Hyperactive Kid hieß seine erste Gruppe und manchmal ist Christian Lillinger auch noch das nervöse Kind, ständig auf der Suche nach etwas mehr oder weniger Brauchbarem, das sein Spiel belebt und - gewollt oder nicht gewollt - ihn vor allem optisch ins Licht rückt. Es kann dann schon mal eine Autohupe oder eine Kinderrassel sein, zum Beispiel mit Daniel Erdmann, Gebhard Ullmann und Johannes Fink in der Free-Jazz-Gruppe E & U-Mann.
Die Querverbindung zum Günter Sommer ist sofort da, der schale Beigeschmack einer bloßen Kopie kommt dennoch keinen Moment auf, obwohl er an der Hochschule für Musik in Dresden bei eben jenem Sommer studiert hat. "Es glaubt mir wahrscheinlich kein Mensch, aber ich kannte Herrn Sommer vor meinem Studium tatsächlich nicht. Allerdings habe ich sofort gemerkt, dass ich da doch wohl etwas ganz wesentliches versäumt hatte", sagt Lillinger, der nach einer kurzen Rock-Einführungsphase mit Deep Purple und Emerson, Lake und Palmer zum Jazz und über Elvin Jones zum Schlagzeugspiel fand. 1984 wurde Lillinger in Lübben im Spreewald geboren, gerade als das Free-Jazz-Paradies im benachbarten Peitz auf Dekret der DDR-Kulturfunktionäre schließen musste. So gab schließlich der Vater, der an der Kreismusikschule unterrichtete, den entscheidenden Anstoß zur Musik. "Witzigerweise auf der Gitarre", sagt Lillinger.
Mit 25 Jahren lebt Lillinger mittlerweile in Berlin, freut sich über einen, gemessen an seinem noch relativ geringen Bekanntheitsgrad, prallvollen Terminkalender und eine schon recht umfangreiche Diskographie bei der Berliner Jazz-Werkstatt und der hochinteressanten Firma Cleanfeed aus Portugal. Lillinger ist gefragt, gibt den jungen, wilden, kommt aber auch mühelos mit den altgedienten Brüdern Rolf und Joachim Kühn klar. "Ich will mich bewusst nicht eingrenzen lassen, ich probiere im Moment alles aus und bin selbst ein bisschen gespannt, wo das am Ende hinführt", sagte er nach dem vielumjubelten Konzert zum Mauerfall-Jubiläum bei den Leipziger Jazztagen. An der Seite von Leo Smith, Barre Phillips, Urs Leimgruber und seinem einstigen Lehrer Günter Sommer hatte er "die einmalige Chance, mal wieder ein ganzes Stück Jazz-Geschichte aufzuarbeiten." An einem weiteren Stück Neuland arbeitet er gerade: Dem ersten Solo-Projekt, das im November beim Total Music Meeting in Berlin seine Uraufführung erleben soll. Und dann soll irgendwann mal der Auftritt bei einem richtig großen Festival kommen, denn noch immer "habe ich das Gefühl, dass mich eigentlich noch kein Mensch kennt."