Am Mittwoch, den 14. Juli, tritt der Hip Hop-Star Nas zusammen mit Damian Marley beim Tollwood-Festival in München auf. Im Interview mit Claus Lochbihler erzählt er von seiner Liebe zu Afrika, was Hip Hop und Reggae zur Weltmusik macht, und was er an der Jazzlaufbahn seines Vaters bewundert.
In einem frühen Interview mit dem „Rolling Stone“ haben Sie einmal den eindrucksvollen Satz gesagt: Meine Seele rappt seitdem der erste Mensch in Afrika seinen Fuß auf den Boden gesetzt hat. Woher kommt diese starke Verbindung zum afrikanischen Kontinent?
Schon als Kind haben meine Eltern immer von Afrika erzählt – als dem Ort, wo wir letztlich herkommen. Ihnen war wichtig, dass ich auch die afrikanische Geschichte von uns Afro-Amerikanern kenne.
Sie sind in „Queensbridge“ aufgewachsen, einer großen Sozialwohnungssiedlung in New York. War die Beschäftigung mit Afrika dort so etwas wie ein Gegenmittel zur harten Realität?
Absolut. Es ging darum, so etwas wie eine zweite Heimat zu haben. Die meisten Amerikaner haben neben den USA eine Heimat ihrer Vorfahren, einen Ursprungsort. Für die Juden ist das Israel, für Italo-Amerikaner Italien, für uns Afro-Amerikaner eben Afrika. Allerdings wissen viele von uns darüber viel zu wenig, zum Beispiel aus welchem Teil Afrikas ihre Ahnen ursprünglich kamen. In den Schulen kommt das immer noch viel zu kurz. Also müssen wir uns selber damit beschäftigen, weil es einem Hoffnung gibt. Und das Gefühl, zu etwas Größerem zu gehören.
Hat sich Ihr Afrika-Bild mit dem gedeckt, was Sie erlebt haben, als Sie das erste Mal dort waren?
Ich fand‘s großartig. Allerdings war der Trip viel zu kurz. Ich war in Nigeria, in Durban und einmal, um meinen Geburtstag zu feiern, in Kairo.
Haben Sie denn viele Fans in Afrika?
So genau weiß ich das selber nicht. Ein paar werden es schon sein, hoffe ich.
Vielleicht werden es mit diesem Album ja mehr.
Damit ginge ein Traum in Erfüllung. Auf dem Album geht es ja um meine und Damian Marleys Liebe zu Afrika. Es wäre toll, wenn das auch in Afrika gehört würde. Das Beste daran, dass Hip Hop und Reggae so groß geworden sind, ist für mich vor allem eines: Dass Menschen aus ganz verschiedenen Teilen der Welt etwas miteinander anfangen können, weil sie die gleiche Musik hören. Wer hätte jemals gedacht, dass Queensbridge für Hip Hop-Fans weltweit ein Begriff ist, nur weil ich immer wieder über dieses Viertel gerappt habe? So gesehen ist Hip Hop schon länger eine World Music. Nicht so sehr stilistisch, aber von der Wirkung her, weil Hip Hop zu einer globalen Musik geworden ist.
Ist das neue Album mit Damian Marley auch stilistisch eine Art World Music?
Für mich schon. Das ist kein reines Rap-, Afro- oder Reggae-Album, sondern irgendwas Schönes dazwischen. Als mir Damian zum ersten Mal die Musik von „As We Enter“ (http://www.youtube.com/watch?v=YIBAKp2aaEE) vorgespielt hat, sagte ich ihm: Wow, das ist Hip Hop, Reggae und Afrika – alles in einen Song gepackt.
Wie afrikanisch ist Hip Hop?
Die meisten nehmen Rap, Blues und andere Formen schwarzer Musik als amerikanische Musik wahr. Aber die Grundlage von all dem war Musik, die ursprünglich aus Afrika kam. Letztlich sind diese Stile nichts anderes als Fortentwicklungen afrikanischer Musik. Natürlich ist genauso richtig, dass Hip Hop der Sound von New York ist, weil diese Musik dort entstanden ist. Aber angefangen hat alles mit afrikanischer Musik.
Wie viel Reggae steckt im Hip Hop?
Da gilt das gleiche was ich eben über afrikanische Musik gesagt habe: Es steckt viel mehr Reggae im Hip Hop als viele glauben. Kool Herc war es, der die Sound Systems des Reggae auf die Straßen von New York gebracht hat. Am Anfang des Hip Hop steht ein DJ aus der Bronx, der in Jamaika geboren wurde. Letztlich sind alle Musikstile, die afrikanische Musik in sich tragen, miteinander verwandt. Deswegen heißt unser Album auch „Distant Relatives“.
Wie haben Sie im Studio gearbeitet?
Das wichtigste war, dass wir bei den Aufnahmen immer gemeinsam im Studio waren. Es war nicht so wie bei vielen anderen Produktionen, wo sich die MCs oder Produzenten kaum noch sehen, weil die Tracks nur noch hin und her gemailt werden. Damian und ich konnten sehr direkt aufeinander reagieren, uns gegenseitig überraschen und fordern. Deswegen ist ein Track wie „As We Enter“ auch so dynamisch geworden.
Ihr Vater Olu Dara ist Jazztrompeter. Sie haben einmal gesagt, dass Sie seine Karriere mehr als Ihre eigene bewundern. Weshalb?
Mein Vater hatte nie zu viel, aber auch nie zu wenig Erfolg. Zu viel Erfolg kann ganz schön stressig sein. Zu wenig oder gar kein Erfolg natürlich auch. Bei meinem Vater war das immer sehr gut ausbalanciert. Ich weiß zwar gar nicht, ob das alles seine Absicht war und ob er es selbst so sieht. Aber ich hatte immer den Eindruck, dass er mit dem, was er tut und erreicht hat, zufrieden ist. Außerdem gibt es in der Welt, in der er sich bewegt, nicht so viel Stress und Eifersucht wie im Entertainment Business.
Weil es im Jazz so viel weniger kommerziell zugeht als im Hip Hop?
Wahrscheinlich liegt es auch daran.
Hat Ihr Vater, der Jazzmusiker, Ihren Hip Hop beeinflusst?
Ganz sicher. Ich habe schon immer viel mit Jazz-Samples gearbeitet. Und der Hip Hop hat so manches mit dem Jazz gemeinsam: Bei beiden geht es darum, mit dem Rhythmus zu spielen und beim Rappen oder Improvisieren einen Flow hinzulegen.
Sie haben die Schule abgebrochen und waren mit 20 ein Hip Hop-Star. Haben Sie schon mal bedauert, keinen Abschluss gemacht zu haben?
Natürlich. Aber erst, als ich schon etwas älter war. Da merkt man auf einmal, was man alles verpasst hat. Besonders, wenn man Musik macht und Songs schreibt. Ein Freund von mir hat es geschafft aufs College zu gehen. Er hat zwar nicht fertig studiert, aber immerhin war er auf dem College. Manchmal wäre ich froh, wenn ich auch so weit gekommen wäre.
Über Ihr Debüt „Illmatic“, das vielen als das beste Hip Hop-Album aller Zeiten gilt, sind einige Bücher erschienen. Lesen Sie so was?
Eines davon habe ich gelesen. Am interessantesten fand ich alte Interviews von mir, die dort abgedruckt waren. Die haben mich in die Zeit zurück versetzt, als ich „Illmatic“ aufgenommen habe. Manches hatte ich über die Jahre fast vergessen: Zum Beispiel, das ich mich damals kaum um die Business-Seite des Hip Hop kümmern musste. Alles war einfach nur Musik. Ich konnte mich ausschließlich auf mich konzentrieren und das, was ich ausdrücken wollte.
Mit wem haben Sie mitgefiebert, als bei der Fußball-WM die USA gegen Ghana gespielt haben?
Das Spiel habe ich leider verpasst. Vielleicht war es auch besser so, weil ich als Afro-Amerikaner nicht gewusst hätte, für wen ich sein soll. Als ich das Ergebnis gehört habe, habe ich mich über den Sieg von Ghana gefreut, war aber gleichzeitig enttäuscht, dass das US-Team verloren hatte.
Interview: Claus Lochbihler
Konzerttermine Nas & Damian Marley:
Mittwoch, 14. Juli 2010
München, Tollwood-FestivalFreitag, 23. Juli 2010
Grafenhainichen, Splash Festival