Berlin/Bielefeld - Liedermacher ist ein sperriger Begriff. So, als sei die Kunst nicht so wichtig wie das Herstellen. Und doch ist dieses Wort das Gegenstück zum französischen Chansonnier. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Zunft, der wie etwa Franz Josef Degenhardt, Wolf Biermann oder Konstantin Wecker stets angestrebt hat, künstlerischen Anspruch und politische Aussagen miteinander zu verbinden, ist Hannes Wader.
Er gilt als der wohl populärste Liedermacher in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre. Sein berühmtes Lied «Heute hier, morgen dort» gab der Rastlosigkeit einer Generation Ausdruck, die sich dem statischen Gesellschaftsbild der Adenauer-Ära nicht mehr verbunden fühlte, nach neuen Horizonten suchte. An diesem Donnerstag (23. Juni) feiert der Mann aus Ostwestfalen 80. Geburtstag und ist immer noch ein bekannter Name im deutschen Kulturbetrieb.
Wader blickt momentan sorgenvoller als früher in die Zukunft, wie er im Interview anlässlich seiner neuen CD «Noch hier - Was ich noch singen wollte» betont: «Um es mit Karl Valentin zu sagen: «Die Zukunft war früher auch besser». Gemäß der - wie ich schon andeutete - momentan besonders ausgeprägten Schwankungen meiner Gemütsverfassung, die auch mein Denken beeinflussen, fürchte ich das Schlimmste.»
Und Wader fährt fort: «Ich könnte meine «Weltuntergangsängste» jetzt argumentativ unterfüttern - nichts leichter als das -, lasse es aber lieber bleiben. Zu negativ mein «Mega-Tief». Ich hoffe, so bald wie möglich da raus zu kommen. Ich will meinen alten historischen Optimismus wiederhaben.»
Seine künstlerischen Anfänge erlebte Hannes Wader wie so viele seiner Zeitgenossen beim Folklorefestival auf der Burg Waldeck im Hunsrück. 1966 trat er hier erstmals auf, um danach im politisch bewegten West-Berlin seinen politischen Blick zu schärfen. Aber vor allem wurde er hier zum Mitglied einer lebendigen Folk- und Liedermacherszene, zu der auch Reinhard Mey, Klaus Hoffmann, Katja Ebstein und Ulrich Roski gehörten. 1969 erschien die erste Schallplatte, «Hannes Wader singt», der noch viele folgen sollten.
Das ikonische «Heute hier, morgen dort» veröffentlichte er 1972. Die Textzeile «Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort» fasst das Gefühl so vieler Menschen seiner Generation zusammen, ständig auf der Suche zu sein nach etwas, das besser und schöner ist als die Gegenwart. Sein eingängiger Reim und die Melodie machten das Stück zum beliebten Song, der von vielen nachgespielt und gesungen werden konnte und dadurch weite Verbreitung fand.
In Nordfriesland fand der Künstler dann für lange Zeit den Fixpunkt seines Lebens. Dort kaufte er eine alte Windmühle, die für 25 Jahre seine Heimat werden sollte. Dort veränderte sich auch Waders Kunst. Immer noch politisch engagiert, fügte er seinem Repertoire eine neue Facette hinzu. Er komponierte und sang zunehmend Lieder in plattdeutscher Sprache - Volksmusik im klassischen Sinn.
Regelmäßig veröffentlichte Wader Schallplatten und CDs, wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. 2013 erhielt er für sein Lebenswerk den «Echo». Bei der Verleihung hielt Reinhard Mey die Laudatio und sang «Heute hier, morgen dort» - zusammen mit Campino, dessen Band Die Toten Hosen den Song gecovert haben. Ebenso wie zuvor die Punkrocker Die Schröders.
Kurz nach seinem 75. Geburtstag beschloss Wader dann, dass es nun genug sei mit dem öffentlichen Leben als Sänger. Seine Abschiedstournee absolvierte er 2017. Ein Jahr später veröffentlichte er das Berliner Tempodrom-Abschlusskonzert unter dem Titel der Tournee: «Macht's gut». Im Jahr darauf erschien seine Autobiografie unter dem bezeichnenden Titel «Trotz alledem. Mein Leben».
Wader vermisst das Publikum, auch beim Entwickeln der Lieder. «Mir fehlt nicht nur der Applaus. Denn als Korrektiv neu entstehender Lieder sind die direkten Publikumsreaktionen bei Live-Auftritten im Grunde unersetzbar und fehlen mir dementsprechend. Aber ich gehe ja - in absehbarer Zeit jedenfalls - nicht mehr auf die Bühne. So muss ich in Zukunft darauf hoffen, dass bei meinen neuen Liedern ab nun der Charme der Frische und Unmittelbarkeit, der ja Entwürfen und Rohfassungen manchmal nachgesagt wird, den Mangel an «Ausgereiftheit» ausgleicht.»