Lange Zeit hat Hamburgs Ballettchef John Neumeier um das Thema Nachfolge einen großen Bogen gemacht. Auf die Frage zu seinem 70. Geburtstag, ob er nicht mal etwas langsamer treten möchte, antwortete der viel jünger aussehende Choreograf: «Nein, noch nicht, nein.» Zum 40. Jubiläum mit dem Hamburg Ballett zeigte seine Compagnie im Sommer bei den dreiwöchigen Ballett-Tagen eine Art Retrospektive dieser 40 Jahre.
Und auch für diese Spielzeit hat er sich der dienstälteste Ballett-Chef der Welt einiges vorgenommen: Die Vervollständigung des «Weihnachtsoratorium» um die Teile 4-6, und die Uraufführung von «Tatjana» nach dem Roman «Eugen Onegin» von Alexander Puschkin mit der Musik von Lera Auerbach. Tanzen ist für Neumeier - wie er immer wieder betonte - Lebenselixier.
Doch bei seiner Vertragsverlängerung bis 2019 am Dienstag im Hamburger Rathaus wartete der gebürtige Amerikaner mit einer Überraschung auf: Ab 2015 soll Lloyd Riggins (44), langjähriger Erster Solist der Compagnie und Ballettmeister, ihm als stellvertretender Ballett-Direktor zur Seite stehen. «Für mich ist es wichtig, einen Weg aufzuzeigen, wie es mit dem Hamburg Ballett nach
2019 weitergehen soll», sagte Neumeier. Riggins habe sein Vertrauen und das des Ensembles und könne möglicherweise - wenn er dazu aufgefordert wird - die Compagnie weiter leiten. «Er ist nicht nur als Tänzer jemand, der absolut mein Konzept eines Balletttheaters darstellt, sondern er kann dieses Konzept auch als Leiter weitergeben», betonte Neumeier.
Lloyd Riggins wird seit vielen Jahren als «Kronprinz» von John Neumeier gehandelt. Seit 1995 beim Hamburg Ballett, glänzte er als Erster Solist in zahlreichen Hauptrollen, unter anderem als Gustav von Aschenbach in «Tod in Venedig», in «Nijinsky» oder als Hans Christian Andersen in «Die kleine Meerjungfrau». Für seine Rolle als Aschenbach erhielt er 2004 den Ballett-Oscar «Benois de la Danse».
Von 2006 bis 2009 Ballettmeisterassistent, arbeitet der 44-Jährige seitdem als Ballettmeister und hat schon einige Neumeier-Ballette mit anderen Compagnien einstudiert, so «Sylvia» beim Het Nationale Ballet in Amsterdam, «Odyssee» beim Königlich Dänischen Ballett oder «Die kleine Meerjungfrau» beim San Francisco Ballet.
Ab 2015 möchte Neumeier Riggins allmählich auf die Rolle des Nachfolgers vorbereiten. Sogar von einem «Sabbat-Jahr» spricht der sonst so arbeitseifrige Ballettchef, um dann zu sehen, wie sich Riggins als möglicher Leiter seiner Compagnie so macht. Das Vertrauen der Compagnie dürfte der gebürtige Amerikaner haben und die Werke von John Neumeier kennt kaum jemand so gut wie er. Als Choreograf ist Riggins bisher eher seltener in Erscheinung getreten.
In dem neuen Vertrag wurde zudem vereinbart, die Rechte an den 149 Choreografien von John Neumeier für das Hamburg Ballett über 2019 hinaus zu erlangen, die Zukunft des Bundesjugendballetts zusammen mit dem Bund zu sichern und sich gemeinsam für eine dauerhafte Erhaltung der Sammlung und Stiftung John Neumeier, einer der größten privaten Ballettsammlungen der Welt, einzusetzen. Es gibt also noch viel zu tun, bis John Neumeier im Jahr 2019 dann doch einmal aufhören sollte.