht. Das Ziel ist immer, Unterschiede und divergierende Herangehensweisen an Klang ernst zu nehmen und miteinander in Dialog treten zu lassen, ohne einerseits Kompromisse einzugehen und andererseits in Traditionalismen zu verfallen. In den ergebnisoffenen Encounters, einem begleitenden Podcast und den Festivalformaten wird musikalisch und diskursiv gefragt:

  • Welches gemeinsame aber bisher unentdeckte „Dritte“ lässt sich finden, das weder das Eigene noch das Fremde ist?
  • Wie kann ein Orchester aussehen, das der vollkommen gewandelten deutschen Einwanderungsgesellschaft des 21. Jahrhunderts entspricht?
  • Wie kann ein solches Orchester den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken, indem es Brücken baut und Anerkennung für diverse Communities schafft?
  • Wie kann die Teilhabe bisher exkludierter und marginalisierter Musiker*innen und der Öffentlichkeit am zeitgenössischen Musikgeschehen selbstverständlicher werden?
  • Wie drückt sich die plurale, postmigrantische Gesellschaft musikästhetisch und auf exzellentem musikalischen Niveau aus?
  • Was ist Exotismus in der Musik?
  • Welche Begriffe, Konzepte und Arbeitsmethoden prägen eine trans-traditionelle Orchesterpraxis?
  • Wie kann eine dekoloniale und epistemologisch dezentrale Orchesterpraxis gelingen?

In der musikalischen Beantwortung dieser Fragen führt nicht nur das Trickster Orchestra selbst als einzigartiger postmigrantischer Klangkörper einen internen Diskurs weiter – vielmehr lädt es für sein Vorhaben bewusst einige Ensembles der trans-traditionellen Richtung der zeitgenössischen Musik ein, sich gemeinsam als Szene des deutschen Musikgeschehens zu präsentieren.