Musikalisch hat Joan Baez es in den vergangenen Jahren ruhiger angehen lassen, aber in ihrem politischen Engagement lässt sie nicht nach. Seit fast 50 Jahren setzt sich die US-Folksängerin vor allem in ihrer Heimat, aber auch weltweit für Bürgerrechte, soziale Gerechtigkeit und gegen den Krieg ein - damals in Vietnam, später im Irak. Sie gilt als "das Gewissen und die Stimme der 1960er" und als First Lady der Friedensbewegung. Am Sonntag (9.1.) wird Baez 70 Jahre alt.
Ihr jüngstes Studioalbum mit dem Titel "Day After Tomorrow" veröffentlichte sie 2008, es war ihr erstes seit fünf Jahren und enthielt Interpretationen ihrer Lieblingssongs unter anderem von Tom Waits, Elvis Costello und Patty Griffin. Im vergangenen Jahr folgte dann die Dokumentation "How Sweet The Sound". Doch viel mehr Aufsehen erregte Baez wieder einmal mit ihren politischen Auftritten, die ihre Karriere fast von Beginn an begleiteten. So gab sie im vergangenen Jahr zusammen mit anderen Musikerlegenden im Weißen Haus ein Konzert zu Ehren der Bürgerrechtsbewegung und trat bei der Feier zu Nelson Mandelas 90. Geburtstag im Londoner Hyde Park auf. Im Jahr zuvor sang sie in Prag zum 20. Jahrestag der Samtenen Revolution und in New York zum 90. Geburtstag von Folk-Legende Pete Seeger. 2006 bezog sie Quartier auf einem Baum, um gegen die geplante Bebauung eines Farmgeländes bei Los Angeles zu demonstrieren.
Im Jahr zuvor hatte sich Baez in der Nähe der Ranch des damaligen US-Präsidenten George W. Bush an einer Protestaktion gegen den Irak-Krieg beteiligt. "Bei der ersten Demonstration (gegen Vietnam), an der ich teilgenommen habe, waren wir zu zehnt. Das hier ist riesig", sagte sie damals vor hunderten Kriegsgegnern und Angehörigen getöteter Soldaten in Texas. Die Tränen der als "Peace Mom" bezeichneten Friedensaktivistin Cindy Sheehan, deren Sohn im Irak getötet wurde, hätten das Fass zum Überlaufen gebracht: "Man kann fließendes Wasser nicht aufhalten", die Antikriegsbewegung sei daher unabwendbar, fasste sie ihre Überzeugung zusammen.
Die Tochter eines mexikanischen Physikers und einer Schottin wurde in ihrer Kindheit wegen ihres dunkleren Teints zuweilen beschimpft und empfand Rassendiskriminierung am eigenen Leib. Ende der 50er Jahre entdeckte sie ihre Liebe zum Folk und trat in Boston und Umgebung in kleinen Clubs und Kaffeehäusern auf. 1959 sang sie zum ersten Mal beim Newport Folk Festival, und 1960 erschien ihr erstes Album, "Joan Baez". Darauf finden sich allerdings weniger Protestsongs als Traditionals und schottische Balladen.
In den 60er Jahren wandte sie sich dann der Bürgerrechtsbewegung von Martin Luther King zu. Zu ihrem Markenzeichen wurde der alte Protestsong "We Shall Overcome", den sie 1963 auf einem Protestmarsch in Washington sang. Schon vorher lernte sie den damals noch weitgehend unbekannten Bob Dylan kennen, dem sie mit gemeinsamen Auftritten erst zu größerer Popularität verhalf. Eine Zeitlang waren der "König" und die "Königin" der Folkmusik damals auch ein Paar, inzwischen gehen sie sich Berichten zufolge aber aus dem Weg. 1968 heiratete Baez den Studentenführer David Harris, mit dem sie einen Sohn hat. Die Ehe wurde 1973 geschieden.
In den Folgejahren setzte Baez ihr politisches Engagement konsequent fort. Sie unterstützte den Kampf von Wanderarbeitern in Kalifornien für höhere Löhne, hielt einen Teil ihrer Einkommenssteuer aus Protest gegen die Rüstungsausgaben zurück, ermutigte Wehrdienstverweigerer und verbrachte Weihnachten 1972 aus Protest gegen die Menschenrechtsverletzungen in den Luftschutzkellern in Hanoi. Sie engagierte sich bei Amnesty International, nahm in Nordirland an Frauendemonstrationen gegen den Bürgerkrieg teil und unterstützte Bürgerrechtsbewegungen in Osteuropa. Das brachte sie häufig in Opposition zur US-Regierung.
Ihre Lieder widmete sie couragierten Menschen wie Lech Walesa oder den Müttern der Verschwundenen in Argentinien. Zuletzt äußerte sie sich im vergangenen Jahr bei Konzertauftritten kritisch auf ein verschärftes Einwanderungsgesetz für Mexikaner im US-Staat Arizona. Anlässlich der Proteste gegen die umstrittene Wiederwahl des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2009 veröffentlichte sie aus Solidarität mit den Demonstranten eine Version von "We Shall Overcome" mit einem Teil des Textes auf Farsi. Auf die Frage, ob sie sich immer noch als Protestsängerin sehe, sagte sie im selben Jahr in einem Zeitungsinterview: "Die Grundlage meiner Überzeugungen ist immer noch dieselbe wie als ich zehn Jahre alt war: Gewaltlosigkeit."
Vom Monterey-Folk-Festival in Kalifornien 1963 über Woodstock 1969, Live Aid 1985, Live-8 2005 bis zum Newport Folk Festival 2009 war Joan Baez mit ihrer prägnanten, glasklaren Stimme stets präsent. Im Lauf ihrer Karriere veröffentlichte sie mehr als 50 Alben. Ihren größten kommerziellen Erfolg hatte sie 1971 mit dem Titel "The Night They Drove Old Dixie Down", im Original von The Band und in Deutschland als "Am Tag als Conny Kramer starb" von Juliane Werding interpretiert.