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Neuer Intendant der Staatsoper Berlin - Jürgen Flimm. Foto: Festspiele Salzburg
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Expedition in den Westen - Jürgen Flimm will in Berlin noch mal durchstarten

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Für Jürgen Flimm steht noch der letzte Sommer als Intendant bei den Salzburger Festspielen ins Haus, da ist er zugleich auch an seiner neuen Wirkungsstätte unabkömmlich: Die Berliner Staatsoper Unter den Linden sitzt auf gepackten Koffern, der große Umzug steht in der Sommerpause bevor. Ab September ist der umtriebige 68-jährige Theatermann neuer Intendant des traditionsreichen Berliner Opernhauses. Über das Entdecken neuer Horizonte, italienischen Operngeschmack und den Umzug in den Westen sprach ddp-Korrespondentin Angelika Rausch mit Jürgen Flimm in Berlin.

ddp: Herr Flimm, wie stellt man für sich selbst fest, ob ein Opernhaus zu einem passt, wenn die Anfrage kommt. Hätte es in Berlin auch die Deutsche oder die Komische Oper sein können?

Flimm: Meine Entscheidung hat mit Daniel Barenboim zu tun. Etwas anderes hätte ich sicher nicht gemacht. Barenboim hatte mich 2001 schon mal gefragt. Ich hatte gerade 15 Jahre Thalia Theater in Hamburg hinter mir und war ziemlich müde. Jetzt kam die Anfrage noch einmal, vom Senat. Der zweite Grund, die Intendanz zu übernehmen, ist natürlich die Stadt Berlin, die sich so toll entwickelt mit einem sehr hohen Anteil von Kultur. Und der dritte Grund ist der Umzug der gesamten Oper ins Schiller-Theater. Dieser Umzug dorthin und wieder zurück ist natürlich von hoher Qualität.

ddp: Kommt es Ihnen entgegen, dass Ihr Start nicht in dem Repräsentationsbau Unter den Linden beginnt? Bedeutet das mehr Freiheit?

Flimm: Da muss man ganz andere Sachen machen, das muss sehr attraktiv werden. Das ist was ganz Neues, sozusagen eine Expedition. Wir haben dort 16 Premieren - 8 im großen Haus und 8 kleine Sachen. Und für die Kollegen hier im Osten ist das auch neu, dass sie jetzt in den Westen gehen.

ddp: Sie verlassen die Salzburger Festspiele nach diesem Sommer mit einer gewissen Resignation. Was ist dort passiert?

Flimm: Es ist sehr schwer, dieses große Festival sozusagen etwas näher an die Zeit zu bringen. Salzburg ist sehr schwerfällig in dem Entdecken neuer Horizonte. Da ist im Kuratorium, in dem fast nur Politiker sitzen, Neues sehr schwer durchzusetzen. Und denen ist schwer beizubringen, wie wichtig Luigi Nono ist. Es gab einmal eine Sitzung, in der es mal wieder hoch herging.. Und danach kam das Angebot aus Berlin.

ddp: Die Option Ruhestand kam für Sie mit 68 Jahren gar nicht in Betracht?

Flimm: Am Ende eines langen Theaterlebens jetzt noch mal so was Tolles wie die Staatsoper zu machen, ist sehr schön.

ddp: Wo sehen Sie die Staatsoper künstlerisch und wo wollen Sie hin mit ihr?

Flimm: Ich habe noch nicht alle Aufführungen im Repertoire gesehen, aber es ist alles in einem guten Zustand. Jetzt werde ich im Schiller-Theater das machen, was ich in Salzburg nicht zu meiner Zufriedenheit hinbekommen habe, nämlich sich mehr an die Zeit zu lehnen, in der man lebt. Wir werden Stücke des 20. und 21. Jahrhunderts aufführen und damit uns selber näher kommen.

ddp: Seit ein paar Jahren gibt es eine Kooperation der Berliner Staatsoper mit dem Opernhaus in Mailand. Hat sich diese Zusammenarbeit Ihrer Ansicht nach ausgezahlt?

Flimm: Der italienische Operngeschmack ist schon sehr anders als bei uns. Die ästhetische Debatte hier ist viel weiter fortgeschritten. Es gibt bei uns so viele verschiedene Lesarten von Regisseuren. Das ist den Italienern zum Teil sehr fremd, was wir hier so treiben. Da muss man dann hin und her überlegen, was könnte dem
Publikum in beiden Häusern gefallen. Die Zuschauer setzen hier wie dort sehr stark auf die Sänger, da wird die Regie auch manchmal überschätzt.

ddp: Wie viel künstlerische Freiheit hat man, wenn man Oper auch als Event vermarktet? Salzburg wurde Ihnen zu kommerziell, sagten Sie.

Flimm: In Salzburg muss man aus den geschätzten Einnahmen heraus produzieren, die Einnahmen sind also gleich mit dem Budget. Dann muss man Produktionen, die keine hohe Auslastung versprechen, weglassen. Das ist schrecklich. Hier am Opernhaus hat man auch eine Pflicht, Einnahmen zu erzielen. Aber trotzdem kann man vieles machen.

ddp: Werden Sie zum Start der Intendanz auch die akademisch-abgehobenen Programmhefte entstauben?

Flimm: Wir sind gerade dabei, etwas Neues zu entwickeln. Die Programmvorschau ist ja schon neu, im Magazinstil mit vielen Bildern und interessanten Texten.

 

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