Nach dem Krieg, Wolfgang Dauner war 1945 zehn Jahre alt, dachte man in Deutschland weniger in künstlerischen Kategorien als in pragmatischen. Auf den Wunsch seiner Pflegemutter schloss Wolfgang Dauner eine Lehre als Mechaniker in der Druckmaschinenfabrik Mailänder ab – mit Belobigung. Aber er wusste schon immer, er wollte Musiker werden.
Tagsüber arbeitete er, und abends spielte er im Ami-Club, wo auch mal „Rosamunde“ oder „Night Train“ auf dem Programm standen. Die Arbeit im „Bergwerk“ – so nannte man damals diese Engagements, bei denen man von abends neun bis morgens vier im Keller, beziehungsweise Club spielte – ermöglichte es Wolfgang Dauner jedoch, seinen bürgerlichen Beruf an den Nagel zu hängen: Er ging mit Zara Leander und Marikka Röck auf Tournee. Allerdings nicht als Pianist, nein, als Trompeter. Auf der Stuttgarter Musikhochschule hatte er Trompete als Hauptfach und Klavier nur als Nebenfach studiert. Obwohl er eigentlich schon immer besser Klavier spielte. Doch als er zweiundzwanzigjährig Professor Uhde an der Stuttgarter Hochschule vorspielte, sagte dieser: „Sie sind zu alt“. Von Jazzstudiengängen war in den Fünfzigern natürlich noch keine Rede. In die Musikhochschule Stuttgart kam Dauner erst wieder bei der Verleihung der German Jazz Trophy im Jahr 2003 (unser Bild).
Dennoch ging Dauner seinen Weg: Er gründete das Wolfgang Dauner Trio, mit Eberhard Weber am Bass und Fred Braceful am Schlagzeug, dann kamen die German Allstars. Von 1968 an leitete er die Radio Jazz Group Stuttgart und Mitte der 70er-Jahre war er Mitbegründer des United Jazz and Rock Ensemble mit Barbara Thompson, Albert Mangelsdorff, Kenny Wheeler, John Hiseman, Charlie Mariano, Eberhard Weber, Ack van Royen, Volker Kriegel und Ian Carr. Das UJRE war auch die Keimzelle für die Plattenfirma Mood Records, einer Art „Verlag der Autoren“ für Musiker. Die erste Langspielplatte hieß „UJRE – Live im Schützenhaus“. Sie verkaufte sich innerhalb kürzester Zeit 30.000-mal.
Seit den Sechzigern tauchten zahlreiche Platten von Wolfgang Dauner beim Label MPS (Musikproduktion Schwarzwald) auf. Wichtige VÖs wie „Free Action“ (1967), „Psalmus Spei/Requiem für Che Guevara“ (1969), „The Oimels“ (1969), „Music Sounds“ (1970), „Et Cetera“ (1973), „Kunstkopfindianer“ (1974) oder „Free Sound and Super Brass“ (1976) wären hier zu nennen, um den Standort von Dauner innerhalb der Strömungen dieser Zeit zu bestimmen. Dabei kann man zwei große ästhetische Linien verfolgen. Mit seiner Band „Et cetera“ machte er Pionierarbeit in Sachen Jazzrock und sprach ein breites Publikum an. Mit Experimenten dagegen provozierte er – und machte auf sich als einen der jungen Wilden des deutschen Jazz aufmerksam: etwa 1968 beim Jazzfest in Frankfurt mit dem Happening „Vision 68“ oder 1970, wo er aus dem Festival für Neue Musik in Donaueschingen ein „Daunereschingen“ machte. Die Jazzoper „Urschrei“ (1976 Berliner Jazzfest) befasste sich kritisch mit dem Musikbetrieb. Dabei war es ihm stets ein Anliegen, den Musikbetrieb nicht nur hitparadenmäßig anzukurbeln, sondern am Leben zu erhalten:
Zusammen mit Melchior Schedler konzipierte er 1974 die TV-Serie „Glotzmusik“ im SDR. Eigentlich für 9- bis 14-Jährige gedacht, wurde sie schnell auch bei älteren Jazzfans Kult. Den Initiatoren und ihrer Redakteurin Elisabeth Schwartz ging es damals um Musikvermittlung, ein Thema, das heute in den Lehrplänen der Musikhochschulen aktueller denn je ist. Wolfgang Dauner, der im Musikunterricht seiner Jugend immer nur eine vier im Zeugnis stehen hatte – damals bekam man seine Note noch fürs Vorsingen, ein Klavier berührte der Hochbegabte in der Schule kein einziges Mal –, entpuppte sich als begnadeter Musikvermittler und erntete von Publikum und Fachwelt viel Lob für das Unternehmen. Die Serie „Glotzmusik“ trug ihm gar den Titel des „Mozarts der Kindermusik“ ein.
Nach längerer Krankheit ist der Jazzmusiker, Pianist und Komponist Wolfgang Dauner am 10. Januar im Alter von 84 Jahren in seiner Heimatstadt Stuttgart gestorben.