Frankfurt/Main (ddp). Mit Anselm Kiefer hat zum ersten Mal in der fast 60-jährigen Geschichte der Frankfurter Buchmesse ein bildender Künstler den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. Der Maler und Bildhauer nahm die Auszeichnung am Sonntag in der Paulskirche in Frankfurt am Main entgegen.
Die verleihende Jury begründete die Vergabe an den 63-Jährigen damit, dass Kiefer «im richtigen Moment» erschienen sei, «um das Diktat der unverbindlichen Gegenständlichkeit der Nachkriegszeit» zu überwinden. Die 60. Buchmesse öffnete derweil am Wochenende ihre Tore für das Publikum. Die fünftägige Schau stellte mit insgesamt 299 112 Besuchern einen neuen Besucherrekord auf.
Bei der Preisverleihung verwies Laudator Werner Spies auf Kiefers Zugehörigkeit zu einer Gruppe deutscher Künstler, die sich als «Akteure einer für die Deutschen unentbehrlichen Auseinandersetzung mit Geschichte» verstehen. Kiefer sei es in seinen Werken darum gegangen, die nationalsozialistischen Verbrechen in einem «aufdringlichen, beängstigenden Hier und Jetzt» darzustellen. Kiefer habe, indem er diese unkomfortable Position bezogen habe, «sicherlich mehr als manch anderer für den Frieden getan».
In seiner Dankesrede ging Kiefer auf die Vergangenheitsbewältigung nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Eine «Stunde Null» habe es damals nicht gegeben. «Die Ruinen wurden schnell abgetragen, die gesprengten Bunker entsorgt.» Nach dem Zusammenbruch der DDR sei es «zur Wiederholung des Zuschüttens, des Verstopfens von leerem Raum» gekommen, sagte er.
Den mit 25 000 Euro dotierten Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhält laut Statut eine Persönlichkeit, «die in hervorragendem Maße vornehmlich durch ihre Tätigkeit auf den Gebieten der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen hat». Zu den Trägern des seit 1950 jährlich vergebenen Preises zählen unter anderem Albert Schweitzer, Hermann Hesse, Theodor Heuss, Max Frisch, Astrid Lindgren, Siegfried Lenz, Vaclav Havel, Jürgen Habermas und Orhan Pamuk.
Dichtes Gedränge herrschte unterdessen auf dem Messegelände. Am Samstag seien genau 78 218 Besucher auf der Buchmesse gezählt worden, so viel wie nie zuvor an einem einzelnen Tag in der sechzigjährigen Messegeschichte, teilten die Veranstalter mit. Am Sonntag kamen noch einmal 62 868 Besucher, ein Plus von 11 Prozent im Vorjahresvergleich. Buchmesse-Sprecher Thomas Minkus zeigte sich mit der Resonanz an den fünf Messetagen hoch zufrieden: Die knapp 300 000 Besucher seien ein »hervorragendes Ergebnis".
Ehrengast der Literaturschau war in diesem Jahr die Türkei. Dessen Präsident Abdullah Gül gehörte ebenso zu den Besuchern der Messe wie sein deutscher Amtskollege Horst Köhler und andere Politiker, darunter Michail Gorbatschow und Franz Müntefering. Auch zahlreiche Prominente besuchten die Literaturschau, darunter Fußball-Bundestrainer Joachim Löw, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann oder Rapper Bushido. Die nächste Buchmesse findet vom 14. bis 18. Oktober 2009 statt, Ehrengast ist China.