In einem der Videos, die nmzMedia 2013 beim Dirigier-Meisterkurs des Lucerne Festival gemacht hat, sagt Bernard Haitink einen entscheidenden Satz: „They don’t need much“. In der Tat, wenn jemand wie er vor dem Orchester steht, scheint dieses nicht mehr zu brauchen als seine klare Zeichengebung, seine Körperspannung und seine ihm als kollegialer Chef zugewandte Präsenz. Wie sich an einer anderen Stelle der Beginn des Kopfsatzes von Beethovens Neunter unter seiner Leitung plötzlich von der Workshopsituation in pure musikalische Energie verwandelt, hat etwas Magisches.
Man meint, der Essenz des Dirigierens beizuwohnen. Von dieser bescheidenen, aber bestimmten Könnerschaft, von seiner kompetenten Durchdringung und Kenntlichmachung komplexer Partituren haben Spitzenorchester auf der ganzen Welt profitiert, allen voran das Amsterdamer Concertgebouworkest, das der 1929 Geborene ab 1959 als Erster Dirigent und ab 1964 als alleiniger Chefdirigent bis 1988 leitete. Weitere Stationen, unter anderem in London (dort auch am Royal Opera House), Boston und Dresden schlossen sich an, stets flankiert von intensiver Aufnahmetätigkeit. Seine Zyklen mit symphonischen Werken von Mahler (die Amsterdamer Mengelberg-Tradition fortsetzend), Bruckner, Liszt, Schostakowitsch oder Vaughan Williams setzten Maßstäbe, in jüngerer Zeit kamen herausragende Live-Einspielungen, etwa mit dem London Symphony Orchestra oder dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks hinzu. Am 21. Oktober ist Bernard Haitink im Alter von 92 Jahren in London verstorben.