München - Nikolaus Bachler liebt den öffentlichen Auftritt, die große Geste. Kein Wunder bei einem gelernten Schauspieler. Die Pressekonferenzen seines Hauses zelebriert der bayerische Staatsopernintendant in lässiger Lounge-Atmosphäre und lässt sie zeitgemäß als Live-Stream im Internet übertragen. Wie bei Frank Plasbergs Talkshow "Hart aber fair" werden Publikumsfragen eingespielt, die der Hausherr routiniert beantwortet.
Für Bayerns Kulturminister Wolfgang Heubisch (FDP) ist ein Mann mit so viel Sinn fürs Außendarstellung eine sichere Bank. Deshalb war die jüngste Verlängerung seines Vertrages als Chef der Münchner Renommierbühne bis 2018 wohl nur eine Formsache. Das Haus ist, zumindest wirtschaftlich, in bester Verfassung. Von einer Auslastung der Opernvorstellungen von nahe 100 Prozent können viele andere Häuser nur träumen.
Nicht nur zu den Opernfestspielen geben sich am Max-Joseph-Platz Gesangsstars und finanzkräftige Sponsoren ein Stelldichein. Und Casting-Chef Pal Moe hat dafür gesorgt, dass auch das Ensemble in Schuss ist und der Nachwuchs nicht zu kurz kommt. Bachlers Managerqualitäten, wozu nicht zuletzt die Fähigkeit gehört, gute Leute um sich zu scharen, sind unbestritten.
Die künstlerische Bilanz seiner seit 2008/2009 währenden Amtszeit als Chef der Staatsoper fällt dagegen gemischt aus. Zwar hat Bachler den einstigen Publikumsschreck Hans Neuenfels erstmals an die Staatsoper geholt. Auch der in die Jahre gekommene Schock-Künstler Hermann Nitsch und "Regie-Berserker" Calixto Bieito durften unter Bachler ihr spätes Debüt absolvieren. Doch die einstigen Theater-Neuerer haben sich längst die Hörner abgestoßen und taugen kaum noch dazu, das saturierte Münchner Opernpublikum aus der Reserve zu locken. Das gilt auch für die mittlerweile allgegenwärtige katalanische Theatertruppe La Fura dels Baus, die für eine aufwendig dekorierte "Turandot" mit läppischen 3-D-Effekten verantwortlich zeichnete.
Damit setzt Bachler die Tradition fort, dass in München Neues erst eine Chance hat, wenn es sich anderswo längst etabliert hat. Folge ist ein zuweilen ermüdender Déjà-vu-Effekt. Von Ausnahmen wie der Atem beraubenden, tiefgründigen Inszenierung der "Dialogues des Carmélites" von Francis Poulenc durch den russischen Regisseur Dmitri Tscherniakow einmal abgesehen. Wie letztlich die Bilanz des im Februar gestarteten "Ring"-Großprojektes ausfällt, wird man erst nach der "Götterdämmerung" beurteilen können, die an diesem Samstag (30. Juni) zur Eröffnung der Münchner Opernfestspiele 2012 Premiere hat.
Petrenko verspricht neuen Schub
Manchmal hat man den Eindruck, dass das umfangreiche Beiprogramm zu Richard Wagners Opern-Tetralogie wichtiger ist als das Werk selbst. Dass die Staatsoper den US-Aktionskünstler Spencer Tunick nach München holte, um hier eine seiner Körperinstallationen mit 1.700 splitternackten Freiwilligen zu präsentieren, war ein Coup. Bachler versteht es, sein Haus im Gespräch zu halten.
Dies alles könnte nun bis 2018 so weitergehen. Wenn nicht nächstes Jahr als Nachfolger von Kent Nagano der neue Generalmusikdirektor Kirill Petrenko sein Amt antreten würde. Der als wahrer Wundermann gepriesene Russe, Wunschkandidat des mit Nagano nie ganz warm gewordenen Bayerischen Staatsorchesters, könnte der Ära Bachler einen neuen Schub geben.
s. auch: nmz-Beitrag von Wolf Loeckle: Kunst geht nicht ohne Risiko