Berlin/Nürnberg - Die international gefeierte Joana Mallwitz wird Chefdirigentin am Konzerthaus Berlin. Die 34-Jährige, die Generalmusikdirektorin am Staatstheater in Nürnberg ist, wird die künstlerische Leitung des Orchesters in der Hauptstadt mit der Saison 2023/24 übernehmen, wie Konzerthaus und Kulturverwaltung am Dienstag mitteilten. Der Vertrag wird, vorbehaltlich der Zustimmung der Personalkommission und der Zustimmung des Senats von Berlin, für fünf Jahre geschlossen.
Die erste Dirigentin auf der Stelle wird damit in zwei Jahren Nachfolgerin von Christoph Eschenbach. Der 81-Jährige hat den Posten seit 2019 inne. Mallwitz hatte Ende Juli angekündigt, ihren Vertrag als Generalmusikdirektorin in Nürnberg nicht zu verlängern und das Staatstheater mit Ende der Spielzeit 2022/23 zu verlassen. Als einen Grund nannte sie ihre familiäre Situation. Mallwitz erwartet im Herbst ihr erstes Kind. Zudem waren gescheiterte Pläne für den Bau eines neuen Konzerthauses in Nürnberg ausschlaggebend.
In einer Mitteilung bezeichnete sich Mallwitz als sehr geehrt, sie freue sich ungemein auf die Arbeit mit dem Konzerthausorchester. Die Musikerinnen und Musiker habe sie bereits bei zwei Projekten «als modern denkende, musizierfreudige, entdeckungslustige und überaus zugewandte Persönlichkeiten» kennengelernt. «Gepaart mit der spannenden und inspirierenden Geschichte des Ortes, der Klangschönheit des Orchesters und des wunderbaren Teams um Intendant Sebastian Nordmann sind dies Voraussetzungen, die man sich als Dirigentin nicht besser wünschen kann.»
Nordmann sieht «eine unglaubliche Kraft und Dynamik» im Dirigat von Mallwitz. «Schon beim konzentrierten Proben zieht sie einen in ihren Bann.» Auch Gespräche mit ihr «über die Zukunft klassischer Musik, ihre große Hingabe und ihre Begeisterung für Musikvermittlung haben sie schnell zur Wunschkandidatin gemacht».
Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) freut sich auf «eine inspirierende Musikerin sowie eine hervorragende Musikvermittlerin». Mallwitz verkörpere eine neue Generation der Orchesterleitung und werde mit dem Konzerthausorchester dazu beitragen, ein breites Publikum für klassische Musik zu begeistern.
In Salzburg wurde Mallwitz gerade erst wieder für ihre musikalische Interpretation von Mozarts Oper «Così fan tutte» gefeiert. Bei den Festspielen hatte sie im vergangenen Jahr als erste Frau in der 100-jährigen Geschichte des Klassikfestivals einen großen Premierenzyklus geleitet.
Die Karriere der in Hildesheim geborenen Dirigentin begann mit 19 Jahren als Solorepetitorin am Theater Heidelberg, wo sie schon nach ihrer ersten Spielzeit zur Kapellmeisterin aufstieg. Als damals jüngste Generalmusikdirektorin Europas wechselte sie 2014 ans Theater Erfurt. Vier Jahre später ging es nach Nürnberg. 2019 kürten Fachleute der Zeitschrift «Opernwelt» sie zur Dirigentin des Jahres.
Als Porträt-Künstlerin des Wiener Musikvereins wird Mallwitz in der Saison 2021/22 bei den Wiener Symphonikern und dem RSO Wien am Pult stehen. Debüts sind vereinbart beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Orchestre National de France und an der Semperoper Dresden. Sie gastierte bereits bei Orchestern in Berlin, London, München, Birmingham oder Göteborg.
Mallwitz dirigierte «Eugen Onegin» und «L'elisir d'amore» (Bayerische Staatsoper), «Salome» und «Die lustige Witwe» (Oper Frankfurt), «Der Fliegende Holländer» und «Madama Butterfly» (Royal Danish Opera), «Der Rosenkavalier» (Norwegische Nationaloper Oslo) oder «Macbeth» (Oper Zürich). In Nürnberg wurde sie für «Krieg und Frieden» und «Lohengrin» gefeiert.
[update, 2.9.]
Dirigentin Joana Mallwitz: Mein Mann ist mein stärkster Kritiker
Berlin/Nürnberg (dpa) - Die künftige Chefdirigentin am Konzerthaus Berlin, Joana Mallwitz, setzt bei ihrer international gefeierten Arbeit auch auf ihren Mann, den erfolgreichen Tenor Simon Bode. «Wir tauschen uns sehr viel aus und sind auch gegenseitig unsere stärksten Kritiker und besten Freunde», sagte die 34-Jährige der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Berufliche kreuzen sich die Wege der beiden Künstler selten. «Es ist tatsächlich so, dass wir in der Oper in den letzten 15 Jahren nicht ein einziges Mal zusammengearbeitet haben, weil wir einfach beide immer unabhängige Engagements hatten», sagte Mallwitz. Das wird sich 2022 ändern. «Wenn ich die «Zauberflöte» bei den Festspielen in Salzburg nächstes Jahr als Dirigentin übernehme, sind wir das erste Mal in der Oper zusammen in einer Produktion.»
Das Paar erwartet in Kürze das erste Kind. «Die größte Herausforderung für uns Künstler ist der unregelmäßige Tagesablauf und das viele Reisen. Da wird es sehr viel zu organisieren geben. Gerade wenn beide Partner auch unabhängig voneinander an verschiedenen Orten künstlerisch unterwegs sind», sagte Mallwitz. Gleichzeitig schränkte sie ein: «Man muss aber sagen, dass es sicher in dieser Hinsicht noch stressigere Berufe gibt, ich habe da großen Respekt für alle Eltern, die das hinbekommen, besonders für Alleinerziehende.»
Auch der neue Job wird Veränderung mit sich bringen. «Erstmal sind es noch zwei volle Jahre in Nürnberg, auf die ich mich sehr freue. Aber danach wird unsere kleine Familie sicher nach Berlin ziehen, da dort mein Lebensmittelpunkt und mit dem Konzerthausorchester auch meine Hauptaufgabe sein wird.»
Mallwitz gilt als Ausnahmetalent. Mit 19 Jahren begann sie als Solorepetitorin am Theater Heidelberg, wo sie nach ihrer ersten Spielzeit zur Kapellmeisterin aufstieg. 2014 wechselte sie ans Theater Erfurt - als damals jüngste Generalmusikdirektorin Europas. Vier Jahre später übernahm sie diese Position am Staatstheater Nürnberg. 2019 kürten Kritiker sie zur Dirigentin des Jahres. In zwei Jahren wird sie Chefdirigentin des Konzerthausorchesters Berlin.