Der Komponist und Musikkritiker Konrad Boehmer starb am vergangenen Samstag 4. Oktober im Allter von 73 Jahren in Amsterdam. Boehmer, geboren 1941 in Berlin, stieß bereits als Schüler zu den Jüngern des Kölner Komponisten Stockhausen, mit dem es bald wegen unüberbrückbarer Differenzen hinsichtlich Sinn und Form der neuen Musik zu einem spektakulären Streit kam.
Der Jungkomponist, vielseitig interessiert und auch mit polemischem journalistischem Talent begabt, gehörte zu den ersten, die sich in der Bundesrepublik mit der dunkelbraunen Vergangenheit prominenter Musiker (und dem Fortdauern der in ihr geknüpften Seilschaften) beschäftigten. Nach einem vom Komponisten Werner Egk gegen Boehmer erwirkten (aus heutiger Sicht haarsträubenden) Urteil emigrierte dieser in die Niederlande. Er wurde Professor am Konservatorium in Den Haag. Boehmer setzte sich früh mit dem Elend der Musikkritik, den Erbschaften Hanns Eislers und Luigi Nonos, der Soziologie der vor-barocken Musik und immer wieder mit Fragen des musikalischen "Materialfortschritts" im Kontext des gesellschaftlichen auseinander. Er schuf neben seiner Tätigkeit als Kritiker des Magazins „Vrij Nederland“ eine große Anzahl von elektronischen Arbeiten und Kompositionen für traditionelle Instrumentalbesetzungen, darunter als Hauptwerk die Oper „Doctor Faustus“, die 1985 mit Erfolg im Palais Garnier in Paris uraufgeführt wurde. Gemäß dem Motto „vastberaden“ im Wappen seiner Wahlheimatstadt blieb Konrad Boehmer sich, der Idee einer scharf intonierenden neuen Musik sowie des kritischen Einspruchs in Kunst und Gesellschaft treu.
Soeben erschienen ist Bd. 2 der Gesammelten Schriften von Konrad Boehmer: „Doppelschläge. Texte zur Musik 1968–1970“ (Pfau Verlag Saarbrücken), 377 S.