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Am 18. Juli begeht der eben erst verabschiedete Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker seinen 75. Geburtstag. Stationen seines Lebens:
Leipzig (ddp). An seiner Brust haftet der Nationalpreis der DDR 1. Klasse genauso wie das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und der Ehrenlegions-Orden Frankreichs. Kurt Masur, der am Donnerstag seinen 75. Geburtstag feiert, ließ sich dennoch nie von der Politik instrumentalisieren. Als er nach der Wende als neuer Bundespräsident gehandelt wurde, winkte er ab und widmete sich lieber weiter seiner Musik. Sie stand und steht im Mittelpunkt seines Lebens. Und auch nach seiner Nieren-Transplantation im vergangenen Jahr war einer seiner ersten Gedanken: «Wann kann ich wieder ans Pult?»Wo er auftritt, erhebt sich das Publikum. Und als Bundespräsident Johannes Rau im vergangenen Herbst in der Leipziger Nikolaikirche über die Folgen der Terror-Anschläge in den USA sprach, reichte er zunächst Masur die Hand. Diese Karriere als jemand, dem die Welt Achtung entgegenbringt, war dem Ingenieurs-Sohn 1927 nicht vorhersagbar.
Masur startete in sein Berufsleben mit einem Werkzeugkoffer. In seiner schlesischen Heimat Brieg lernte er Elektriker, bevor er 1942 an die Landesmusikschule nach Breslau wechselte. Gegen Kriegsende wurde er noch zur Wehrmacht einberufen, bevor er dann in Leipzig Klavier, Komposition und Orchesterleitung studierte.
Leipzig sollte der Dreh- und Angelpunkt in Masurs Leben bleiben. Nicht nur musikalisch drückte er der Stadt seinen Stempel auf, als er 1970 das Amt des Gewandhaus-Kapellmeisters antrat. Er führte das DDR-Orchester zu Weltruhm und gastierte mit ihm 1974 erstmals in der Carnegie-Hall in New York. Von Masurs Einsatz profitiert Leipzig noch heute. Er war es, der den Neubau des Gewandhauses am heutigen Augustusplatz gegen die Staatsführung durchsetzte, die an dieser Stelle lieber einen neuen Hörsaal für die angrenzende Universität errichten wollte. Masur feierte am 8. Oktober 1981 gemeinsam mit Staatschef Erich Honecker die Eröffnung des Gewandhauses. Sieben Jahre später schlug er sich auf die Seite der Demonstranten und wurde mit seiner Unterschrift unter den Aufruf zur Gewaltlosigkeit eine der Integrationsfiguren der Wende in der DDR.
26 Jahre dirigierte Masur das Leipziger Orchester, bevor er zu den New Yorker Philharmonikern wechselte. Als «Dirigenten-Killer» genoss das Orchester einen zweifelhaften Ruf - nicht mehr, seit Masur ihm vorstand. Im Gegenteil: Das einst gefürchtete Orchester verlieh dem Maestro vor wenigen Wochen zum bevorstehenden Abschied den Ehrentitel «Music Director Emeritus», eine Auszeichnung, die zuvor nur Leonard Bernstein bekommen hatte. 1996 war Masur bereits als erster Musiker überhaupt zum Ehrendirigenten in der mehr als 250-jährigen Geschichte des Gewandhauses ernannt worden. Beste Voraussetzungen für seine nächsten Herausforderungen. Bereits seit 2000 ist er Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra, ab diesem Herbst wird Masur auch noch den Posten des Generalmusikdirektors des Orchestre National de France bekleiden.
In die Politik mischte er sich nie ein. Einzig in der Wende-Zeit 1989 setzte er durch, dass das Gewandhaus für politische Diskussionen als Forum offen stand. Ansonsten meldete er sich nur zu Wort, wenn er seine Musik gefährdet sah. Einen Niedergang der Musikkultur in Deutschland beklagte Masur im vergangenen Jahr. «Wir müssen jetzt aufwachen, sonst sind wir eine Kulturnation gewesen», sagte der Star-Dirigent damals in München. Klare Worte von einem, der politische Ämter ausschlug mit dem Hinweis, er könne nicht lügen.
Matthias Hasberg
Kurt Masur
18. Juli 1927 -- geboren in Brieg (Schlesien)
1946 - 1948 -- Studium am Leipziger Konservatorium
1948 - 1951 -- Kapellmeister am Theater Halle (Saale)
1953 - 1955 -- 1. Kapellmeister am Opernhaus Leipzig
1960 - 1964 -- Chefdirigent an der Komischen Oper in Berlin
1967 - 1972 -- Chefdirigent der Dresdner Philharmonie
1970 - 1996 -- Kapellmeister des Leipziger Gewandhausorchesters
Oktober 1989 -- Masur unterzeichnet den Aufruf zur Gewaltlosigkeit des Leipziger Wende-Herbstes
31. Dezember 1996 -- Masur wird zum ersten Ehrendirigenten des Leipziger Gewandhauses ernannt
1991 - 2002 -- Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker
1992 -- Masur wird zum Ehrendirigenten des Israel Philharmonic Orchestra auf Lebenszeit ernannt
seit 2000 -- Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra
ab 2002 -- Musikdirektor des Orchestre National de France