„Was wäre, wenn...“ rätselt der in Berlin ansässige Komponist und Violinist C. René Hirschfeld in einem offenen Brief. Für sich selbst hat er als mündiger Bürger die Konsequenz gezogen aus all den zweifelhaften finanziellen Hilfslieferungen. Geleistet vom Steuerzahler, an marode Banken und Privatfirmen, veranlasst durch die Regierungen von Bund und Ländern. Er entscheidet jetzt selbst, wer in den Genuss seiner Steuergelder kommt – bei allem Risiko:
Was wäre, wenn?
Ab morgen zahle ich keine Steuern mehr und ich hoffe, Tausende, Hunderttausende machen mit!
Statt dessen werde ich meinen Steuersatz dorthin zahlen, wo er Sinn macht und nicht missbraucht wird.
Worum geht es?
Wenn Bank-Manager Handwerk und Verantwortung vergessen und sich mit Risikogeschäften verspekulieren, kann man sagen , es sei im Rausch der Profitgier geschehen.
Die Zeche aber zahlt natürlich der Steuerzahler.
Wenn nun der Staat wie jüngst im Fall Qimonda geschehen in ein marodes Unternehmen 150 Millionen Euro (in Zahlen: 150.000.000) steckt und dieses dann vor Monatsfrist doch Pleite geht, fällt die Begründung schon schwerer. Gibt es bei unseren ganzen Regierenden und ihren unzähligen überbezahlten Beratern niemanden, der kompetent genug ist, die Situation eines Unternehmens richtig einzuschätzen, bevor man Steuergelder in den Schornstein wirft?
Oder will man gar nicht genau hinschauen? Ein gewisser Aktionismus macht ja in einer Krise zunächst erst einmal immer den guten Eindruck, man wisse, was zu tun sei.
Unglaubhaft jedenfalls ist, dass dieses Unternehmen innerhalb so kurzer Frist abgestürzt ist und sich dies nicht bereits angekündigt hätte zu dem Zeitpunkt, als o.g. Summe so freigiebig verteilt wurde.
Und natürlich: die Zeche auch für derartige Aktionen zahlt der Steuerzahler.
Was aber wäre nun, wenn letzterer aufwachte zu einer vergessenen Tugend: dem zivilen Ungehorsam? (Dabei mag dahin gestellt sein, ob diese Tugend vergessen wurde oder ob man sie uns vergessen machte Der kollektive Halbschlaf lässt sich bekanntlich leicht herstellen: gebt jedem ein Handy, Kabelfernsehen, ab und an eine WM, ein paar Skandale und entfernte Katastrophen in den Medien sowie eine Regierung, die beteuert, alles was sie tut, sei zu unserem Besten und schon sind alle zufrieden...)
Was also wäre, wenn der Steuerzahler sich plötzlich weigerte, die Zeche für Fehler, Korruption und Unverschämtheiten anderer zu zahlen?
Selbstverständlich wäre ein offizieller Aufruf zur Steuerhinterziehung strafbar, deshalb bleibt nur, eben die Frage zu stellen: was wäre, wenn?
Und: der einzelne Steuerzahler dürfte dadurch persönlich keinen finanziellen Vorteil haben, denn wir wissen alle, wer Millionen hinterzieht, kommt davon, sind es kleine Summen, wird es schwieriger.
Es wäre also wichtig, in unserem hypothetischen Falle, dass der Steuerzahler seine Steuern trotzdem zahlt, aber eben nicht an den Staat, der sie in Fässer ohne Böden stopft, sondern z.B. direkt an anerkannte Hilfsorganisationen, Schulen, medizinische Einrichtungen und Bedürftige.
Was also wäre dann?
Vielleicht würde ein Prozess drohen.
Vielleicht würde es Schule machen, und wenn Tausende, Hunderttausende so handelten, müssten auch die Regierenden anfangen ernsthaft nachzudenken.
Vielleicht würden dann vielleicht sogar endlich jene zur Kasse gebeten, die das Geld verschwendet haben?
All dies bleibt ungewiss.
Eines aber ist sicher: auf diese Weise wäre das Steuergeld von Nutzen und würde wieder seinen eigentlichen Zweck erfüllen: die Gesellschaft stützen.
Als Reaktion auf die regen Kommentare auf nmz Online (siehe unten) ergänzte René Hirschfeld am 5. Februar :
Leider bin ich bei meiner Polemik „Was wäre wenn“ einem von Regierung und öffentlich rechtlichen Medien verbreiteten Irrtum aufgesessen: Nachdem die Tagesschau berichtet hatte, das Unternehmen Qimonda müsse „trotz Hilfszahlungen in Höhe von 150 Millionen Euro aus dem Rettungspaket der Regierung Insolvenz anmelden“ glaubte ich (und einige andere), Qimonda hätte tatsächlich Hilfszahlungen aus Steuergeldern erhalten. Fakt ist: es wurde nie Geld ausgezahlt. Ob Qimonda, ein tatsächlich wichtiges Unternehmen in einer Schlüsselbranche, die mehr und mehr von den Asiaten übernommen wird, zu retten gewesen wäre, entzieht sich meiner Beurteilung.
Mein Text wurde auf der Frontseite der Onlineausgabe der neuen musikzeitung veröffentlicht und sorgte dort, aufgrund des sachlichen Fehlers, für rege Diskussion. Ich habe zu dem Fehler inzwischen Stellung genommen. Ein Qimonda-Mitarbeiter, der nun seinen Arbeitsplatz verliert, hat mir auf diese Veröffentlichung privat gemailt. Er korrigierte den Fehler bezüglich. der Hilfszahlungen, gab mir aber, trotz seiner harten Situation, in allem Weiteren Recht. Er sprach übrigens von einer „großangelegten PR-Aktion seitens der Regierung und der Medien“.
Der Skandal ist doch aber, dass mit derartigen Falschmeldungen der Bevölkerung suggeriert werden soll, „die da oben tun ja was, die werden's schon richten“.
Ein (diesmal verifiziertes) Beispiel:
Die Commerzbank verhebt sich am Kauf der Dresdner Bank. Eine eindeutige Manager-Fehlentscheidung. Wir bezahlen. Aber das ist noch nicht der ganze Skandal. „Der staatliche Bankenfonds Soffin gibt der Commerzbank insgesamt 18,2 Mrd. Euro, um den Kauf der Dresdner Bank und weitere Belastungen aus faulen Kreditpapieren abzusichern. Im Gegenzug wird der Bund für zehn Mrd. Euro größter Einzelaktionär der zweitgrößten deutschen Bank mit 25 Prozent plus einer Aktie.“ (Die Welt online)
So, wenn also der Bund nun Großaktionär bei der Commerzbank ist, warum nimmt er dann sein Recht/seine Pflicht zur Aufsicht nicht wahr? Bis jetzt ist niemand vom Bund abgestellt worden, um bei der Commerzbank im Aufsichtsrat weiteren Fehlentscheidungen zuzuschauen (geschweige denn, sie zu verhindern). Niemand!
Und weiter geht’s: Die Commerzbank freut sich natürlich, dass sie Hilfe kriegt, ihr aber niemand auf die Finger schaut. Und was tut sie? Sie verkauft die gleichen unsicheren Fonds, die sie bereits vor der Übernahme der Dresdner Bank enorme Verluste gekostet haben, weiter. Unter neuem Namen natürlich.
Diese Information kommt direkt aus dem Haus mit der Glaskuppel und dem darin tagenden höchsten Gremium der „Volksvertretung“. Dort ist also alles bestens bekannt. Wenn man nun der elementaren Logik folgt, muss man sich fragen: können die nix tun oder wollen sie nicht? In beiden Fällen gehört aufgeräumt!
Das Umbenennen, das Täuschen, der Etikettenschwindel scheint ja da oben eine Tugend zu sein. Und so manche Teile der Medien machen fleißig mit (siehe Qimonda). Ein Symptom übrigens, dass man immer bei maroden Systemen beobachten kann (nicht nur vor dem Zusammenbruch der DDR und des „Kommunismus“): Beschönigungen, Verschleierungen, Verbreitung von Halbwahrheiten und Beruhigungsmeldungen.
Gute Nacht!
C. René Hirschfeld; Komponist, Musiker, verärgerter Steuerzahler
Biographisches:
1965 in Wernigerode geboren
erster Violinunterricht mit 5 Jahren
1982-87 Studium an der Hochschule für Musik
”Carl-Maria von Weber” Dresden, Hauptfächer Komposition (bei U. Zimmermann und W. Krätzschmar) und Violine (bei Chr. Redder), Nebenfächer Klavier und Dirigieren; 1987-89 Fortsetzung des Studiums als Meisterschüler; autodidaktisches Studium von Tanz und Tanztheorie, wesentliche Impulse von Gret Palucca, Kazuo Ohno, Patricio Bunster und Thomas Hartmann; 1985-95 auch als Tänzer tätig; als solcher neben verschiedenen Arbeiten im Off-Theater mehrere Soloabende und Engagements an Stadttheatern sowie Musik- und Theaterfestivals
Preisträger mehrerer nationaler und internationaler Kompositionswettbewerbe und Stipendien (u.a. Weber-Preis 1984, Eisler-Preis 1986, Mendelssohn-Stipendium 1988/89, Göttinger Gitarrenpreis 2000)
Lehrtätigkeit u.a. an den Musikhochschulen Dresden und Berlin (1987-94), bei der ACMP Foundation New York, verschiedenen Jugenchören und der Musikakademie Rheisberg
1994/95 Aufenthalt und Arbeit in Schweden, seither als freiberuflicher Komponist und Musiker in Berlin
Seit 2007 verstärkte Konzerttätigkeit als Geiger
Werke: Musiktheater, Ballette, Sinfonik, Kammermusik, Chormusik, Lieder, Solowerke
Aufführungen in wichtigen Musikzentren und Festivals in Europa und Asien, z. B. Salzburger Festspiele, Konzerthaus Berlin, deSingel Antwerpen, Musée d‘Art de la Ville Paris, Athaeneum Bukarest, Sächsische Staatsoper Dresden, Rustavelli-Theater Tiblissi, Katmandu, Bangkok sowie Sendungen bei zahlreichen internationalen Rundfunkstationenm