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Portrait of Leontyne Price, Porgy & Bess. Van Vechten Collection at Library of Congress. Carl Van Vechten [Public domain], via Wikimedia Commons
Portrait of Leontyne Price, Porgy & Bess. Van Vechten Collection at Library of Congress. Carl Van Vechten [Public domain], via Wikimedia Commons
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Glutroter Samt und ein Hauch von Rauch – Sopran-Solitär Leontyne Price feiert ihren 90. Geburtstag

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„Io son l’umile ancella… - Ich bin nur demütige Dienerin…“ … als Leontyne Price dies 1968 im Münchner Kongress-Saal bei ihrem einzigen Gala-Konzert in der Bundesrepublik sang, schmolz auch der Autor dieser Zeilen endgültig in hingerissener Bewunderung dahin: Grund genug für diesen Glückwunsch an eine bewundernswerte Amerikanerin.

Sie war 1958 nach Auftritten in Verona, Wien und Covent Garden „die Opernwelt-Aida“, erst recht als sie von 1961 an in dieser Rolle auch an der New Yorker Metropolitan Opera triumphierte und frenetisch gefeiert wurde. Doch als diese Produktion am 19.Mai 1964 nach Atlanta im rassistisch geprägten Süden der USA eingeladen war, konnte Leontyne Price das anschließende Galadinner im großen Saal des Hotels nur betreten, weil der aus einer jüdischen Wiener Familie stammende, mit Diskriminierung vertraute Generaldirektor Rudolf Bing ihr demonstrativ den Arm bot, sie - umgeben von eisigem Schweigen - an seinen Tisch führte und sein Glas zu einem Toast hob.

Für Leontyne Price war das keine stupend neue Erfahrung. Als Tochter einer Hebamme und eines Mühlenarbeiters lernte sie in Laurel/Mississippi alle Spielarten der Rassendiskriminierung kennen. Die neunjährige Leontyne hörte 1936 die große farbige Altistin Marian Anderson und dieses „Ereignis“ formte ihren Wunsch: Sängerin werden. Wie viele farbige Kolleginnen jeglichen Genres begann sie im Kirchenchor, fiel an Ohios Wilberforce University auf und bekam ein Stipendium für die hoch renommierte New Yorker Juilliard School. Dort fand sie die besten und für ihre Stimme „richtigen“ Lehrer: nicht nur Operndramatik, sondern auch Intimität und Feinheit von Konzert- und Liedgesang zu erlernen. Mit-Student und späterer Star-Pianist Van Cliburn berichtete von der „Wunderschülerin“ und der Juilliard-Lehrer und Star-Kritiker Irving Kolodin prägte das Abschluss-Urteil „A Pearl of great Price“.

Der Karrierebeginn in einem Revival von „Four Saints in Three Acts“ des Komponisten Virgil Thomson und ab 1952 dann der US- und Welt-Tournee als Bess in Gershwins Farbigen-Oper drohte auf ein einspuriges Gleis zu führen. Klug und von den eigenen Vokalqualitäten überzeugt, stieg Price 1954 aus, sang Konzerte und wurde aufgrund ihrer vokalen Expression 1956 die erste farbige Tosca in einer TV-Opernproduktion der NBC. 1957 engagierte sie die „kalifornisch liberale“ San Francisco Opera, Herbert von Karajan hörte sie in einem Carnegie-Hall-Konzert, holte sie nach Wien und Salzburg – der Rest ist „Opern- und Schallplatten-Lexikon-Geschichte“: vom „Met“-Debüt als Toubadour-Leonore 1961 – 42 Minuten „standing ovations“ – über die Eröffnung der neuen „Met“ 1966 im Lincoln Center in Samuel Barbers Oper „Anthony and Cleopatra“, über 21 „Met“-Spielzeiten und 203 Auftritte hin zu einer Welt-Karriere auf allen großen Bühnen - außer den deutschen! - quer durch alle Aufnahme-Studios, gekrönt durch 15 Grammy-Awards.

Klug hat Leontyne Price allen Verlockungen des klassischen Belcanto mit seinen Ziergesang-Herausforderungen und allen hochdramatischen Überforderungen widerstanden. So betört bis heute der „juicy lyric“-Klang ihres Timbres, ein Luxus-Sopran, der warm leuchten und rot glühen kann und in der Tiefe einen sinnlichen Hauch von Rauch verströmt. Selbstbewusst freute sie sich daran, die „erste farbige DIVA der Opernwelt“ zu sein und betonte daneben oft die emanzipatorische Stoßrichtung ihrer Karriere. 1985 nahm sie umjubelt Bühnenabschied – und trat 2001 engagiert beim Benefiz-Konzert für die Opfer von „9/11“ noch einmal in der Carnegie-Hall auf. Leontyne Price: schon zu Lebzeiten ein Fixstern am Opernhimmel… dem man hinüber nach Greenwich Village zurufen muss: „Mille, mille grazie per tutto!“

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