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Heinz Werner Zimmermann (1930–2022). Foto: privat
Heinz Werner Zimmermann (1930–2022). Foto: privat
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Evolution statt Revolution

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Zum Tod des Komponisten Heinz Werner Zimmermann
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Wenige Komponisten haben die Entwicklung der Kirchenmusik im 20. Jahrhundert so sehr geprägt wie Heinz Werner Zimmermann, der sowohl als Schöpfer eigener Werke als auch als Kompositionslehrer mehrerer Kirchenmusiker-Generationen bedeutsam war.

In Zimmermanns Leben gingen „Komponieren“ und „Komponieren-Lehren“ von Beginn an Hand in Hand: Geradezu früh vollendet wird Zimmermann mit 23 Jahren Nachfolger seines eigenen Kompositionslehrers Wolfgang Fortner am Kirchenmusikalischen Institut in Heidelberg. Mit 32 Jahren wird er zum Direktor der Kirchenmusikschule in Berlin-Spandau berufen, wo er wesentlich für deren Wiederaufbau und Neustrukturierung verantwortlich ist. 1975 wechselt er als Professor für Komposition an die Musikhochschule Frankfurt wo er bis zu seiner Emeritierung 1996 lehrt. Zahlreiche Aufsätze und Artikel zeugen von seiner tiefgreifenden Durchdringung jedweder musikalischen Materie und von seiner umfassenden Bildung als Musiker und Musikant. Der vergeistigten und verwissenschaftlichten Kompositionsweise vieler Zeitgenossen des 20. Jahrhunderts erteilt er bewusst eine Absage – seine Musik soll den Hörer unmittelbar erreichen.

Zimmermann schreibt Musik, die (so Zimmermann selbst) „sich dem subjektiven Zeitgestaltungsprinzip der gesprochenen Sprache verdankt, jedoch auch dem objektiven Zeitgestaltungsprinzip der Tanzmusik ihren Platz anweist“. Diese theoretisch anmutende Definition verwandelt sich in Zimmermanns Werken zu einer stilistischen Polyphonie, einer Kombination und Kontrapunktierung unterschiedlicher Musikgenres. Zimmermann sucht nicht die Revolution sondern die Evolution und in seiner substanziellen Beschäftigung mit Jazz und außereuropäischer Musik, insbesondere den Spirituals, und deren Verknüpfung mit traditionellen Formen liegt der besondere Reiz und Charme seiner Kompositionen begründet.

Wichtige Werke, neben zahlreichen Motetten, Psalmvertonungen und neuen geistlichen Liedern sind „Wachet auf ruft uns die Stimme“, „The Bible of Spirituals“, „Symphonia Sacra“ sowie Instrumentalkonzerte (u.a. Violakonzert und Oboenkonzert), und die „Don-Giovanni Variationen“. Zimmermanns Opus Magnum ist die „Missa Profana“, eine großangelegte Ordinariums-Vertonung, die neben Solisten, großem Chor und Orchester auch den Einsatz einer Dixieland-Band und Tonband vorsieht – sie muss zu den bedeutendsten geistlichen Werken des 20. Jahrhunderts gezählt werden.

Viele Jahre haben seine Werke große Beachtung erfahren, insbesondere auch in den USA und in Asien. Der jüngsten Generation von Kirchenmusikern und Chordirigenten ist der Name Zimmermann nicht mehr so geläufig. Das mag daran liegen, dass sein Stil nicht dem aktuellen Zeitgeist der (Kirchen)Musik entspricht. Es steht jedoch außer Frage, dass Zimmermann schon jetzt einen festen Platz in der Musikgeschichte eingenommen hat. Die Zeit dieses „außergewöhnlichen, Maßstäbe setzenden und in die Zukunft weisenden Lebenswerks“ (F. Brusniak) wird immer wiederkommen!

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