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Der Prinz des Bossa Nova

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Zum Tod von João Gilberto
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Seit den frühen 60er-Jahren geistert eine Melodie durch die Welt, die vermutlich jeder mitsingen kann: „The Girl From Ipanema“, komponiert von Antonio Carlos Jobim, getextet von Vinicius de Moraes. Im Ohr: die legendäre „coole“ Einspielung von 1963, mit Stan Getz, Jobim und den beiden Gilbertos, Astrud & João.

Als das Album „Getz/Gilberto“ 1964 auf Verve erschien, war das der bisherige Höhepunkt der „Bossa Nova“-Welle gewesen, die 1958 mit ausgelöst worden war von Gilbertos Debütalbum auf Odeon. Alles begann mit „Chegade de Saudade“ von Jobim. Damit fiel auch gleich das Schlüsselwort der ganzen brasilianischen Musik – Saudade. Wobei das Wort mit „Sehnsucht“ nur sehr ungenau übersetzt werden kann. Denn immer auch schwingt eine bittersüße Wehmut mit. Wenn Gilberto jedenfalls dieses Wort ganz sanft sang, bekam man eine Ahnung von diesem Gefühl. Und vermutlich war es auch dieses magische Wort, das den Journalisten Marc Fischer auf die Suche lockte nach dem enigmatischen Sänger und Gitarristen, der im Laufe seiner Karriere immer mal wieder für länger abgetaucht ist.

„Hobalala“ hat er lautmalerisch sein Buch genannt, das mehr über den Autor als über den Künstler erzählt hat. Gilberto war die pure „Stimme“ des Bossa Nova, die sich auch immer selbst an der Gitarre begleitet hat. Seine Stimme verschmolz Gilberto in seinen besten Aufnahmen ganz sanft mit seiner Gitarre. Grundiert hat er seine Begleitung mit einem stetigen Basston. Und dazu schlug er die Akkorde als Kontrapunkte. Cooler und reduzierter hat kaum ein Sänger gecroont.

Während Frank Sinatra, der einstige Big-Band-Sänger, immer noch ein ganzes Orchester für seine Performance brauchte, genügte Gilberto die eigene Gitarre. Selbst als 1977 Claus Ogerman noch für das wunderbare Album „Amoroso“ (mit einer traumhaften „Besame Mucho“-Version) üppige Streicher hinzufügte, blieb der Kern seiner Gesangsperformance unberührt. Durch seine Gitarre war Gilberto immer ganz bei sich, wie Aretha Franklin am Klavier in den Atlantic-Studios. In João Gilberto hatte der Bossa Nova vor 60 Jahren seine „Stimme“ gefunden wie vor 90 Jahren der Jazz in Louis Armstrong. Am 6. Juli 2019 ist diese Stimme für immer im „wirklichen Leben“ verklungen. João Gilberto ist 88 Jahre alt geworden. Uns aber bleiben seine Aufnahmen, die zum Weltkulturerbe gehören.

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