In den letzten Jahren stand ich wegen einiger Artikel, Interviews und Themenschwerpunkte in gutem Kontakt mit Gisela Gronemeyer und bin erschüttert über das vorzeichenlose Ereignis ihres Todes, da sie am Telefon bis zuletzt von ungebremster Neugier und voller Lebenslust und Zukunftspläne war. Für das Verfassen eines regelrechten Nachrufs fühle ich mich eher nicht berufen, da ich gar nicht so viel Persönliches von ihr und auch Allgemeineres über ihren nun leider nur 68-jährigen Lebensweg weiß. Vielleicht ist dies kein Zufall, denn offenkundig war es ihr niemals um die eigene Person, die eigenen Befindlichkeiten gegangen.
Vielmehr stellte sie sich ganz und gar in den Dienst der Sache. So erlebte ich mit ihr in den letzten Jahren vor allem einen intensiven Austausch über Themen der Neuen Musik und die dazugehörigen Szenerien. Hier waren ihre Wissbegierde und ihr Hintergrundwissen schier grenzenlos. Gleichzeitig teilte sie gerne ihre eigenen tiefen Einblicke ins Musikleben, gab oftmals wertvolle Hinweise zur weiteren inhaltlichen Vernetzung. Dankbar werde ich immer bleiben für den Zuspruch, den ich als freiberuflicher Publizist von ihr erlebt habe, etwa in Gestalt honorierter Arbeitsaufträge, die bei der wirtschaftlichen Aufstellung eines solchen Unternehmens ja eher die Ausnahme bleiben müssen. Ihre Fairness, freie Autoren, die ohne weitere Absicherung arbeiten nach Kräften zu honorieren, wurde weithin geschätzt.
Dass die Zukunft der MusikTexte ohne Gronemeyer – zweifellos bis zuletzt die „Seele“ des 1983 gemeinsam mit Ulrich Dibelius, Reinhard Oehlschlägel und Ernstalbrecht Stiebler gegründeten Unternehmens – nun gefährdet ist, erfüllt sicher große Teile der Neuen Musikwelt mit großer Sorge, sind solche publizistischen Plattformen, Diskussionsforen und „Schaufenster“ für internationale Tendenzen der Gegenwartsmusik doch ein überaus rares Gut, in der über Jahrzehnte aufrecht erhaltenen Vielfalt der Themen und Qualität der Präsentation sogar einmalig. Für meine Sozialisation seit den 1990er Jahren im Bereich der Neuen Musik waren die MusikTexte zentral. In den ersten Abo-Jahren habe ich jede Ausgabe von der ersten bis zur letzten Zeile gelesen. Meist ergaben sich unvergessliche, immer höchst erkenntnisreiche, informative, teils auch kontroverse Leseerlebnisse, mitunter angereichert durch unterhaltsame und (real-)satirische Aspekte – etwa durch pointiert eingesetzte Fremdzitate oder Presseausschnitte zu aktuellen Ereignissen der Musikwelt. Vor allem hat mich die globale Perspektive und ästhetische Bandbreite bei der Präsentation von Komponistinnen und Themen nicht nur beeindruckt, sondern auch zutiefst geprägt. Je tiefer man dann selbst in die Arbeit mit der Neuen Musik einsteigt, desto seltener gelingt vielleicht die erschöpfende Lektüre aller Hefte. Da passt dann die grelle Signalfarbe der zuletzt 176 Heftnummern ganz gut, um auf das Unabgegoltene der Inhalte gewissermaßen mahnend hinzuweisen.
Die damit verbundene Möglichkeit, durch nachholende wie wiederholte Lektüre zahlloser Schlüsseltexte der Neuen Musik einer selbst in Bereichen von Kunst und Kultur stets drohenden leeren Betriebsamkeit entgegenzuwirken bringt mich jedenfalls dazu, die Gesamtbestände der MusikTexte so gut zu hüten wie eine bibliophile Gesamtausgabe – und dies sicher zuallererst dank der großartigen inhaltlichen, redaktionellen und editorischen Arbeit der nun schmerzlich vermissten Gisela Gronemeyer.