Philadelphia/Rio de Janeiro - Mit ihrer englischen Version des «Mädchens aus Ipanema» machte die Tochter eines nach Brasilien ausgewanderten Deutschen den Bossa Nova auf der ganzen Welt berühmt. Nach der Trennung von ihrem Mann João Gilberto tourte sie weltweit - nur in ihrer Heimat wurde sie nie richtig gewürdigt.
Die brasilianische Bossa-Nova-Sängerin Astrud Gilberto ist tot. Sie sei im Alter von 83 Jahren in ihrem Haus in Philadelphia (US-Bundesstaat Pennsylvania) gestorben, berichtete der Fernsehsender TV Globo am Dienstag unter Berufung auf die Schwiegertochter der Sängerin, Adriana Magalhães. Nach Angaben ihrer Familie erlag sie einem Herzleiden. Ihr Leichnam soll in den USA eingeäschert werden.
«Sie starb in dem Haus, das sie liebte und in dem sie ihre Bilder malte. Es ist ein Haus voller Kunstwerke von ihr, tausend Gemälde. Sie ist so gestorben, wie sie es sich gewünscht hat. An diesem Punkt ging sie in Frieden von uns», sagte Magalhães. «Astrud war ein großes künstlerisches Vorbild für ihre Enkeltöchter und Kinder. Sie war eine vielseitige Künstlerin, die sang, komponierte und malte.»
Mit ihrem Ehemann, der brasilianischen Musiklegende João Gilberto, machte sie den Bossa Nova auf der ganzen Welt bekannt. Bei der «Neuen Welle» der brasilianischen Musik handelte es sich um eine moderne Mischung von Samba und Jazz. Astrud Gilberto sang das Lied «Girl from Ipanema» auf Englisch, das später von zahlreichen Künstlern interpretiert wurde, darunter von Frank Sinatra, Louis Armstrong, Caterina Valente und Ella Fitzgerald.
«Ruhe in Frieden, meine ewige Muse», schrieb die Tochter von João Gilberto mit seiner zweiten Ehefrau, Bebel Gilberto, auf Instagram. «Mögest du mit den Vögeln und den Engeln singen, schöne Astrud.» Ihre Enkelin Sofia Gilberto schrieb auf Facebook: «Meine Oma ist heute zu einem Stern geworden und liegt neben meinem Opa João Gilberto.»
Astrud Evangelina Weinert kam 1940 als Tochter eines deutschen Einwanderers und einer Brasilianerin in Salvador da Bahia im Norden des Landes zur Welt. Bereits als Kind zog sie mit ihrer Familie nach Rio de Janeiro. 1959 heiratete sie João Gilberto und trat bald an der Seite ihres Mannes und gemeinsam mit Künstlern wie Nara Leão, Johnny Alf und Elza Soares auf.
1963 wirkte sie an dem Album «Getz/Gilberto» von João Gilberto und dem Saxofonisten Stan Getz mit, das von Tom Jobim arrangiert wurde. Dafür sang sie in einem Studio in New York den Song «The Girl from Ipanema» ein. Vor Jahren erzählte sie einmal ihre Variante über den Tag, der ihr Leben verändern sollte. Ihr Mann João Gilberto habe ihr schon im Hotel gesagt: «Heute gibt's eine Überraschung für Dich.» Im Studio, in dem Getz schon wartete, habe João sie dann «beiläufig» gefragt, ob sie auf Englisch mitsingen wolle. «Dieses Lied wird dich berühmt machen», sagte Getz demnach zu der damals 23-Jährigen.
Der brasilianische Journalist und Buchautor Ruy Castro erzählt den Tag in seinem Bossa-Nova-Standardwerk «Chega de Saudade» etwas anders. Danach bedrängte Astrud ihren Mann und Getz damals regelrecht, um bei dem Song mitmachen zu dürfen und eine englische Version zu singen. «João versuchte, vom Thema abzulenken, aber sie ließ sich nicht abwimmeln und fand Verbündete bei anderen», schilderte Castro die Szene.
Das Album «Getz/Gilberto» wurde ein großer Erfolg und erhielt 1964 den Grammy für das Album des Jahres. «The Girl from Ipanema» wurde mit dem Grammy für die beste Single des Jahres ausgezeichnet.
Kurz darauf wurde ihre Ehe mit João Gilberto geschieden. Astrud Gilberto machte sich in den Jahrzehnten danach einen Namen als Musikerin, gab weltweit Konzerte und wurde oft als «Bossa-Nova- Queen» bezeichnet. Nur in Brasilien wurde sie nie richtig gewürdigt.