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Der Bühnenmalocher - Theatermacher Johan Simons wird 70. Foto: MFKJKS NRW
Der Bühnenmalocher - Theatermacher Johan Simons wird 70. Foto: MFKJKS NRW
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Der Bühnenmalocher - Theatermacher Johan Simons wird 70

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Gelsenkirchen - Dort wo Arbeiter malochen, Fabrikschlote die Kulisse bilden und die bequeme Bürgerlichkeit weit weg ist, macht Johan Simons am liebsten Theater. Das ist wohl der Grund, dass der europaweit profilierte Niederländer so stark am Ruhrgebiet hängt - abgesehen davon, dass das Revier nur eineinhalb Stunden von seiner holländischen Heimat Varik liegt. Derzeit leitet Simons erfolgreich im zweiten Jahr die Ruhrtriennale. Mitten im Trubel des sechswöchigen experimentellen Theater- und Musikfestivals wird er am 1. September 70 Jahre alt.

 «Eigentlich hasse ich Geburtstage», verrät Simons in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur. Das hat aber auch damit zu tun, dass er aus armen Verhältnissen stammt. Es habe so wenig Geld zuhause gegeben, «dass man Geburtstage eher herunterspielte», sagt der 1946 im niederländischen Heerjansdam geborene Sohn eines Bäckers.

2017 muss der preisgekrönte Simons nach drei Jahren turnusmäßig den Intendantenstab der Ruhrtriennale abgeben - ungern, wie er durchblicken lässt. Ruhe oder Rentnerdasein sind allerdings Fremdworte für den energievollen Theatermalocher mit dem wilden grauen Haar. Die jahrzehntelange Leidenschaft und harte Arbeit für die Bühne haben auch in seinem Gesicht Spuren hinterlassen.

Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der Simons «einige Regiearbeiten» plant und zwei Monate mit seiner Frau Elsie de Brauw auf Reisen gehen will, kommt schon 2018 die nächste Herausforderung auf ihn zu - auch wieder im Ruhrgebiet. Dann übernimmt er das Schauspielhaus Bochum und will es wieder in die erste Liga bringen.

Simons will ein länderübergreifendes Theaternetzwerk mit Bochum, Gent und Rotterdam bilden und zugleich an die großen Zeiten von Claus Peymann und Peter Zadek anknüpfen. «Ich brauche das, viel zu tun zu haben und immer wieder neue Herausforderungen.» Schon als Schauspielschüler sei er oft mit dem Auto nach Bochum gefahren, um Arbeiten von Peymann und Zadek anzuschauen.

Simons ist ein Theatermacher durch und durch. Nach einer Tanzausbildung in Rotterdam und dem Schauspielstudium in Maastricht tourte er mit einem Wandertheater durch Holland. Ab 1985 konzentrierte er sich auf die Regiearbeit. Mit seiner Theatergroep Hollandia inszenierte er jahrelang Stücke an Orten fernab der Theaterhäuser - in Fabrikhallen, Ställen oder Kirchen.

Simons wurde aber auch gefragter Gastregisseur der Stadttheater von Berlin über Zürich bis zu den Wiener Festwochen. Seine Inszenierungen wurden mehrfach zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Nach der Leitung des NTGent setzte Simons als Intendant der Münchner Kammerspiele von 2010 bis 2015 seinen Erfolgskurs souverän fort. 2013 wurden die Kammerspiele zum «Theater des Jahres» gekürt.

Für die Ruhrtriennale-Intendanz im rauen Ruhrgebiet verließ Simons das feinere München. «Das Ruhrgebiet passt zu meinem Herzen, weil es eine so große soziale Geschichte hat», sagte er.

Der Ruhrtriennale drückte Simons einen politischen Stempel auf, bemühte den Arbeitermythos, stellte soziale Themen in den Mittelpunkt und fragt, ob angesichts von Terror, Kriegen und Flüchtlingskrisen die europäischen Werte noch gelten. «Man kann jetzt kein Festival machen, ohne dass man Politik einbezieht», sagt er.

Simons prägte die Ruhrtriennale seit ihren Anfängen 2002 mit. Erfolgreich war sein Arbeiterdrama «Sentimenti» mit einem Bühnenbild aus 16 Tonnen Briketts und Opernmusik von Verdi. Als Intendant entdeckte Simons den Reiz der halboffenen und Hunderte Meter langen Kohlenmischhallen ehemaliger Zechen, in denen man den Kohlenstaub noch riecht. Seine spektakulären Inszenierungen von «Accattone», «Rheingold» und jüngst der Gluck-Oper «Alceste» fanden in der Kritik ein eher gemischtes Echo, begeisterten aber immer das Publikum.

Für fünf Jahre hat sich Simons ab 2018 beim Schauspielhaus Bochum verpflichtet. Dann geht er schon bald auf die 80 zu. Und man fragt sich, warum er sich das antut. «Ich möchte mich gar nicht zur Ruhe setzen», sagt Simons. «Ich kann mich auch als Mensch und als Künstler immer noch einmal weiterentwickeln, weil ich mit großer Geduld und Überlegung und mit viel größerem Wissen als früher inszenieren kann. Denkt Simons manchmal schon über Bochum hinaus? «Danach kann man mich im Himmel finden», sagt er und lacht.