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Daniel Barenboim wird 70 und beschenkt seine Fans mit einem Konzert in Berlin

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Berlin - Mailand, Wien, Berlin - auch an den Tagen vor seinem Geburtstag ist Daniel Barenboim rund um die Uhr unterwegs. Kein Wunder, mit der Staatskapelle Berlin und dem Orchester der Mailänder Scala leitet der Kosmopolit, der die spanische, argentinische, israelische und palästinensische Staatsbürgerschaft besitzt, gleich zwei Orchester von Weltrang. Ein drittes - das West-Eastern Divan Orchester - hat er 1999 mitgegründet.

 

Nebenbei gibt er Gastdirigate und hat Solo-Auftritte - so wie am 15. November, seinem 70. Geburtstag. "Es wird eine große Feier geben", verriet er der "Berliner Zeitung". Allerdings erst am späten Abend. Barenboim gibt an diesem Tag ein Konzert in Berlin. Auf dem Programm: Werke von Beethoven und Tschaikowski. Am Pult steht ausnahmsweise mal nicht er, sondern sein Kollege und Freund Zubin Mehta. Der Maestro selbst spielt den Solopart am Flügel.

"Der elfjährige Barenboim ist ein Phänomen"

Barenboim, am 15. November 1942 in Buenos Aires (Argentinien) als Sohn jüdischer Eltern geboren, galt in jungen Jahren als Wunderknabe. Sein erstes öffentliches Konzert als Pianist gab er mit sieben Jahren, wenig später lernte er Wilhelm Furtwängler kennen und spielte vor ihm. "Der elfjährige Barenboim ist ein Phänomen", schrieb der große Dirigent daraufhin und lud den Jungen nach Berlin ein. Doch Barenboims Vater meinte, es sei noch zu früh für das Kind einer jüdischen Familie, in Deutschland aufzutreten. Der Zweite Weltkrieg war schließlich erst neun Jahre vorbei.

Erst 1963 kam der talentierte Musiker nach Deutschland, gerade 19 Jahre alt, um mit den Münchner Philharmonikern Beethoven zu spielen. Ein Jahr später trat er mit den Berliner Philharmonikern auf, und 1967 gab er in London sein Debüt als Dirigent mit dem Philharmonia Orchestra. Danach war Barenboim bei allen führenden Orchestern der Welt gefragt: Von 1975 bis 1989 war er Chefdirigent des Orchestre de Paris und damit Nachfolger von Sir Georg Solti, zwischen 1981 und 1999 wirkte er als Dirigent bei den Bayreuther Festspielen, und von 1991 bis 2006 stand er am Pult des Chicago Symphony Orchestra. Nur die Berliner Philharmoniker gaben ihm einen Korb, als sie 1999 Simon Rattle als ihrem neuen künstlerischen Leiter den Vorzug gaben.

"Der einzige Weltstar, den Berlin hat"

Seit 20 Jahren ist Barenboim Generalmusikdirektor der Berliner Staatsoper Unter den Linden, von 1992 bis 2002 war er außerdem deren Künstlerischer Leiter, im Jahr 2000 wurde "der einzige Weltstar, den Berlin hat", wie Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) einmal sagte, von den Musikern zum Chefdirigenten auf Lebenszeit gewählt. Die Zusammenarbeit ist von gegenseitigem Respekt geprägt: "Das Orchester, die Staatskapelle, macht mich so unglaublich glücklich", bekannte Barenboim im Interview mit der "Berliner Zeitung".

Große Zyklen hat Barenboim mit der Staatskapelle erarbeitet: Richard Wagners Opern, die Sinfonien Ludwig van Beethovens und Robert Schumanns, die großen Werke von Mahler. Daneben pflegen Barenboim und sein Orchester die zeitgenössische Musik, darunter etwa "What next?" - die einzige Oper des Anfang November verstorbenen US-amerikanischen Komponisten Elliott Carter, die 1997 in Berlin uraufgeführt wurde.

Im Herbst 2011 wurde Barenboim zum Musikdirektor des Teatro alla Scala in Mailand berufen, wodurch die Kooperation zwischen Mailand und Berlin intensiviert wurde. In Zusammenarbeit der beiden Häuser startete Barenboim gemeinsam mit Regisseur Guy Cassiers 2010 eine Neuinszenierung von Richard Wagners "Ring des Nibelungen" mit Premieren an der Mailänder Scala und am Berliner Schillertheater, dem Ausweichquartier der Staatsoper, die noch bis 2015 saniert wird.

Die Wiedereröffnung von Barenboims Stammhaus verzögerte sich immer wieder, was Journalist und Moderator Giovanni di Lorenzo in der Radio-Bremen-Talkshow "3 nach 9" zu der Frage veranlasste: "Haben Sie Hoffnung, noch zu Lebzeiten des Haus wiedereröffnen zu können?" Der Maestro konterte: "Die Frage können Sie mir eigentlich noch präziser stellen: Denke ich, dass der israelisch-palästinensische Konflikt früher gelöst wird als der Umbau der Staatsoper?"

Israelis und Palästinenser sollen "Seite an Seite leben"

Als Barenboim 1999 mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said das West-Eastern Divan Orchester ins Leben rief, hatte er die Vision von einem friedlichen Zusammenleben der Völker im Nahen Osten. So wie die jungen Musiker aus Israel, Palästina und den arabischen Ländern miteinander musizieren, sollten auch Israelis und Palästinenser "Seite an Seite leben und nicht Rücken an Rücken", wie Barenboim bei "3 nach 9" sagte.

13 Jahre nach der Gründung des Orchesters glaubt der Künstler nicht mehr an eine Lösung des Konflikts. "Wir sind längst an dem Punkt angelangt, an dem die Situation nicht mehr lösbar ist", sagte er im Interview mit der Wochenzeitung "Die Zeit". Dem "Tagesspiegel" sagte er: "Frieden kann es nur geben, wenn die israelischen Politiker den Palästinensern einen überlebensfähigen Staat zugestehen und wenigstens Verantwortung für einen Teil des Leids der Palästinenser akzeptieren."

Unzählige Ehrungen hat Barenboim für sein musikalisches Wirken und sein Bemühen um Frieden im Nahen Osten erhalten, darunter das Große Bundesverdienstkreuz, den Klassik-Grammy, den Hessischen und Westfälischen Friedenspreis und im Oktober den Echo-Klassik für sein Lebenswerk. Die Autoren eines Porträts über den Maestro im "Süddeutsche Zeitung Magazin" meinen: "Gut möglich, dass er in den nächsten Jahren den Friedensnobelpreis bekommt."

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