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Cathérine Miville neue Intendantin am Gießener Stadttheater

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Mit Cathérine Miville hat erstmals eine Frau den Intendantenposten des Gießener Stadttheaters inne. Sie ist die Nachfolgerin des populären Guy Montavon, der dem Gießener Theater weltweites Renommée verschaffte.

Gießen (ddp-swe). «Ein Denkmal bürgerlichen Gemeinsinns» steht in Stein gehauen über dem Portal des Gießener Stadttheaters. Es waren die betuchten Bürger, die am Ende des 19. Jahrhunderts sammelten, um der Stadt ein Theater zu bauen. 1905 wurde der prächtige Jugendstilbau eingeweiht und seit damals haben die Gießener Bürger ein besonderes Verhältnis zu ihrem Theater, das immerhin jedes Jahr fast 90 Prozent des städtischen Kulturhaushaltes beansprucht.

Mit der Spielzeit 2002 / 2003 hat eine neue Intendantin im Gießener Stadttheater das Ruder übernommen. Die gebürtige Schweizerin Cathérine Miville wechselte von der Intendanz der Münchener Lach- und Schließgesellschaft an das Dreispartenhaus an der Lahn.

«Ein Kabarett ist wie ein Bonsai-Mehrspartenhaus», sagt Miville, die schon als Schülerin in Basel im dortigen Theater aktiv war. Zum Studium der Theaterwissenschaften, Betriebswirtschaft und Germanistik ging sie nach München, wo sie schon während des Studiums bei dem renommierten Kabarett ihre ersten Sporen verdiente. Mit der Übernahme des Gießener Hauses erfüllt sich für die attraktive Mitvierzigerin ein Wunschtraum.

Zunächst wird sie sich allerdings auf eine harte Zeit gefasst machen müssen. Die Gießener Bürger haben schon öfter einen Intendanten zur vorzeitigen Abreise aus der Stadt veranlaßt. Zuletzt ging der glücklose Robert Tannenbaum, der nicht nur die Operette, sondern auch das Weihnachtsmärchen gestrichen hatte ? ein verhängnisvoller Fehler.

Nicht nur als erste Frau auf Gießens wichtigstem Kulturposten wird Miville argwöhnisch beobachtet, sondern auch als Nachfolgerin des ausgesprochen populären Guy Montavon. Im Haus eher wegen seines autoritären Führungsstils gefürchtet, hatte Montavon dem Giessener Stadttheater neue Besuchergruppen erschlossen und mit einigen Produktionen internationale Aufmerksamkeit erregt.

Das erste Programm unter der Leitung von Miville enthält keine spektakulären Wiederentdeckungen oder gewagte Auftragsarbeiten. Allerdings bietet es eine beachtliche Vielfalt, in allen Sparten etwas. Die leichte Muse wird mit «My fair Lady» gepflegt ? jenem Musical, das zwar den meisten Menschen geläufig, aber seit ein paar Jahren auf den Spielplänen rar geworden ist.

Die deutsche Erstaufführung der Oper «Endstation Sehnsucht», nach dem Schauspiel von Tennessee Williams, dürfte für Opernfreunde ein Muss sein. Auch Christopher Marlowes «Doktor Faustus», immerhin 200 Jahre vor Goethes Faust entstanden, wird wohl Aufmerksamkeit erregen. Vom Programm her scheint Miville an das Konzept ihres Vorgängers anzuknüpfen, Theater für alle Bürger anzubieten.

Ob sie, die nur mit einem Dreijahresvertrag verpflichtet wurde, die vielen vorhandenen Empfindlichkeiten umschiffen wird, muss sie erst noch zeigen. Das erste Porzellan ist indes schon zerschlagen. So fand die erste Premiere, eine musikalische Hommage an die «Comedian Harmonists», in der im Kreis Gießen gelegenen Gemeinde Laubach statt. Die Gießener Bürgerschaft war «not amused», trägt doch die Stadt den Löwenanteil der Theaterkosten, und nicht etwa der Kreis.

Mit einem Theaterfest hat Miville danach etwas Terrain zurückgewonnen. Dass die Intendantin aber die Theater-Homepage aus dem Internet nehmen ließ, ohne eine neue zu präsentieren und sich der Internetauftritt nun schon seit Monaten als Baustelle präsentiert, notdürftig mit dem Programm angereichert, ist ein Rätsel ihres Amtsantritts, das wohl nur die Intendantin selbst lösen kann. Zu besichtigen ist die Baustelle unter:
www.stadttheatergiessen.de