Hamburg - Der Intendant der Hamburger Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, hofft trotz anhaltender Probleme weiterhin auf die Eröffnung des umstrittenen Konzerthauses bis 2014. Der Österreicher ist seit 2007 Generalintendant der Elbphilharmonie und der Laeiszhalle in Hamburg.
1964 in Wien geboren, absolvierte er eine Ausbildung zum Software-Ingenieur. Von 1993 bis 1996 war er persönlicher Referent des Intendanten Alexander Pereira am Opernhaus Zürich. In der Folge leitete er bis 2007 das Wiener Konzerthaus. Dapd-Korrespondentin Jana Werner hat sich mit Lieben-Seutter in Hamburg über die Faszination Elbphilharmonie und ihre Probleme unterhalten.
dapd: Herr Lieben-Seutter, als Intendant der im Bau befindlichen Elbphilharmonie werden Sie mit immer neuen Hiobsbotschaften konfrontiert, wie demotivierend ist das?
Lieben-Seutter: Mittlerweile demotivieren mich die Hiobsbotschaften nicht mehr. Dafür bin ich schon zu lange mit dem Projekt beschäftigt. Wir wissen inzwischen, dass hier alles passieren kann. Aber wir alle glauben trotzdem an das Projekt und sind mit Begeisterung dabei. So etwas macht man nur einmal im Leben.
dapd: Sie sind nach wie vor von dem Projekt fasziniert?
Lieben-Seutter: Die Faszination ist immer noch da, wenn nicht noch größer geworden. Bei aller Unsicherheit, was den Terminplan betrifft, kann man die Elbphilharmonie jetzt schon sehen. Man kann hineingehen, die Räume erleben und Baustellenführungen machen. Dabei bekommen wir totale Begeisterung zurück. Dieses Konzerthaus ist ein einmaliger Ort mit einer unglaublichen Energie und einer beeindruckenden Architektur. Die Elbphilharmonie hat ein Potenzial für künstlerische Projekte, dass wir gerade erst beginnen zu erfassen. Das Projekt wird funktionieren, wenn es fertig ist.
Immer wenn ich ein bisschen frustriert bin, gehe ich entweder in ein gutes Konzert oder auf die Baustelle, und ich komme begeistert zurück. Und ich habe es bis heute noch keinen Tag bereut, 2007 Ja zum Job des Intendanten der Elbphilharmonie gesagt zu haben.
dapd: Aber Ihr Job ist letztlich ein anderer geworden?
Lieben-Seutter: Gewiss ist der Job ein anderer, als ich mir das damals vorgestellt habe. Ich ging davon aus, dass ich nach zwei Jahren Vorbereitungszeit Chef eines der weltbesten Konzerthäuser bin. Das ist nicht ganz so gekommen, denn derzeit bin ich Intendant eines anderen schönen Konzerthauses, der über 100 Jahre alten Laeiszhalle, sowie eines noch nicht existierenden Hauses mit jeder Menge komplexer Fragestellungen. Es dauert viel länger als gedacht, aber einer muss es machen.
dapd: Wie können Sie bei all den Verzögerungen überhaupt noch die
Eröffnung der Elbphilharmonie planen?
Lieben-Seutter: Konzerttermine in der Elbphilharmonie plane ich zur Zeit nicht. Wir haben schon drei Mal Terminpläne mit den Hamburger Orchestern gemacht und die Eröffnung geplant, jetzt warten wir mal ab. Wir veranstalten unter dem Namen Elbphilharmonie bereits seit zwei Jahren in der Laeiszhalle und an anderen Orten der Stadt Konzerte, um die Marke zu positionieren. Das funktioniert gut. Diese Konzerte planen wir auch für die nächsten drei Jahre. Und ab Sommer 2014 könnte es sein, dass es auch in der Elbphilharmonie losgeht.
Die Glaubwürdigkeit spielt ebenso eine Rolle, denn man kann einem Spitzenorchester nicht viermal hintereinander einen Eröffnungstermin verkaufen, der dann doch nicht hält. Also die nächsten Termine gibt es erst dann, wenn die großen Probleme auf der Baustelle gelöst sind und die Eröffnung wirklich fix ist.
dapd: Der Baukonzern Hochtief nennt derzeit April 2014 als Fertigstellungstermin. Aber was passiert, wenn es nach all den Querelen recht kurzfristig zur Übergabe kommt?
Lieben-Seutter: Ich glaube, das hätte Hochtief gern - nach dem Motto: Fertig ist es, wenn wir fertig sind. Das kann passieren, wäre aber natürlich sehr unerfreulich. Wir brauchen einen Planungsvorlauf von zwei Jahren. Technisch gesehen kann man die Elbphilharmonie sicherlich in den kommenden zwei Jahren fertigstellen - wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen würden. Dann könnte die Eröffnung Ende 2013 oder spätestens mit Saisonbeginn im September 2014 stattfinden. Aber es ist wohl auch im Bereich des Möglichen, dass die Streitereien endlos weitergehen, es zu einem Baustillstand kommt und die Eröffnung erst 2022 stattfindet. Die aktuellen Terminverlautbarungen sind wohl eher taktischen Überlegungen geschuldet. Hochtief würde vermutlich schneller bauen, wenn die Stadt mehr Geld auf den Tisch legen würde, was sie aber aus guten Gründen nicht tun kann.
dapd: Ihr Vertrag läuft bis 31. Juli 2015. Wann machen Sie sich Gedanken, ob Sie diesen Vertrag verlängern wollen?
Lieben-Seutter: Diese Gedanken mache ich mir im Sommer 2013. Denn dann müsste die Stadt oder ich kündigen, damit sich der Vertrag nicht automatisch um drei weitere Jahre verlängert. Ich gehe davon aus, dass ich das Haus eröffnen werde, sonst würde ich auch nicht mehr hier sitzen.
dapd: In Anspielung auf die Akustik soll der Dirigent Leonard Bernstein nach der Eröffnung der Münchner Philharmonie 1985 gesagt haben: «Burn it!» («Brennt sie nieder!»). Auch bei der Elbphilharmonie wird großer Wert auf die Akustik gelegt. Haben Sie schon Bammel vor dem ersten Ton?
Lieben-Seutter: Ja. Der Bammel davor ist größer als vor vielem anderen. Vor der Eröffnung habe ich weniger Respekt als vor den ersten Proben. Die Zeichen stehen aber gut, dass der Saal akustisch wirklich das hält, was er verspricht. Größere Sorgen mache ich mir um die Besucherströme und die Verkehrsanbindung, weil da noch vieles im Argen liegt. Momentan laufen wir da sehenden Auges auf ein Desaster zu.