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Keine Vertragsverlängerung: Thielemann verlässt 2011 die Münchner Philharmoniker

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Die Ära des Dirigenten Christian Thielemann als Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker endet mit der Saison 2010/2011. Die Vollversammlung des Münchner Stadtrats beschloss am Mittwoch in nichtöffentlicher Sitzung, Thielemanns Vertrag nicht zu verlängern, wie das Kulturreferat mitteilte.

Thielemann habe den ihm angebotenen Vertragsentwurf nicht akzeptiert. Dieser hätte den Münchner Philharmonikern laut Kulturreferat in Bezug auf Gastspiele, Solisten und Programme, die nicht Konzerte mit dem Generalmusikdirektor betreffen, mehr Handlungsspielraum ermöglicht.

 «Ich bedaure, dass die Notwendigkeit dieses sowohl zukunfts- als auch handlungsfähigen Vertragsmodells von Herrn Thielemann nicht akzeptiert wurde», sagte Kulturreferent Hans-Georg Küppers und
betonte: «Ich hoffe jedoch, dass wir bis zum Jahr 2011 auf gute und professionelle Weise weiter zusammen arbeiten können.»

Thielemann hatte verlangt, dass er selbst nicht nur über seine eigenen Programme, sondern auch über die von Gastdirigenten weitgehend frei bestimmen kann. Es könne nicht sein, «dass ich über 30 Konzerte bestimme und der Kollege Intendant über 60. Da wäre ich als Chefdirigent nicht mehr existent», sagte der Dirigent der «Süddeutschen Zeitung» (Mittwochausgabe).

«Wenn ich zu den 60 Konzerten nichts sagen kann, (...) könnte meine Arbeit konterkariert werden», kritisierte Thielemann und fügte
hinzu: «Dann könnte ein anderer Dirigent einen Beethoven-Zyklus dirigieren, der meinem entgegensteht, und ich würde in meinem eigenen Haus ein Gastdirigent. Dann wüsste ich nicht, was ich da noch soll.»

Der Bruch zwischen dem Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, und der Stadt München hatte sich seit dem gestrigen Dienstag angebahnt.

Im Stadtrat schien Verärgerung über die harte Haltung Thielemanns in den Vertragsverhandlungen zu herrschen, die sich über Monate hingezogen hatten. Man sei dem Künstler in anderen Fragen sehr weit entgegengekommen, heißt es. Einer kalten Entmachtung von Intendant Paul Müller könne man jedoch nicht zustimmen. Thielemann habe „bereits einen Intendanten verschlissen“. Um finanzielle Fragen geht es dem Vernehmen nach nicht.

Die Stadt hatte Müller erst vor zwei Jahren von den Bamberger Philharmonikern abgeworben. Seinen Vorgänger Wouter Hoekstra, mit dem sich Thielemann überworfen hatte, musste man für viel Geld aus seinem Vertrag herauskaufen. Auch das Verhältnis zwischen Müller und Thielemann galt zuletzt nicht als störungsfrei.

Die Kulturverantwortlichen der Stadt fürchten, dass durch Thielemanns Anspruch auf Alleinherrschaft die Philharmoniker zunehmend unattraktiv für andere Dirigenten werden könnten. Dabei erinnert man an die Ära des rumänischen Dirigenten Sergiu Celibidache, der sein Orchester mit legendären Interpretationen beispielsweise der Symphonien Anton Bruckners zwar zu Weltruhm führte, aber kaum Platz für andere bedeutende Orchesterleiter ließ.

Auch innerhalb des Orchesters scheint sich Unmut über Thielemanns Verhalten angesammelt zu haben, beispielsweise wegen seiner Zurückhaltung gegenüber Auslandstourneen, die den internationalen Ambitionen des Orchesters im Wege stehe. Außerdem wird intern kritisiert, dass Thielemann zu wenig CDs mit seinem Münchner Orchester produziere.

Thielemann ist seit 2004 als Nachfolger von James Levine Generalmusikdirektor der Münchner Philharmoniker, des renommierten Orchesters der bayerischen Landeshauptstadt. Der 50-jährige gilt als einer der bedeutendsten Orchesterleiter seiner Generation und ist auch bei den Bayreuther Festspielen und den Wiener Philharmonikern ein häufiger Gast.

Seine künstlerische Laufbahn ist allerdings auch von regelmäßigen Zerwürfnissen mit seinen Arbeitgebern geprägt. Sowohl seine Stellen als Generalmusikdirektor in Nürnberg als auch an der Deutschen Oper in Berlin verließ er im Streit. In Nürnberg war ihm vor allem mangelnde Präsenz in der Stadt vorgeworfen worden. Seinen Vertrag mit der Deutschen Oper löste Thielemann vorzeitig, weil er sich mit der Stadt Berlin nicht über die Höhe der Gehälter seiner Orchestermitglieder einigen konnte.

Mögliche Nachfolgekandidaten für Thielemann als Münchner Generalmusikdirektor werden noch nicht gehandelt. Thielemann selbst wird allerdings Interesse für die Chefdirigentenstelle der Dresdner Staatskapelle nachgesagt, deren Generalmusikdirektor Fabio Luisi zur Saison 2012/13 ans Opernhaus Zürich wechselt. Der «deutsche» Ton des ältesten kontinuierlich bestehenden Orchesters der Welt könnte gut zu Thielemanns konservativer Auffassung von Orchesterleitung und musikalischer Interpretation passen. Zumal Richard Wagner, Thielemanns Idol, die Dresdner einmal als seine «Wunderharfe»

 


 

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