Leonberg - Es ist ein Leben mit Bach. Zum 80. Geburtstag geht die Ära von Deutschlands «Bach-Papst» Helmuth Rilling langsam zu Ende. Den Dirigentenstab will der Schwabe aber noch lange nicht aus der Hand legen.
Oft hat er es angekündigt, doch mit 80 ist tatsächlich Schluss: Der weltberühmte Chorleiter, Musikpädagoge und Bach-Interpret Helmuth Rilling gibt zu seinem runden Geburtstag an diesem Mittwoch (29.5.) die künstlerische Leitung seiner renommierten Internationalen Bachakademie Stuttgart ab. Den Dirigentenstab aber hält er fest. Natürlich. Nur ein Jahr Akademiepause hat sich Deutschlands «Bach-Papst» verordnet. Spätestens in der Saison 2014/15 will er sich mit mehreren Konzerten zurückmelden.
Aber eben nur noch als Gast. Die Nachfolge ist geregelt, Rillings Erbe seit geraumer Zeit in jüngeren Händen. Inwieweit der Meister nach einem ganzen Leben mit Bach freiwillig losgelassen hat, oder wieviel Druck vom mächtigen Vorstandschef Berthold Leibinger nötig war, bleibt wohl unklar. Der Streit um den immer wieder verzögerten Stabwechsel scheint aber beigelegt. «Die Akademie ist in guten Händen», sagt Rilling, der zuletzt auch stets Seite an Seite mit seinem Nachfolger Hans-Christoph Rademann auftrat.
Er wolle «alles tun», um Rademann zu unterstützen, versichert Rilling. Und: «Das läuft gut an.» Auch Rademann ist stets voll des Lobes für Rilling: «Hier ist so viel Gutes entstanden. Das ist ein Vermächtnis, das wir bewahren wollen.»
Leidenschaftlich, perfektionistisch, ruhelos und zurückhaltend ist Rilling zu Deutschlands wohl wichtigstem Bach-Experten geworden. Den Begriff «Bach-Papst» hört er überhaupt nicht gerne, «schwäbischer Evangelist» auch nicht. «Ich bin Musiker.»
Der Grammy-Preisträger ist einer der bekanntesten Botschafter der Musik Johann Sebastian Bachs. Spuren hat der studierte Schul- und Kirchenmusiker überall hinterlassen. Und er will dies noch lange tun: Erstmal sei er glücklich, gesund zu sein. Doch er sei auch in der glücklichen Lage, mit Erfahrung noch viel geben zu können.
Mit den Bachakademien, von denen es inzwischen weltweit 20 gibt, hat Rilling so eine Art Goethe-Institut der Musik entwickelt. Keimzelle ist die Akademie in Stuttgart, eine Forschungs- und Ausbildungsstätte, die Rilling 1981 aus der Taufe hob. Die Musikpädagogik sei ihm mindestens ebenso wichtig wie das Dirigieren.
Seine Profession erklärt Rilling stets mit seinem familiären Hintergrund: So kam sein Vater aus einer Musiker- und seine Mutter aus einer Theologenfamilie. «Bach fiel da auf fruchtbaren Boden.» 1954 gründete er in einem Dorf auf der Schwäbischen Alb die Gächinger Kantorei, die es in der Folge zu internationalem Ansehen brachte. Im Jahr 1965 kam das Bach-Collegium Stuttgart als Orchester dazu.
Zunächst Kantor in Stuttgart, wurde Rilling 1966 Dozent für Chorleitung an der Frankfurter Musikhochschule. Drei Jahre später wurde er zum Professor ernannt. Unzählige Preise, Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden folgten bis heute. 2011 etwa kam der Herbert-von-Karajan-Musikpreis hinzu. Rilling reiste in die DDR, als das noch heikel war, dirigierte in Russland und China. Sein Lebenswerk ist auf Millionen Tonträgern verewigt. Als einziger Dirigent spielte er von 1970 bis 1984 sämtliche Kantaten Bachs ein. Im Jahr 2000 erschien die Gesamtaufnahme aller Werke Bachs - auf 172 CDs.
Und wie begeht er seinen 80.? Das weiß er noch nicht. Seine Frau habe alles streng geheim gehalten. Auf einen Empfang oder irgendeine öffentliche Feier habe er aber verzichtet. Es werde etwas Persönliches. Ohne Musik wird das aber nicht abgehen – schließlich sind auch Rillings zwei Töchter Musikerinnen.