Freiburg - Szu-Ni ist erst zehn Jahre alt - und damit die jüngste Teilnehmerin an der Freiburger Akademie zur Begabtenförderung (FAB) der Hochschule für Musik Freiburg. «Deutschland ist das Land der klassischen Musiker», sagt das Mädchen aus Shanghai. Sie habe sich schon immer gewünscht, hier Musik zu studieren. Und an der FAB kann sie schon in jungen Jahren Scheine erwerben, die später auch im Studium anerkannt werden.
Seit fünf Jahren bietet das baden-württembergische Hochschulgesetz die Möglichkeit, dass Schüler an Hochschulen Scheine erwerben können. Hauptziel der Programme, die bereits einige Universitäten in Baden-Württemberg anbieten, ist es, begabte und motivierte Schüler zu fördern. «Damit können die Begabten bei uns schneller studieren und gewinnen mehr Zeit, um sich auf die Musik zu konzentrieren», sagt Christoph Sischka, Professor für Klavier und Leiter der FAB.
Die FAB wurde 2007 ins Leben gerufen. Vorrangiges Ziel sei die Unterstützung von im Inland lebenden angehenden Studienbewerbern, sagt Sischka. Es seien aber gerade die Begabten, die sich im Ausland für den Weg nach Freiburg entschieden, durch die er sich bestätigt sieht: «Vom Ausbildungssystem her sind wir gut aufgestellt», fügt sie hinzu.
In der Regel nimmt die FAB Begabte im Alter von zwölf bis 18 Jahren auf. Der Grund: «Es soll eine bewusste Entscheidung der Jugendlichen sein, ohne Drill dahinter», sagt Sischka. Für Szu-Ni wurde eine Ausnahme gemacht, allerdings nicht bei ihrer Aufnahme. «Da hat sie das gleiche Programm durchlaufen, wie alle anderen Bewerber auch», sagt Sischka.
Derzeit lernen rund 20 Schüler an der Akademie. Pro Semester zahlen sie 750 Euro. Betreut werden sie von 18 Professoren, acht Dozenten und zehn Tutoren. Hochbegabte betreut auch Ernestina Dittrich, die das Schülerstudium am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) koordiniert. Dort absolviert ein Zehntklässler bereits sein sechstes Semester und könnte bald sein Vordiplom ablegen, berichtet sie. An zwei Vormittagen in der Woche sitzen die kleinen Mathematikstudenten mit anderen Studienanfängern in den ganz normalen Vorlesungen. Den Stoff, den die Kinder in der Schule versäumen, müssen sie selbstständig nacharbeiten. Um den Schülerstudenten diesen Spagat zu erleichtern, gibt es an der Uni einen Betreuer, der sie dabei unterstützt. An regulären Schulen seien manche Kinder irgendwann unterfordert, mit einem Frühstudium könnten diese Schüler neue Impulse und Anregungen bekommen, sagt Dittrich. Dadurch werde Frustration vorgebeugt.
Auch Szu-Ni wirkt glücklich am Flügel. Ihre Mutter schaut ihr im Übungsraum beim Spielen zu und lächelt. Zusammen sind sie im Februar aus Shanghai nach Deutschland gekommen. Szu-Ni hat mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen, mit acht kam das Cello dazu. Zum Vorspielen in Freiburg kam sie mit dem selbstkomponierten Stück «Der fliegende Hase». Derzeit steht sie morgens um 8.00 Uhr auf, um zu üben. Am Nachmittag geht sie zum Deutsch-Sprachkurs und abends nimmt sie an den Kursen der FAB teil. Ein hartes Programm. Und die Belastung wird eher noch zunehmen. Ab September geht Szu-Ni in Freiburg zur Schule.
«Musiker müssen mehr Opfer bringen als andere Berufe», sagt ihre Professorin, die bekannte Konzertpianistin Pi-hsien Chen. Begabung allein reiche nicht, 99 Prozent seien harte Arbeit. Sie habe aber die Erfahrung gemacht, dass gerade die begabten Schüler noch härter arbeiteten als die Studenten. Sie hätten einen inneren Antrieb. So wie Szu-Ni. Irgendwann will sie Konzertpianistin sein. Die Chance, die ihr die Hochschule in Freiburg bietet, wolle sie «in jedem Fall» wahrnehmen, sagt sie.