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Waleri Gergijew. Foto: Marco Borggreve
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„A Certain Madness“ – Hommage an umstrittenen Dirigenten Gergijew

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Lange vor seinem Amtsantritt als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker im kommenden Jahr hat der Russe Valery Gergiev schon Schlagzeilen gemacht. Wegen seiner Nähe zu seinem Freund Wladimir Putin geriet Gergiev in die Kritik, weil er dessen Ukraine-Politik offen unterstützt und auch gegen die russische Anti-Schwulen-Gesetzgebung nichts einzuwenden hat. Demonstrationen gegen den 61-jährigen Musiker gab es nicht nur vor einem Konzert in München, sondern auch in London und New York.

Die Stadt München lud deshalb im Dezember vergangenen Jahres zur Pressekonferenz, in der Gergiev aber nichts tat, um die Vorwürfe zu entkräften - eher im Gegenteil. Und so sahen die Verantwortlichen sich zu einem klärenden Gespräch gezwungen, in dem sie Gergiev dazu brachten, einen Brief an sein künftiges Publikum zu schreiben, um die Wogen zu glätten. „Ich bin Musiker und Dirigent. Ich bin aber auch Russe und meinem Heimatland eng verbunden“, schrieb der Musiker - und verteidigte seine Ansichten.

Der Film „Gergiev: A Certain Madness“, der an diesem Samstag beim Filmfest München Premiere feierte, weiß von all dem nichts. Die politischen Auseinandersetzungen, die sich um die Person Gergiev entwickelt haben, spielen in der Dokumentation keine Rolle. Regisseur Alberto Venzago tut dem Maestro den Gefallen, ihn als unpolitischen Wahnsinnigen am Pult zu inszenieren. „Ich gehöre nicht zur Duma, ich gehöre nicht zur Regierung“, sagte Gergijew bei jener aufsehenerregenden Pressekonferenz in München.

Venzago und Kameramann Markus Zucker haben Gergiev und sein Orchester des St. Petersburger Mariinski Theaters auf Russlandtournee mit der Transsibirischen Eisenbahn in entlegene Ecken des riesigen Landes begleitet. Die Dokumentation zeigt in wunderschön gefilmten Schwarz-Weiß-Bildern, wie die Musiker sich in den endlosen Fahrtstunden die Zeit vertreiben, während die beeindruckende russische Landschaft vorbeirauscht.

Musikalisch untermalt wird das Ganze von dem, was das Orchester Abend für Abend auf die Bühne bringt. „Sie verdienen gute Musik“, sagt Gergiev über die Menschen in der russischen Provinz, die normalerweise nicht einfach so in den Genuss von Mariinski-Darbietungen kommen können. Und darum nehme er die Strapazen der tausende Kilometer langen Reise auch gerne auf sich.

Regisseur Venzago zeigt Gergiev als musikverrückten, leidenschaftlichen Dirigenten, der Musik als fast religiöses Ereignis beschreibt - von „ewiger Schönheit“, die ihn mit ihrer Intensität manchmal zu ersticken drohe. „Er führt einen stetigen Kampf gegen die Mittelmäßigkeit“, sagen seine Musiker. „Leidenschaft, Leidenschaft, Leidenschaft!“ Sie sprechen von „Magie“ und sagen: „Vielleicht kommt er von einem anderen Planeten.“ Immer wieder sind Nahaufnahmen zu sehen, in denen Gergiev sich mit geschlossenen Augen völlig der Musik hingibt, Schweiß tropft von seiner Stirn.

Es falle ihm leicht, Kontakt zu anderen Menschen zu knüpfen, sagt ein Freund über Gergiev, den Putin vor nicht allzu langer Zeit zum „Helden der Arbeit“ erklärte. Der Grund dafür sei der immense Respekt, den der Dirigent vor jedem einzelnen Menschen habe. Besser hätte Gergiev selbst das wohl nicht sagen können. Schließlich betont er - aller Nähe zu Putin zum Trotz - immer wieder: „Natürlich ist in der künstlerischen Gemeinschaft kein Platz für Diskriminierung.“

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